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Neue Regelung für SchwarzbautenFall Christa Liedtke bewegt Kreis zur Kehrtwende

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Hat nun Rechtssicherheit: Christa Liedtke in Kürten.

Hat nun Rechtssicherheit: Christa Liedtke in Kürten.

Rhein-Berg – Der Rheinisch-Bergische Kreis hat eine Stichtagsregelung für Schwarzbauten erarbeitet. Sie gilt ab sofort für Gebäude im besonders geschützten Außenbereich, die vor dem 1. Januar 1960 errichtet wurden. Zur Anwendung kommt die neue Regelung in Kürten, Odenthal und Burscheid, da dort der Kreis als Bauaufsichtsbehörde zuständig ist.

Den anderen Kommunen mit eigener Bauaufsicht steht es frei, eine eigene Regelung zu erarbeiten oder die des Kreises zu übernehmen. Doch Ausnahmen bestätigen auch in Zukunft die Regel. Die Stichtagsregelung des Kreises bedeutet nicht automatisch, dass jedes vor dem Stichtag errichtete Haus stehen bleiben darf. „Es handelt sich um eine Ermessensrichtschnur“, erläutert Jessica Lehmann, Bauamtsleiterin des Kreises. Jeder Fall müsse individuell geprüft werden.

Als Datum für den Stichtag ist der 1. Januar 1960 ausgewählt worden, weil in diesem Jahr das Bundesbaugesetz in Kraft trat, der Vorläufer des heutigen Baugesetzbuches. Mit der Einführung des Bundesbaugesetzes wurde damals erstmals eine einheitliche Rechtsgrundlage zum Schutz des Außenbereichs und der freien Landschaft geschaffen.

Bedingungen für die Duldung

Vom Erlass einer Beseitigungsverfügung will die Bauaufsicht des Kreises künftig unter drei Bedingungen absehen. Erstens: Die Häuser dürfen seit dem festgelegten Zeitpunkt nicht mehr wesentlich verändert worden sein – gemeint sind größere Anbauten. Zweitens: Die Nutzung darf sich nicht verändert haben. Drittens: Es dürfen keine schwerwiegenden Sicherheitsbedenken vorliegen wie fehlender Brandschutz oder mangelnde Standsicherheit vorliegen. Ansonsten kann – anders als bisher – eine dauerhafte Duldung ausgesprochen werden, die aber weiterhin nicht eine Baugenehmigung ersetzt.

Damit ist es möglich, dass solche Häuser künftig verkauft, vermietet und vererbt werden können. „Denn die Duldung ist nicht an eine Person gebunden“, ergänzt Umweltdezernent Gerd Wölwer. Im Haus sind Umbauten erlaubt, auch energetische Isoliermaßnahmen sind gestattet. „Aber das Haus in seiner äußeren Form muss so bleiben, wie es ist“, sagt Wölwer.

Bewirkt hat die Kehrtwende das Gerichtsurteil im Fall Christa Liedtke, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hatte kritisiert, „dass der Kreis seinen Ermessensspielraum nicht in dem erforderlichen Umfang ausgeübt hat. Deshalb erklärten die Richter aus Münster die Abrissverfügung für das Haus in Kürten für rechtswidrig. Das bedeutete das Ende eines Rechtsstreits, der die 77-jährige Hausbewohnerin und die gesamte Gemeinde Kürten vier Jahre lang in Atem gehalten hat.

Wie ein Befreiungsschlag

Die Stichtagsregelung wirkt wie ein Befreiungsschlag auf Christa Liedtke: „Das Haus und meine Alterssicherung sind gerettet“, sagt die Rentnerin erleichtert. Dass sie keinen Wintergarten oder Ähnliches mehr anbauen könne, sei für sie in ihrem Alter in Ordnung. Anders wäre das wohl, wenn eine junge Familie in ein solches Haus einziehen wollte, gibt sie zu bedenken.

Das Gerichtsurteil aus Münster habe der Bauaufsicht des Kreises „eine Tür geöffnet“, meint Wölwer. „Es hat viele Fälle gegeben, wo uns die Hände gebunden waren.“

Mit der Stichtagsregelung bestehe nun die Möglichkeit, „alle Leute gleich zu behandeln“. Bis hierhin sei es ein mühsamer, steiniger Weg gewesen, aber es habe sich für die Behörde und die Eigentümer gelohnt.

Großzügige Lösung

Im Vergleich zur Gesetzes-Novelle, die das Land Nordrhein-Westfalen gerade berät, ist die Stichtagsregelung des Kreises großzügiger. Das Land baut mehr Hürden ein: Vorgesehen ist in dem Gesetzestext zum Beispiel, dass die Behörden seit mindestens zehn Jahren Kenntnis von der Gesetzeswidrigkeit der baulichen Anlagen gehabt haben müssen, wenn sie den Fortbestand dulden wollen. Für viele Hauseigentümer im Kreis kommt die Amnestie jedoch zu spät: Allein in Kürten sind in den vergangenen Jahren fünf Häuser aus diesem Grund abgebrochen worden. Und Eigentümer, die ihre Häuser auf diese weise verloren haben, haben keine Wiedergutmachung mehr zu erwarten. „Nach der bisherigen Rechtsprechung haben wir korrekt gehandelt, deshalb können keine Ansprüche entstehen“, sagt Kreissprecher Alexander Schiele.

Auskünfte im Bauamt unter (0 22 02) 13 26 90 oder 13 27 48.

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