Bergheim-NiederaußemVor 75 Jahren wurde die Brikettfabrik Fortuna-Nord gebaut

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Bergheim-Niederaußem – Mitte November 1946, also vor 70 Jahren, traf die rheinische Braunkohlenindustrie der Schlag: In einem Memorandum an die Besatzungsmächte in Deutschland forderte die Brüsseler Regierung unter anderem die Abtretung von Kraftwerken, Tagebauen, Brikettfabriken und einer Hochspannungstrasse – kurz: die komplette Energiewirtschaft in der Mitte und im Norden des Reviers.

Als jährliche Reparationen beanspruchten die Belgier zudem 750 Millionen Kilowattstunden Strom und eine Million Tonnen Braunkohle. Das war eine Energiemenge, die die ausgebombte deutsche Wirtschaft und besonders der Köln-Düsseldorfer Raum selbst dringend benötigte – gerade im Horrorwinter 1946/47.

Die Zitterpartie dauerte Monate. Das politische Ringen war zäh. Am Ende behielt die North German Coal Control der britischen Besatzer die Kohleindustrie in eigener Hand.

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Ein Glück auch für die Kumpel, die Braunkohle gewinnen, veredeln und verstromen: Erst fünf Jahre zuvor hatte die Rheinische Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation, ein RWE-Vorgänger, die Fabrik Fortuna-Nord auf einem Acker zwischen Niederaußem und Auenheim in Betrieb genommen. Am Rand des gleichnamigen Tagebaus sollte sie fortan Briketts produzieren.

1938 war der Baubeschluss gefallen. Politik und Wirtschaft waren sich einig, Braunkohlenförderung und -veredlung massiv auszubauen. Denn zum einen brauchte das spätere Hydrierwerk in Wesseling (Union Kraftstoff), die heutige Shell-Raffinerie, große Mengen an Briketts zur Produktion von Flugbenzin. Zum anderen verlangten Wirtschaft und Haushalte immer mehr Energie.

Luftangriff legte Produktion lahm

Die neue Fabrik Fortuna-Nord war hocheffizient. Auch architektonisch wich sie von den Zweckbauten der anderen Brikettfabriken ab. „Die einflussreiche Mitwirkung eines Architekten bei der Gestaltung der Gebäude war deutlich zu erkennen“, schrieb ein Chronist später.

Im Februar 1945 setzte ein Luftangriff die ganze Produktion schachmatt. Zudem waren „viele Leute wegen Frontnähe ausgeblieben“, so ein Bericht. Eine Woche später besetzten amerikanische Truppen die Brikettfabrik.

Im Juli 1948 nahm die Fabrik Fortuna-Nord II die Arbeit auf; ihr Bau war nach Kriegsausbruch nicht vorangekommen, und nach dem Krieg fehlten wichtige Maschinen, die in Ostdeutschland bestellt waren und nicht mehr kamen. 860 Männer arbeiteten damals in der Fabrik.

1956, also vor 60 Jahren, nahm die heutige Fabrik III ihren Betrieb als Versuchsbrikettfabrik auf. 1960 wurde die Hälfte der gesamten Braunkohlenförderung zur Veredlung eingesetzt. Heute sind es rund zehn Prozent. 17 Brikettfabriken standen damals im Rheinland unter Dampf; heute gibt es noch drei Standorte. Zusammen erzeugten sie 12,7 Millionen Tonnen Briketts; heute schwankt die Produktion um eine Million.

Wenig später setzte damals ein großer Wandel ein: Das Brikett wurde im Hausbrand von Öl und Gas verdrängt, die nicht billiger, aber bequemer und sauberer zu handhaben waren.

Das Management suchte und fand neue Einsatzmöglichkeiten für veredelte Braunkohle: 1976 und 1981 mussten für die Herstellung von Braunkohlenstaub sogar eigene Mahlanlagen errichtet werden.

1976 und 1984 baute die damalige Rheinbraun AG zwei Anlagen zur Verkokung von Braunkohle. Der Koks wurde und wird in der Eisen-, Stahl- und Kalkindustrie als Kohlenstoffträger eingesetzt. Darüber hinaus dient er zur Herstellung von Aktivkohle und zur Reinigung von Abwässern und Abgasen.

Die meisten deutschen Müllverbrennungsanlagen filtern ihre Dioxine, Furane und anderen Luftschadstoffe mit Koks der Fabrik Fortuna-Nord aus dem Rauchgas. (r)

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