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Pommersche LandmannschaftVerein feierte Jahrestag in Bergisch Gladbach

Lesezeit 3 Minuten
Der Pflege der Bauerntänze widmen sich diese aus dem westfälischen Salzkotten angereisten Jugendlichen.

Der Pflege der Bauerntänze widmen sich diese aus dem westfälischen Salzkotten angereisten Jugendlichen.

Refrath –  „Wir hatten zehn Minuten, um das Haus zu verlassen.“ Paul Rudow erinnert sich noch genau an den Tag, als er mit seinen Eltern das eigene Haus in Pommern verlassen musste. 1945 war das. Seine Heimat war am Ende des Zweiten Weltkriegs von der russischen Armee erobert worden und unter polnische Verwaltung gestellt worden.

Die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben. Familien wie die Rudows erlebten zum Teil schreckliche Gewalttaten, qualvoll lange Reisen in Zügen oder Monate in Gefangenschaft. Wochenlang waren die Rudows unterwegs Richtung Westen. „Erst Ende 1945 haben wir in Stettin Weihnachten gefeiert, da fühlten wir uns wieder sicher.“

Ein großes Familientreffen

Der 1938 geborene Rudow ist erster Vorsitzender der Pommerschen Landmannschaft Bergisch Gladbach, die am Samstag im Refrather Haus Steinbreche das 61. Bestehen des Vereins feierte. Das Feiern des 60-jährigen Bestehens war aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Der in Kürten lebende Diplom-Physiker war mit seiner Frau Anorte Rudow und der 38-jährigen Tochter Anikke Irlenbusch nach Refrath gekommen. „Das ist für uns auch immer ein großes Familientreffen“, sagt Anikke Irlenbusch. „Und es geht darum, dass die Werte und Traditionen der Eltern und Großeltern weitergetragen werden.“

In den 70 Jahren seit Kriegsende haben die Pommern in ganz Deutschland verteilt neue Heimaten gefunden und auch entsprechende Traditionen übernommen. Das vorweihnachtliche Gänseessen, das traditionelle Weihnachtsfest, bei Anikke Irlenbusch haben sich die Traditionen mittlerweile gemischt: „Ich weiß gar nicht mehr ganz genau, was eigentlich bergisch oder pommersch ist“, sagt sie. Auf der Veranstaltung in der Steinbreche wurde sowohl das Pommernlied als auch das Bergische Heimatlied gesungen.

Heimatgefühl bleibt

Der Bezug zur Heimat ist allgegenwärtig, nimmt aber von Generation zu Generation ab. „Ich war in meinem Leben dreimal in Pommern, meine Eltern fahren viel häufiger hin“, sagt Irlenbusch. „Bei uns heißt es immer noch, wie fahren nach Hause, wenn wir nach Pommern fahren“, sagt ihr Vater. Dass das Interesse auch an den Aktivitäten der Landsmannschaft in den jüngeren Generationen abnehmen, sieht man an der Altersstruktur. 110 Mitglieder hat die Landsmannschaft in Rhein-Berg, der Altersdurchschnitt liegt bei 80 Jahren. „Irgendwann wird es vorbei sein mit dem Verein“, glaubt Rudow, der die Landsmannschaft mit seinem Schwager Dr. Ortwin Leitzke, zweiter Vorsitzender, leitet. Dabei bindet die Vertreibung zu Kriegsende die Pommern bis heute.

„Ich bewundere die Generation meiner Eltern“, sagt Irlenbusch. „Sie haben uns in keinster Weise spüren lassen, was sie für schreckliche Dinge erlebt haben, und sie haben in der neuen Heimat etwas Neues aufgebaut.“

Trotzdem schauen die bergischen Pommern nicht im Groll zurück. „Wir sind hier angekommen, und das ist gut“, sagt Paul Rudow. Erfreulich findet er es allerdings, dass in den vergangenen Jahren auch in Polen die pommersche Geschichte zunehmend gelehrt wird. „Heute weiß jeder Pole, dass Pommern früher deutsch war, und es gibt sogar Postkarten in deutscher Sprache.“

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