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Keine Hauptschule in RösrathDiese Mädchen müssen stundenlang zur Schule fahren

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Frühes Aufstehen und lange Anfahrt zur Schule lassen Melina Bolldorf (l.) und Alica Dietrich wenig Freiraum für Freizeit.

Frühes Aufstehen und lange Anfahrt zur Schule lassen Melina Bolldorf (l.) und Alica Dietrich wenig Freiraum für Freizeit.

Rösrath – „Am Ende der Woche bin ich schon recht fertig“, sagt Alica Dietrich. Die Schülerin aus Rösrath besucht seit drei Wochen die achte Klasse in der Hauptschule Lindlar. Das bedeutet, dass sie für Hin- und Rückweg täglich rund drei Stunden unterwegs ist.

Um 5 Uhr steht die Schülerin auf, um 5.45 Uhr geht sie aus dem Haus. Zum Bahnhof Rösrath sind es 20 Minuten Fußweg, um 6.20 Uhr nimmt sie dort den Bus 422 bis Immekeppel, dort steigt sie in die Linie 421 um und kommt um 7.13 Uhr in Lindlar an. Der Unterricht beginnt um 7.30 Uhr. Zweimal pro Woche hat sie einen langen Tag, mit Unterricht bis 15.15 Uhr. Gegen 17 Uhr kommt sie nach Hause.

Probleme in der Realschule

Bis vor kurzem besuchte Alica die Realschule Rösrath, die liegt für sie in der Nähe. Dort hatte sie aber Probleme – die Lösung war, auf die für sie geeignete Schulform zu wechseln, eine Hauptschule.

Was als Schule passt, erfordert eine elend lange Anfahrt. Denn in Rösrath gibt es kein Angebot für Schüler mit Hauptschulempfehlung (wir berichteten).

Für Melina Bolldorf aus Forsbach ist die Situation ähnlich. Sie geht in die gleiche Klasse wie Alica in der Hauptschule Lindlar. Melina hat aber schon länger Erfahrung mit dem schulbedingten Frühaufstehen: Sie besuchte die fünfte und sechste Klasse der Realschule Rösrath, im siebten Schuljahr wechselte sie nach Lindlar, wo sie nun in die achte Klasse geht.

Ein kleiner Vorteil für Melina ist, dass sie etwas später als Alica aus dem Haus muss: Melinas Vater kann es einrichten, die 13-Jährige im Auto zur Bushaltestelle in Bensberg zu bringen, er steht dafür früher auf. Melina und Markus Bolldorf verlassen um 6.15 Uhr das Haus, um 6.34 Uhr nimmt Melina in Bensberg den Bus 421 nach Lindlar. Wenn sie weiter zur Realschule Rösrath gehen würde, müsste Melina erst gegen 7 Uhr aus dem Bett.

Ohne väterlichen Bringdienst müsste Melina schon um 5.45 Uhr aus dem Haus, um an der Haltestelle Holzmarkt die Linie 423 zum Bahnhof Rösrath zu nehmen und dort um 6.20 Uhr die Linie 422. Das kommt für ihre Mutter aber nicht in Frage: „Ich stelle sie nicht um Viertel vor 6 am Holzmarkt an die Haltestelle“, sagt Mandy Bolldorf.

Im vorigen Schuljahr stand auch diese Alternative nicht zur Verfügung, da gab es noch nicht die Verbindung mit der Linie 422 nach Immekeppel. Inzwischen wurde das Busangebot mit Blick auf die Rösrather Schüler, die nach Lindlar müssen, ausgebaut.

Mandy Bolldorf versucht, aus der Situation das Beste für Melina zu machen, stellt aber fest: „An den langen Schultagen ist sie durch.“ Mit der Hauptschule Lindlar ist die Mutter hingegen sehr zufrieden. Melinas Noten hätten sich sehr verbessert. Auch Alicas Mutter, Nancy Dietrich, stellt der Hauptschule Lindlar ein gutes Zeugnis aus. „Die Schule versucht alles, den Kindern entgegenzukommen.“

Doch durch die lange An- und Abfahrt bleibe einfach zu wenig Zeit am Nachmittag. Anders als zuvor hat Alica nun keine Energie mehr, zu einer Cheerleader-Gruppe und zur Jugendfeuerwehr zu gehen.

Absagen von anderen Schulen

Aussagen, die Rösrather Schüler könnten auch die Sekundarschule in Overath oder die Gesamtschule Lohmar besuchen, kann Nancy Dietrich nicht bestätigen: „Ich habe alles durchtelefoniert.“

Überall habe sie Absagen erhalten, auch in Bergisch Gladbach und Kürten. Mit der Rösrather Lösung für Jugendliche mit Hauptschulempfehlung ist Nancy Dietrich nicht einverstanden: „Die Kinder werden einfach irgendwo reingeschoben, und es interessiert keinen.“

Die Alternativen für Rösrather Kinder

Die Alternativen für Rösrather Kinder mit Hauptschulempfehlung sind dünn gesät. Wer nicht in die Realschule Rösrath gehen will, muss auf Nachbarkommunen ausweichen. In der Nähe und relativ gut zu erreichen sind die Gesamtschule Lohmar und die Sekundarschule in Overath. Doch nach Auskunft des Rösrather Beigeordneten Ulrich Kowalewski (CDU) sind diese Schulen ausgelastet und lehnen Schüler aus Rösrath ab.

Nachdem diese Zeitung darüber berichtete, meldete sich der Overather SPD-Ratsherr Dieter Lohmann: Er verwies auf die nur 87 Schüler in den vier Eingangsklassen der Sekundarschule und zeigte sich überzeugt, dass dort noch Platz für Rösrather Schüler sei.

Eine anschließende Nachfrage beim Overather Beigeordneten Bernd Sassenhof (FDP) ergab, die Sekundarschule nehme „im Rahmen ihrer Kapazitäten“ auch Rösrather Schüler auf. Für weitere Auskünfte verwies er auf Schulleiterin Barbara Schön. Diese äußerte sich nur allgemein: „Grundsätzlich muss jede Schule, wenn sie Platz zur Verfügung hat, Schüler aufnehmen.“ Die einfache Frage, ob das in ihrer Schule der Fall sei, wollte sie nicht beantworten und verwies an die Bezirksregierung.

Auch eine daraufhin erneute Anfrage bei Sassenhof ergab kein Ja oder Nein. Er sehe „keine Gründe“, Schüler abzulehnen, „wenn Kapazitäten da sind“. Bleibt der Praxistest: Rösrather Eltern, die nach einem Platz in der Overather Sekundarschule fragten, erhielten Absagen.

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