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Zuckerfabrik ElsdorfIm Innovation Center wird laktosefreie Cellobiose produziert

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Forschungschef Timo Koch zeigt die Cellobiose, die im Innovation Center von Pfeifer und Langen erfunden wurde.

Elsdorf –  Zuckersüß und klebrig: So kennt man Amerikaner vom Bäcker. Das geht auch anders, nämlich mit Cellobiose, die die Forscher der Elsdorfer Zuckerfabrik Pfeifer & Langen (P&L) erfunden und im neuen Innovation Center jetzt zur Serienreife entwickelt haben. Der Amerikaner in der Bäckerei kann dadurch so zuckersüß bleiben, wie viele ihn lieben. Aber er muss nicht mehr so kleben. Das ist jedoch längst nicht der einzige  Vorteil der Erfindung.

Timo Koch (35), Chef des Innovation Centers, arbeitet seit 2009 in der P&L-Forschung, seit vier Jahren am Elsdorfer  Standort. Im Kollegenkreis wurden vor sieben Jahren erste Gedanken zum neuen Süßstoff aus Cellulose geboren. Holz sollte der Grundstoff sein.

Dabei lag der Rübenzucker als weit wirtschaftlicherer  Rohstoff direkt vor ihren Füßen. „Wir fangen jetzt da an, wo die Zuckerkollegen aufhören“, sagt Koch mit Blick auf die benachbarte Weiterverarbeitungshalle für Diamantzucker-Produkte. 

Das Verfahren

Im Glaskolben wurden zunächst im Milliliterbereich Versuche gestartet.  Der Zucker wird unter Mithilfe von Enzymen aufgelöst, in einem Abtrennverfahren mit Zentrifuge  die Celloluse (Zellgewebe) herausgefiltert, per Eindampfung konzentriert und in gewünschter Körnung kristallisiert.     Sieht aus wie Zucker, ist es aber nicht. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn.

Cellobiose hat nur 20 Prozent der  Süße normalen Zuckers und ist damit als  Ersatz für Laktose (Milchzucker) in der Tierfutter- und Lebensmittelindustrie vielseitig einsetzbar. Auch für Produkte mit dem Siegel „laktosefrei“ für Menschen,  die Laktose in der Nahrung nicht vertragen – immerhin rund 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland.

„Wir stellen die Cellobiose auf natürliche Weise her, nur mit Zutaten der Natur“, betont Koch, „und alle Rückstände werden wieder verwendet.“ Vom Glaskolben-Experiment ging es vor knapp zwei Jahren in die größere Produktion im 100-Liter-Bereich.

Auch da funktionierte der Prozess.  Koch  beantragte im vergangenen Jahr bei der Firmenleitung den Bau der industriellen Versuchsfertigung für rund 100 Tonnen jährlich. Und schon ein Jahr später stand das „Innovation Center“, eine neue Halle  auf dem Werksgelände an der  Dürener Straße.  

Zulassung in der Futterbeimischung noch in diesem Jahr     

Hier wird künftig von 32 Mitarbeitern der Bedarf für die Forschungslaboratorien der  Lebensmittel- und Futterproduzenten gedeckt. Noch in diesem Jahr soll die Cellobiose  als Futterbeimengung eine Zulassung bekommen, für  Lebensmittel vermutlich im nächsten Jahr.  Bis dahin soll auch das beantragte Patent amtlich eingetragen sein.  

„In dem schwierigen Markt müssen wir neue Zuckerbedürfnisse und Trends erkennen“, sagt Geschäftsführer Uwe Schöneberg. Das neue Produkt beschreibt  er als „laktosefreie Laktose“. Sein Geschäftsführerkollege Thomas Kuhlmann sieht viele Einsatzmöglichkeiten für die Cellobiose. „Das Produkt hat wohl eine spannende Zukunft“, glaubt er. 

Zum Beispiel in der Wurstfabrik. Da wird  indirekt Zucker – oder Cellobiose – benötigt, um die Salami herzustellen.   Die Reifungsbakterien, die in der Rohmasse  unter anderem  für gleichmäßige Färbung der  Salami verantwortlich sind, benötigen Zucker zum Leben. Der sollte aber nicht allzu sehr den Geschmack beeinflussen. Süße Salami ist schließlich nicht jedermanns Sache.

Da ist die Milde der Elsdorfer Erfindung bestens geeignet.  Und auch die Grillwurst, weiß Koch,  verdankt einen Gutteil ihrer optischen Attraktivität dem Zucker, der für die braune Färbung beim Erhitzen auf dem Bratrost verantwortlich ist. Beim Amerikaner sorgt das Pulver trotz leichterer Löslichkeit dafür, dass  der Zuckerguss stabil und dadurch weniger klebrig, zudem bei Bedarf weniger süß   ausfällt.

Später soll laut Koch  eine noch größere Fertigungsanlage  gebaut werden und im Innovation Center Platz gemacht werden für  neue Forschungen. „Wir haben noch viele Ideen im Kopf“, sagt er sichtlich erfreut über das neue Großlabor.  

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