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Solex-DoktorFrechener gilt als Experte für das Fahrzeug aus Frankreich

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Mit der Solex geht Willibald Etzrodt gerne auf Tour – in Frechen und in Holland, wo er mit seiner Frau oft den Sommerurlaub verbringt.

Mit der Solex geht Willibald Etzrodt gerne auf Tour – in Frechen und in Holland, wo er mit seiner Frau oft den Sommerurlaub verbringt.

Frechen – Willibald Etzrodt ist mit einem PS unterwegs. Nein, der 73-Jährige reitet nicht. Er fährt eine Solex. Das ist ein Fahrrad mit Hilfsmotor, der sich über dem Vorderrad befindet und genau mit einer Pferdestärke (PS) ausgestattet ist. Die Solex wurde in Frankreich produziert und gilt heute als Kult-Objekt.

Vor allem in den 1960er-Jahren erlebte das schicke Gefährt seine Hochzeit. „Damals habe ich die Fahrzeuge gar nicht so recht wahrgenommen“, berichtet Etzrodt, der früher als Diplom-Sportlehrer am Berufskolleg in Frechen tätig war. Seine Leidenschaft für die Solex wurde erst viel später entfacht, Ende der 90er-Jahre. Da kam sein Sohn mit einer alten, kaputten Solex an, die er in den Kofferraum eines Autos geladen hatte. Eine ältere Dame hatte ihn bei einem beruflichen Termin gebeten, das „alte Fahrrad“ aus dem Keller zu entsorgen. „Ich hatte von nichts eine Ahnung“, sagt Etzrodt. Er begann, sich mit der Solex zu beschäftigen – so intensiv, dass der pensionierte Pädagoge mittlerweile zu den führenden Experten in Deutschland gerechnet werden darf.

Landauf, landab ist Etzrodt als „Solex-Doktor“ bekannt. Kontakt pflegt er mittlerweile nicht nur zu Solex-Fans in Europa, sondern weltweit. „Zuletzt habe ich eine Luftpumpe nach Buenos Aires geschickt und einen Gepäckträger nach Australien“, erläutert er.

Ganz billig ist so eine Solex nicht. Da die Produktion Ende der 1980er-Jahre eingestellt wurde, gibt es heute auf dem Markt kaum noch gut erhaltene Fahrzeuge. „Ich kaufe Schrott und baue daraus eine neue Maschine zusammen“, erklärt Etzrodt. Die Materialkosten für eine Solex belaufen sich auf etwa 1300 Euro, die Arbeitszeit lässt sich kaum beziffern.

Seine Werkstatt hat sich Etzrodt im Keller seines Hauses eingerichtet. „Im Sommer verbringe ich dort oft acht Stunden am Tag“, berichtet der Hobby-Tüftler. Die Ersatzteile arbeitet er akribisch auf, teilweise lässt er sie von einer Fachfirma sandstrahlen, pulverbeschichten und neu verchromen. Am Ende sehen sie fast wie neu aus. Zylinderköpfe, Kolben und Pleuel – all dies hortet Etzrodt kistenweise in seinem Keller. Wenn es Solex-Teile zu kaufen gibt, so der 73-Jährige, könne er einfach nicht Nein sagen. Sich von einer in stundenlanger Kleinarbeit zusammengeschraubten Maschine zu trennen, fällt ihm genauso schwer.

Ein großes Ziel verfolgt er dennoch: „Ich hätte gerne sieben Solex-Fahrräder“ – für Kinder, Schwiegertöchter und -söhne sowie für die Enkel. Jeder soll eins erhalten, und zwar mit einem Satz Ersatzteile. Einige Exemplare hat er natürlich schon – zum Beispiel eine Solex 2200 V2 aus dem Jahr 1964. Und eine „Schrott-Solex“, wie Etzrodt selbst sagt, für den alltäglichen Gebrauch.

Mit den Fahrzeugen, die es auf ein Tempo von rund 30 Stundenkilometern bringen, geht der Frechener natürlich auch liebend gerne auf Tour. Holland gehört zu seinen Lieblingszielen: „Die Radwege dort sind ganz anders ausgestattet als hier in Deutschland.“ In den Niederlanden am Meer entlang mit der Solex unterwegs zu sein – das ist für ihn ein Ausdruck höchster Freiheit.

Der Benzintank der Solex fasst 1,4 Liter. „Das reicht für 80 bis 100 Kilometer“, erklärt Etzrodt. Man kann den Hilfsmotor ganz nach Belieben zuschalten und wieder abstellen – dann muss man eben kräftig in die Pedale treten. Ganz so wie bei einem E-Bike. Was ist für den Fachmann da der Unterschied, was macht den besonderen Reiz der Solex aus? „Die Solex stinkt und qualmt ein bisschen“, sagt Etzrodt und ergänzt: „E-Bikes sind ein sauberes und bequemes Fortbewegungsmittel, die Solex ist etwas für Liebhaber.“

Täglich etwa 15 Stück

Etwa sechs Millionen Solex-Fahrzeuge wurden in Frankreich in rund vier Jahrzehnten gebaut.

Der Prototyp entstand 1941. Fünf Jahre später ging die Solex in Serie. Die Fahrzeuge hatten damals Motoren mit 45 Kubikmeter Hubraum und 0,4 PS. Am Tag wurden 15 Stück gebaut.

Der technische Fortschritt ging in den folgenden Jahren kontinuierlich weiter. So wurde beim Modell 1700 im Jahr 1959 eine Kühlung notwendig, weil der Motor nun auch im Stand laufen konnte.

Den Höhepunkt erreichte die Solex-Produktion mit dem Modell 2200 im Jahr 1964. Damals wurden 380 000 Stück hergestellt. 1988 wurde die Produktion in Frankreich eingestellt. Damals entstand die letzte Serie des Typs 3800.

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