Abo

Monika GrzymalaEine Frau zeichnet in die Luft

Lesezeit 3 Minuten
, gern in schwarz-weiß, sind die Welt von Monika Grzymala. (Foto: Daub)

, gern in schwarz-weiß, sind die Welt von Monika Grzymala. (Foto: Daub)

Bergisch Gladbach – Angereist ist Monika Grzymala mit schweren Papprollen, in denen handgeschöpfte Papiere stecken, große Formate, 4,30 Meter lang das größte, das bereits an der Wand hängt. Vor allem aber reist Monika Grzymala mit Kilometern von Klebeband. Profaner Heimwerkerstoff, auf den ersten Blick. Doch die Berliner Künstlerin fertigt daraus faszinierende Rauminstallationen, die zusammen mit ihren Papierreliefs ab Sonntag in der Städtischen Galerie Villa Zanders zu sehen sind.

Im Treppenhaus sind bereits hohe Gerüste aufgebaut. Von dort wird die zierliche Frau mit den dunklen Kurzhaarlocken und der schwarzen Brille eine riesige Raumarbeit namens „Meander # 3 (from the series making paper), 2014“ an die über zwei Etagen reichende Wand bringen – ein Gewirr aus über fünf Kilometern schwarzem Papierklebeband, das nur scheinbar ordnungslos herumhängt. In Wirklichkeit sind es Gestalt gewordene Linien, Luft-Zeichnungen, die sich vom Papier ins Dreidimensionale ausgebreitet haben.

Kein Wunder, denn Monika Grzymala, geboren 1970 in Polen, ist gelernte Bildhauerin. „Nach dem Abitur wollte ich Medizin studieren, aber meine Noten waren nicht so toll“, erzählt sie. Um die Wartezeit zu überbrücken, begann sie eine Bildhauer-Ausbildung. „Dabei spielen Anatomie und Pathologie ja eine große Rolle“, versichert sie und verweist auf Leonardo da Vinci und Michelangelo. „Ich habe die ganz klassische Schule durchlaufen.“

Schnell war das Medizinstudium vergessen: „Irgendwann kann man nicht mehr zurück.“ In einem Winter saß sie in Hamburg vor ihrem Skizzenbuch, und das Papier war alle, erinnert sie sich. „Also habe ich einfach an der Wand weitergemacht.“ Das war die Geburtsstunde der skulpturalen Zeichnungen, die über Decke und Wand in den Raum hinein wachsen. Einem breiteren Publikum bekannt wurde die Wahlberlinerin 2000 mit ihrer spektakulären Aktion „Ein Grad über Null“. Auf einer Eisbahn bei Hamburg brachte sie zehn Farbskizzen auf, ließ diese nacheinander einfrieren und gab die Fläche für Schlittschuhläufer frei. Der verblüffende Effekt: Die Körper versetzten das „Schnittmuster“ in Bewegung, verliehen dem Linearen Mehrdimensionalität. Dem gleichen Prinzip folgen auch die Raumzeichnungen aus den Klebebändern.

Dann ging alles recht schnell. In der New Yorker Sammlerin Dian Woodner – Tochter des berühmten Kunsthändlers Ian Woodner – fand Monika eine einflussreiche Förderin, Ausstellungen und Stipendien in aller Welt dokumentiert ihre Vita.

Ihr eigenes Papier, das logischerweise im Mittelpunkt dieser Gladbacher Schau steht, schöpft Monika Grzymala erst seit ein paar Jahren. „Damals dachte ich, es ist eine einfache Sache, aber schnell merkte ich, wie komplex das ist.“ Vor allem, wenn man solche großen Formate herstellt wie sie. Auf die noch feuchten Fasern, beispielsweise aus den Blättern des Maulbeerbaums, baut die Bildhauerin in ihrer Werkstatt Reliefs aus weiteren Fasern auf. Die Skulpturen dagegen entstehen vor Ort. Vorher hat sie deshalb Maß genommen in der Villa Zanders. Die hohen, alten Räume haben zu ihr „gesprochen“, jetzt weiß sie, was zu tun ist. Energisch verbarrikadiert sie eine Tür mit sperrigen Bändern: Ihre Schritte und Körpersprache geben Rhythmus und Wege der Linien vor.

Aber: „Meine Kunst ist flüchtig“, sagt sie. Sie entsteht im Augenblick, ist gemacht für ein paar Wochen, Monate. Wenn die Ausstellung zu Ende ist, zerknüllt Monika die ganze Pracht.

„Rückbau“, Städtische Galerie Villa Zanders, Vernissage Sonntag, 9. Februar, 11.30 Uhr.

Rundschau abonnieren