Deutsche EinheitInternationale Rhein-Berg-Bewohner sprechen über Nationalfeiertage

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Viele Deutsche wissen wenig mit dem Nationalfeiertag anzufangen, wie Rhein-Bergern mit ausländischen Wurzeln auffällt.

Viele Deutsche wissen wenig mit dem Nationalfeiertag anzufangen, wie Rhein-Bergern mit ausländischen Wurzeln auffällt.

Rhein-Berg – Die Deutschen stehen ihrem Nationalfeiertag, dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober, eher distanziert gegenüber. Es gibt keine Paraden oder Straßenfeste wie in anderen Ländern.

Wir haben Rhein-Berger aus anderen Geburtsländern befragt, wie wichtig für sie der Nationalfeiertag in ihrer Heimat ist und wie sie vor diesem Hintergrund die Distanziertheit der Deutschen empfinden.

Stolz auf Integration

„Auf der Kaule in Refrath bin ich die einzige, die am 3. Oktober die Deutschland-Fahne raushängt“, sagt Sylvia Wöber-Servaes bedauernd.

Hängt die Fahne raus: Sylvia Wöber-Servaes.

Hängt die Fahne raus: Sylvia Wöber-Servaes.

Die gebürtige Belgierin kann nicht ganz nachvollziehen, warum Deutsche so etwas höchstens mal bei großen internationalen Fußballturnieren machen. „Ob sich die Deutschen da etwas schämen?“, fragt die 69-Jährige, die seit 1968 in Deutschland lebt. Auch in Deutschland könne man durchaus selbstbewusster sein und einen „gesunden Nationalismus“ zeigen.

Was das für sie bedeutet? „Man kann doch auch stolz darauf sein, was das Land alles erreicht hat“, antwortet die Refratherin, die lange für die CDU im Gladbacher Stadtrat saß und heute unter anderem als Politikerin im Kreistag aktiv ist.

„Gerade, wenn ich sehe, was letztes Jahr in Bergisch Gladbach auch an Integration von Flüchtlingen geleistet worden ist, mit viel Engagement. Da kann man doch stolz drauf sein – und auch mal Flagge zeigen.“

Perfekt fürs Picknick

„Unser Independence Day am 4. Juli ist eine große Sache für die ganze Familie“, sagt die US-Amerikanerin Dr. Clara Jaramillo, die in New Orleans aufgewachsen ist und später in Pittsburgh lebte.

Denkt an den Independence Day: Dr. Clara Jaramillo.

Denkt an den Independence Day: Dr. Clara Jaramillo.

„Es war immer warm, perfekt für ein Picknick, ein Barbecue, einen Ausflug. Überall Musik, Party, manchmal sogar ein Feuerwerk am Abend.“

Vor neun Jahren zog die promovierte Informatikerin mit ihrer Familie nach Gladbach, wo sie an der Volkshochschule unter anderem Englisch unterrichtet. Der Mangel an Patriotismus ist ihr gleich aufgefallen.

„Die Flagge sieht man nur, wenn die Fußballnationalmannschaft spielt,“ sagt die Amerikanerin. „Ich finde es einerseits sympathisch, dass die Deutschen das Nationale nicht so hoch hängen wie wir. Aber es ist auch ein bisschen schade, denn die Wiedervereinigung war doch eigentlich eine Riesengeschichte.Wir haben den Mauerfall damals in den USA aufgeregt verfolgt.“

Ende des Kalten Krieges

Für den gebürtigen Russen Dr. Roman Salyutov, der 2004 nach Deutschland kam, ist der 3. Oktober mittlerweile wichtiger als der Nationalfeiertag daheim. Regelmäßig veranstaltet der Musiker Festkonzerte zu diesem Anlass.

Sehr wichtig ist Roman Salyutov der 3. Oktober.

Sehr wichtig ist Roman Salyutov der 3. Oktober.

„Es ist ein Tag der Freiheit für ganz Europa“, erklärt der Pianist und Dirigent, der das Sinfonieorchester Bergisch Gladbach leitet. „Wir feiern das Ende der Diktatur und des Kalten Krieges, und das ist für mich von besonderer Bedeutung. Ich bin 1984 in Leningrad geboren, komme also selbst noch aus einem totalitären Staat.“

Salyutov möchte aktiv dazu beitragen, dem Tag der Deutschen Einheit Würde und Bedeutung zu geben.

„Die Deutschen können stolz darauf sein, Europa befreit zu haben“, sagt Salyutov, versteht aber auch die Zurückhaltung gegenüber staatlich verordneten Feierlichkeiten. „Das Erbe der Diktaturen.“

Ansprache des Königs

„Für mich ist der 3. Oktober kein Feiertag“, sagt die gebürtige Belgierin Josée Moissonnier, die das französische Restaurant Klostermühle in Rösrath betreibt. „Man bekommt ja gar nichts davon mit, außer dass die Leute frei haben.“

Kein Feiertag ist der 3. Oktober für Josée Moissonnier.

Kein Feiertag ist der 3. Oktober für Josée Moissonnier.

Seit 1981 lebt sie in Deutschland. „Am Anfang fand ich es schon komisch, dass es hier überhaupt keinen Nationalfeiertag gibt.“ Es hätte doch zum Beispiel das Kriegsende gefeiert werden können. „Bei uns ist das anders. Der 21. Juli ist seit 1831 Nationalfeiertag, da wächst man als Kind hinein.“

Belgien ist eine repräsentative Monarchie, es gibt eine Militärparade mit König und Königin und eine Ansprache an die Bürger – in allen drei Landessprachen. „Viele Belgier fahren dafür sogar nach Brüssel“, weiß Moissonnier. Dass Deutsche nach Dresden fahren, um Angela Merkel zu sehen, kann sie sich dagegen überhaupt nicht vorstellen.

Kein Anlass zur Freude

Qutaibah Alkassab stammt aus Syrien. Er lebt mit seiner Familie seit mehreren Jahren in Deutschland. Deutscher Nationalfeiertag? „Den kenne ich nur aus den Nachrichten.

Vom 3. Oktober hat Qutaibah Alkassab nichts gesehen.

Vom 3. Oktober hat Qutaibah Alkassab nichts gesehen.

Im Alltag habe ich davon noch nichts mitbekommen“, sagt er. In seiner Heimat gebe es selbstverständlich auch Nationalfeiertage. Aber zu feiern gebe es im Augenblick, mitten im Bürgerkrieg, nichts.

Die Deutschen könnten stolz und glücklich sein, in einem geeinten Land und in Frieden zu leben. „Man hat allen Grund zu feiern.“ Wer er an feiernde Deutsche denke, dann falle ihm eigentlich nur der Karneval ein. „Da feiern die Deutschen wirklich.“

Zusammen im Freien

Saim Basyigit hat türkische Wurzeln, und für ihn hat der Deutsche Nationalfeiertag große Bedeutung. Traditionell findet dann ein Tag der offenen Tür in seiner Moschee am Finanzamt statt. „Das ist immer ein Angebot und eine Gelegenheit, uns kennenzulernen“, sagt Basyigit.

Tag der offenen Tür in der Moschee hat Saim Basyigit.

Tag der offenen Tür in der Moschee hat Saim Basyigit.

In der Türkei gebe es eine ganze Reihe von Feiertagen. Es sei immer eine Gelegenheit für Familie und Freunden, zusammenzukommen und draußen zu feiern.

Das sei ein wirklich großer Unterschied: „Die Feiern in der Türkei finden draußen statt, sind eher offene Treffen. In Deutschland feiert man eher in Sälen und in geschlossenen Gesellschaften.“

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