SteleSymbole der Weltreligionen in Kürtener Pfarrkirche vereinigt

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Michael Flossbach mit der Stele, die in der Kürtener Pfarrkirche steht.

Michael Flossbach mit der Stele, die in der Kürtener Pfarrkirche steht.

Kürten – Auf einmal ist sie da, die Stele. Rätselhaft, über Nacht aufgestellt, mit den Symbolen der Weltreligionen.

Michael Flossbach hat einen Traum, eine Hoffnung für die Zukunft der Menschheit. Flossbachs Vision handelt von Weltreligionen, die miteinander harmonieren, nicht feindlich gegeneinander agieren. Es ist ein friedfertiger, liebevoller Traum. Ja, auch einer, der von einer besseren Welt handelt, ohne Kriege, ohne Anschläge im angeblichen Namen einer Religion.

Von Menschenfreundlichkeit geprägt

Alle Weltreligionen seien friedlich, sagt Flossbach überzeugt, jede von ihnen sei von Menschenfreundlichkeit geprägt und von der großen Freundschaft der Menschen untereinander. Diesen Schatz will Flossbach heben, wieder freilegen: mit seinen Stelen. Sein ambitioniertes Projekt heißt: „Wir schöpfen alle aus einer Quelle“.

Daheim in der Werkstatt des Künstlers und Landschaftsbauers in Kürten-Sülze entstehen Stelen aus Holz und Stein, mannshoch, wuchtig, 80 Kilo schwer, nur mit vereinten Kräften von Mehreren zu heben. Sie tragen auf den Steinquadern Symbole, das Kreuz des Christentums, den Halbmond des Islams, den Davidstern des Judentums, auch buddhistische und hinduistische Motive. Diese Stelen sind für Flossbach Teil seines Traums, Zeichen des Friedens und Zeichen der Weltreligionen.

Anonym, ohne Erklärung

Ist eine Stele vollendet, passiert Ungewöhnliches. Flossbach stellt sie in den öffentlichen Raum. Ohne Hinweis, ohne Erklärung, ohne seinen Namen. Völlig anonym. Die Stele solle für sich stehen und einen Prozess in Gang bringen, das ist die Absicht. „Damit darüber diskutiert wird“, sagt der Kürtener.

Gerade in Zeiten, in denen Geflüchtete in Europa Schutz suchen, seien Gedanken über die Weltreligionen wichtiger denn je. Flossbach stellt also seine Stele ab, an einem Ort, den er für geeignet hält. Zum Beispiel im Kürtener Rathaus. Vor etwa einem Jahr war dort die Stele plötzlich aufgetaucht, stand im Foyer, rätselhaft zunächst, nicht zu deuten.

Bis auf ganz wenige Eingeweihte wusste niemand Näheres. Bewusst habe er sie ins Erdgeschoss gestellt, in einen Bereich, den auch die Schutzsuchenden häufig aufsuchen müssen. Aus dieser Gruppe seien dann auch in der Tat die ersten Fragen an ihn herangetragen worden. Auch in Wipperfürth (Rathaus) und Köln stehen Flossbachs Stelen.

Dialog der Weltreligionen

Aus dem Schatten der künstlerischen Anonymität tritt Flossbach nur selten. Der Name des Künstlers soll nicht ablenken vom großen Ziel, dem Dialog der Weltreligionen. Deshalb ist die Aktion in der Kürtener Pfarrkirche St. Johann Baptist besonders: Im Kirchenraum könnte künftig eine der Religionsstelen stehen, die vierte insgesamt im öffentlichen Raum. Während der Sonntagsmesse gestern hatte Gemeindereferent Willi Broich das Projekt vorgestellt. „Wir sind gespannt auf die Reaktionen“, sagt der Kürtener Gemeindereferent.

Auch Broich spricht vom Dialog, den die Weltreligionen aufnehmen müssten. „Das ist die zweite Stufe der Ökumene“, meint er mit Blick auf die evangelischen Christen im Glauben. Ein Konzept für die Präsentation der Stele habe er, habe die Pfarrei St. Marien Kürten noch nicht.

Projektbezogene Einsätze

Darüber müsse im Kirchenvorstand gesprochen werden. Broich kann sich vorstellen, die Stele von Kirche zu Kirche in Kürten wandern zu lassen oder projektbezogen einzusetzen. Als kürzlich Einheimische und Flüchtlinge ein gemeinsames Musikprojekt vorbereiteten, war die Stele ein erstes Mal aufgestellt worden, in der Mitte der Teilnehmer, als ein identitätsstiftendes Zeichen mit universaler Sprache. „Das ist gut angekommen“, sagt Broich.

