Woche des RespektsDie Hemmschwelle zur Beschimpfung sinkt

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Aggression und wüste Beschimpfungen erleben vor allem Polizisten und Feuerwehrleute häufiger als früher (Symbolbild).

Aggression und wüste Beschimpfungen erleben vor allem Polizisten und Feuerwehrleute häufiger als früher (Symbolbild).

Bergisch Gladbach – Die Düsseldorfer Landesregierung hat diese Woche zur „Woche des Respekts“ erklärt. Es gibt eine ganze Reihe von Untersuchungen und persönlichen Eindrücken, die bestätigen, dass es bergab geht mit dem Respekt. Da ist auch von einer „Verrohung der Sitten“ die Rede. Wir haben uns an Orten umgehört, wo Mangel an Respekt zum Problem werden könnte.

Die Polizei

Bei der Kreispolizei ist der Verfall der Umgangsformen ein großes Thema. Mittlerweile werden Beleidigungen gegen Polizeibeamte in der Rubrik „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“ erfasst. „Der Respekt gegenüber Polizisten ist deutlich gesunken“, sagt Polizeisprecher Richard Barz. Das äußere sich durch massive Beleidigungen. In der Vergangenheit seien häufiger männliche Beamte Zielscheibe gewesen. „Da wurde zumindest noch Rücksicht auf weibliche Kolleginnen genommen“, sagt Barz. Aber auch diese Hemmschwelle sei gefallen.

Im Jahr 2016 sind 53 Polizeibeamte meist verbal, aber auch körperlich angegriffen worden. „16 Kollegen und Kolleginnen sind in diesem Jahr schon verletzt worden“, sagt Polizeisprecherin Sheila Behlert. Als belastend empfänden viele Kollegen das Filmen ihrer Einsätze von Passanten mit Smartphones. Diese Filmaufnahmen würden später oft in soziale Netzwerke hochgeladen – ohne Einwilligung.

Das Ordnungsamt

Ute Unrau, beim Ordnungsamt für die Politessen und Stadtwächter zuständig, kann den Respektverfall nicht bestätigten. „Die Annahme, dass sich die Menschen zum Beispiel bei Knöllchen mehr aufregen und gegenüber unseren Mitarbeitern weniger Respekt zeigen, ist aus unserer Sicht falsch.“ Ausfällige Äußerungen habe es immer gegeben. Manche Menschen hätten kein Unrechtsbewusstsein.

Anders sieht es bei den schriftlichen oder telefonischen Beschwerden über Missstände in der Stadt aus. Da meldeten sich mehr Bürger – und es vergriffen sich mehr im Ton. Aber diese steigenden Fallzahlen seien vor allem das Ergebnis der Veränderungen im Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung.

„Verwaltung versteht sich heute ja als Dienstleister und nicht als Behörde, vor deren Vertreter man stramm stehen muss.“ Richtig sei aber, dass immer mehr Menschen ihre Nachbarn denunzieren und auf das sofortige Eingreifen der Verwaltung pochen.

Die Feuerwehr

„Vom Gefühl her schwindet der Respekt gegenüber den Kollegen im Rettungsdienst“, sagt Kreisbrandmeister Wolfgang Weiden. So seien Rettungssanitäter bei einem Einsatz in Bensberg angegangen worden. Feuerwehrleute seinen weniger betroffen.

Weiden erinnert sich an einen Einsatz zu später Stunde, bei dem ein Anwohner die Feuerwehrleute aufforderte, die Motoren ihrer Fahrzeuge abzustellen, er müsse schlafen – während das Haus seines Nachbarn brannte. Weiden hält die Situation in Rhein-Berg noch für unauffällig.

Die Schiedsfrau

„Was will die denn?“ – Margarete Iversen, seit mehr als 20 Jahren Schiedsfrau in Kürten, hört diesen Spruch vereinzelt, wenn sie die Parteien an den Schlichtertisch holt.

„Respektlosigkeit hat es früher schon gegeben, sie gibt es auch heute“, findet sie. „Manche Leute wollen einfach nicht, dass ich an einer Lösung mitwirke.“ Selten werde sie persönlich angegangen: „Ich fühle mich bei meiner ehrenamtlichen Arbeit überwiegend respektiert.“

Das Amtsgericht

Eine große Zunahme von Respektlosigkeit gegenüber Richtern und Justizbeamten hat Johanna Saul-Krickeberg, Direktorin des Amtsgerichts in Bensberg, nicht festgestellt. „Bei dem, was wir hier sehen, würde ich eher von unhöflichem Auftreten sprechen. Vom Gefühl her gab es das allerdings schon immer.“

In Großstädten könne dies anders sein. Allerdings seien die Verhandlungen mit Streitwerten unter 50 Euro in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.

Das Schwimmbad

„Für uns ist es ein stressfreies Arbeiten. Das Verhalten der Badegäste hat sich mit den Jahren nicht verändert“, berichtet Bäderkoordinator Elmar Torringen. Durchschnittlich schwimmen pro Jahr 250.000 Badegäste im Kombibad Paffrath.

Beschwerden gebe es lediglich von etwa 20 Gästen. Torringen: „Und die klagen eher über die Wassertemperatur oder Hygiene als über schlechtes Verhalten anderer Besucher.“

Der Bus

„Oh ja, die Menschen sind respektloser geworden“, sagt Andreas Toska (60), seit 30 Jahren Busfahrer. „Früher reagierten die Fahrgäste etwa auf die Aufforderung, die Füße von den Sitzen zu nehmen. Heute wird man dafür mit dem Satz „Das geht dich einen Dreck an“ beschimpft.“ Die gestiegene Respektlosigkeit ziehe sich durch alle Altersklassen und alle sozialen Schichten.

So hätte man vor 20 Jahren noch sagen können, auf welcher Buslinie besonders viele unangenehme Fahrgäste mitfahren. Das sei vorbei. Nur auf die Jugend zu schimpfen sei seine Sache aber nicht: „Es gibt auch heute noch Jugendliche, die für eine ältere Frau aufstehen. Aber weniger.“

Die Schule

Wolfgang Knoch, Schulleiter am Otto-Hahn-Gymnasium, stellt seinen Schülern ein großes Lob aus: „Ich kann nicht erkennen, dass die Jugendlichen respektloser sind als früher.“ Allerdings höre er im Gespräch mit Kölner Kollegen, insbesondere von Hauptschulen, ganz andere Meinungen.

Die Eltern seiner Schüler kämen aus Elternhäusern der höheren Bildungs- und Einkommensschichten. „Vor mir nehmen die Schüler noch ihre Baseballkappen ab und nehmen die Schuhe von den Stühlen. Aber ich weiß natürlich nicht, wie sie sich benehmen, wenn sie anonym unterwegs sind.“

Eine Veränderung gebe es allerdings bei den Eltern. Diese verteidigten ihre Kinder häufiger, wenn diese Mist gebaut hätten, und drohten oft direkt mit dem Rechtsanwalt. Knoch: „Das empfinde ich auch als eine Form der Respektlosigkeit.“

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