Nach 49 JahrenBergheimer Foto-Studio Haag schließt am Monatsende

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Bergheim – Als Fritz Haag vor 63 Jahren die ersten Passfotos erwerbsmäßig schoss, musste das Wohnzimmer in der Oberaußemer Straße „In der Mitte“ als Fotostudio herhalten. Vor einem selbst gebauten grauen Papphintergrund setzte er die „Motive“ auf sein Sofa. Paarweise, damit durch Doppelnutzung nicht zu viel Material verschwendet wurde. Die Oberaußemer kamen gerne sonntags zum Fototermin, „weil die Bauern da frisch gebadet und wegen des Kirchgangs in Schlips und Kragen waren“, erinnert sich Tochter Sibille Wieczarkowiecz (65) an die Kindertage des Fotostudios.

Fritz Haag, gestorben 2009, hatte sich fürs Fotografieren interessiert. Bekannte fragten ihn, ob er auch Passfotos machen könne. So startete das Unternehmen 1954. Später wurde der gelernte Installateur Werksfotograf bei RWE und arbeitete als Journalist bei der Kölnischen Rundschau. Seine Frau Leni, die ebenfalls für die Rundschau schrieb, führte ab 1963 das Studio in der Oberaußemer Friedensstraße, 1977 zog die Firma in die oberere Fußgängerzone. Seit 1986 war Fritz Haag bei RWE im Ruhestand, blieb aber als „graue Eminenz“ (Wieczarkowiecz) dem Fotostudio verbunden, das 1984 die Tochter übernommen hatte.

Digitale Fotografie hält Einzug

„Ich bin mit dem Fotografieren groß geworden“, sagt Sibille Wieczarkowiecz. Mit einer Agfa Clack schoss sie als Vierjährige erste Fotos. In der Ausbildung zur Fotografenmeisterin kaufte sie sich 1968 für mehrere Monatsgehälter die erste Spiegelreflexkamera, später eine Hasselblad, „der Rolls Royce unter den Fotoapparaten“. Nach der Ausbildung arbeitete Wieczarkowiecz zunächst bei der Bergheimer Kriminalpolizei in der Spurensicherung, bevor sie in die elterlichen Fußstapfen trat.

Firmengründer Fritz Haag vor 16 Jahren bei der Arbeit im Fotostudio in der Bergheimer Straße in Oberaußem.

Firmengründer Fritz Haag vor 16 Jahren bei der Arbeit im Fotostudio in der Bergheimer Straße in Oberaußem.

Sohn Björn, ebenfalls gelernter Fotograf, stieg 2004 als dritte Generation ein. Mit ihm hielt die digitale Fotografie Einzug. „Die Qualität ist gleich, aber die Arbeit ist nicht weniger geworden“, sagt die Chefin, die lange die Dunkelkammer dem Computer vorgezogen hat. „Früher musste ein Bild sitzen“, sagt sie. Durch die Fülle an Bildern sei die Auswahl für die Kunden langwieriger.

Zum Monatsende ist Schluss

Sohn Björn verließ Foto Haag im vergangenen Jahr, weil dem Geschäft die wirtschaftliche Perspektive fehlte. „Unter anderem hat uns der 2013 im Rathaus aufgestellte Passbilderautomat zu schaffen gemacht. Der hat uns jeden Monat mehrere hundert Euro Umsatz weggenommen“, klagt Wieczarkowiecz.

Zum Monatsende wird sie die Ladentür endgültig schließen, nach 49 Jahren in der Branche. Ohne Fotoapparat wird sie aber auch im Ruhestand nicht auskommen. Mit einem „mobilen Fotostudio“ will sie auch künftig bei Hochzeiten, Events, Familien- oder Firmenfeiern für die Erinnerungsfotos sorgen, liefert Fotos für die Gestaltung der Homepage, macht Personenporträts und auch Erotikfotos.

Aber den regelmäßigen Publikumsverkehr und die festen Anwesenheitszeiten will sie sich künftig ersparen. Auch ihr Privatleben kann sie sich nicht ohne den Blick durch den Sucher vorstellen. Die Digitalkamera gehört natürlich auch ins Urlaubsgepäck.

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