Nichts ist zufällig an dieser Stele. Flossbach hat sich dazu viele Gedanken gemacht, er hat die Maße des Holzbalkens und der Steinquader akkurat ausgemessen und mit mathematische Formeln von Pythagoras bis Fibonacci verknüpft. „Die goldene Regel“ hat er deshalb die Stele für die Kürtener Kirche genannt, diejenige im Rathaus heißt „Gemeinde“.

Die steinernen Würfel, die er ins Holz eingesetzt hat, haben Abstände von 21, 34 und 55 Zentimetern – die Summe der beiden vorangehenden Zahlen steht für die nachfolgende. Auch der Goldene Schnitt findet sich bei den Maßen: Zwei Strecken stehen in diesem Verhältnis, wenn sich die größere zur kleineren verhält, wie die Summe aus beiden zur größeren. Mathematik und Philosophie verbinden sich.

„Drei in einem“

Der Künstler variiert in seinen Stelen die Symbole der Religionen. Was aber auf jeder seiner Stelen zu finden ist, sind Kreuz, Halbmond und Davidstern, verwoben zu einer neuen Signatur „Drei in einem“. Auch die Friedenstaube mit Palmzweig ist verpflichtend für Flossbachs Programm.

Grauwacke, Tuff und Eifeler Basaltlava nimmt der Kürtener für die Steine. Dazu einen uralten Holzbalken, mit Schrunden, porös. Ihn zersägt er in drei, vier, fünf Teile, setzt die Steinsymbole der Weltreligionen dazwischen. Eine Eisenstange sichert die Installation. „An dieser Stele ist wirklich kein Maß mit Zufall entstanden“, sagt Flossbach zur Kürtener Kircheninstallation. Selbst die Quader, 14 mal 14 Zentimeter, passen sich ins Formelschema ein. 3 und 4, die göttlichen Ziffern, addiert und gedoppelt. Alles hängt mit allem zusammen.

Steinkreis für die Gesamtschule

In Kürten ist Flossbach auch durch den Steinkreis bekannt, den er der Gesamtschule für den Schulhof geschenkt hatte. Auch deren Maße beruhten auf mathematischen Formeln, sagt er. „Sogar die Körpermaße der Menschen basieren auf dem Goldenen Schnitt.“ In den Weltreligionen gebe es mit den Goldenen Regeln ähnliches. Sie sind die Quelle, aus der die religiösen Friedensstifter schöpfen, sagt der Künstler.

Was die Zukunft bringt für sein Projekt, lässt Flossbach absichtsvoll offen. Finde er die Zeit, werde er sich der nächsten Stele widmen. Es müsse einfach passen, sagt er, dies betreffe auch den Präsentationsort. Beliebig will Flossbach seine besonderen Stelen allerdings nicht aufstellen, der Anstoß zum Nachdenken ist ihm das Wichtigste. Zusätzlich zu den vier Stelen, die im öffentlichen Raum zu entdecken sind, gibt es einige wenige, die bei engen Freunde oder Künstlern zu finden sind. Wie viele es einmal sein werden, ist für Flossbach offen. Helfe seine Stele, über Religionen zu sprechen, habe sie ihren Zweck erfüllt.

Goldene Regeln in den Weltreligionen

Christentum Alles, was ihr wollt, dass Euch die Menschen tun, das tut auch Ihr ihnen ebenso. (Matthäus 7,12; Lukas 6,31)

Islam Tut nicht Unrecht, auf dass Ihr nicht Unrecht erleidet (Koran)

Judentum Tue nicht anderen, was Du nicht willst, dass sie Dir tun. (Rabbi Hillel, Sabbat 31a)

Buddhismus Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht für ihn sein; wie kann ich diesen Zustand dann einem anderen zumuten? (Samyutta Nikaya, 353.35)

Die Religionen Chinas Was Du selbst nicht wünschst, das tue auch nicht anderen Menschen an. (Konfuzius, Gespräche 15,23)

Hinduismus Man sollte sich gegenüber anderen nicht in irgendeiner Weise benehmen, die für einen selbst unangenehm ist. Das ist das Wesen der Moral. (Mahabharata, XIII. 114.8)

Sikhismus Keinem bin ich fremd und niemand ist mir fremd. Freundschaftlich bin ich allen verbunden (Guru Granth Sahib, 1299)

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