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Neues NaturschutzgesetzLandwirte in Rhein-Erft fürchten um wirtschaftliche Existenz

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Stephan Kirsch ist Landwirt in Kerpen-Niederbolheim. Die geplanten neuen Naturschutzgesetze des Landes lehnt er ab.

Stephan Kirsch ist Landwirt in Kerpen-Niederbolheim. Die geplanten neuen Naturschutzgesetze des Landes lehnt er ab.

Kerpen – Auf die rot-grüne Landesregierung ist Landwirt Stephan Kirsch (49) aus Kerpen-Niederbolheim derzeit nicht gut zu sprechen. Denn die Landesregierung arbeitet an einer Novelle zum Landesnaturschutzgesetz, das seiner Meinung nach die Rechte der Grundeigentümer beschneidet und Landwirte wie ihn in der Existenz gefährdet. So sollten landwirtschaftliche Flächen entlang von Fließgewässern nicht mehr bewirtschaftet werden dürfen, andere ersatzlos in Naturflächen umgewandelt werden. Diese Woche wird die Gesetzesnovelle im Landtag noch einmal diskutiert. Agrar- und Grundeigentümerverbände machen dagegen mobil.

Kirsch selbst hat am Kreisel an der Bundesstraße 264 zwischen Blatzheim und Niederbolheim einen Planwagen aufgestellt, an dem ein Plakat der Initiative „Naturschutz mit Augenmaß“ hängt. Eine Eule zeigt darauf dem neuen Landesnaturschutzgesetz die rote Karte. Kirsch macht bei der gleichnamigen Initiative mit, der sich zahlreiche Familienbetriebe aus dem ländlichen Raum angeschlossen haben sollen. Mitinitiator ist Max Graf Nesselrode aus dem Bergischen Land. Kirsch selbst bewirtschaftet unter anderem Ländereien hinter Nörvenich am Ufer des Neffelbaches: Käme die Landesregierung mit dem neuen Naturschutzgesetz durch, müsse er in Zukunft einen 20 Meter breiten Schutzstreifen am Rande des Neffelbaches von jeder Bewirtschaftung freihalten, obwohl es sein Land ist. „Und zwar entschädigungslos.“ Dies komme einer Teilenteignung gleich, meint Kirsch und sagt: „Da ist der Kommunismus nicht mehr fern.“

Kirsch betont dabei, dass auch ihm Naturschutz am Herzen liege. So gebe es jetzt schon klare Vorschriften, welche Pflanzenschutzmittel etwa in welcher Konzentration und in welchen Abständen in Gewässernähe eingesetzt werden dürften. Daran halte er sich. „Das wird ja auch akribisch kontrolliert.“ Wenn der Gesetzgeber nun aber meine, das reiche nicht aus, dann solle er doch den betroffenen Grundeigentümern auch ein attraktives Angebot machen, wie deren Schaden ausgeglichen werden könne.

„Da ist der Kommunismus nicht fern"

Überhaupt sei der grüne Umweltminister Johannes Remmel in Sachen Naturschutz übertrieben ehrgeizig. Er betreibe „Klientelpolitik“ und nehme keine Rücksicht auf betroffene Landwirte. So habe sich Remmel das Ziel gesetzt, 15 Prozent aller Flächen in Nordrhein-Westfalen als Naturschutzflächen auszuweisen. Bundesweit liege dieses Ziel aber nur bei zehn Prozent. Jede Fläche, die für den Naturschutz reserviert werde, gehe aber für die landwirtschaftlichen Betriebe verloren. Das sei besonders im Rheinland schlecht, weil hier die Flächen aufgrund der Tagebaue ohnehin schon knapp und damit teuer seien. Schlecht sei auch, dass Naturschutzstiftungen in Zukunft ein besseres Vorkaufsrecht für frei gewordene Ackerflächen bekommen sollen. Dies schränke die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Bauern zusätzlich ein.

„Land ist unsere Lebensgrundlage“, sagt Kirsch. Statt die Konfrontation mit den Landwirten zu suchen, solle die Landesregierung besser auf kooperativen Naturschutz setzen. Kirsch: „Ich will der Herr auf meiner Scholle bleiben.“

Dabei stehe auch die Landwirtschaft durch Familienbetriebe für Nachhaltigkeit. „Meine Familie wirtschaftet hier am Standort seit über 300 Jahre. Die Fruchtbarkeit der Böden nimmt immer mehr zu“, stellt Kirsch fest.

Das Landesnaturschutzgesetz

„NRW hat eine faszinierende Artenvielfalt und wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen“, sagt NRW-Umweltminister Johannes Remmel. „Aber dieses wilde NRW ist bedroht. Fast die Hälfte aller Arten stehen inzwischen auf der Roten Liste. Mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz wollen wir dem entgegenwirken und das wilde NRW langfristig bewahren und schützen.“

So sind nicht nur Schutzstreifen an Gewässern und mehr Naturschutzflächen geplant. Landwirten soll auch verboten werden, Wiesen in Ackerland umzuwandeln. Sie dürfen keine Feuchtwiesen entwässern, müssen Feldgehölze, Hecken und kleine Gewässer schonen. Waldbauern sollen abgestorbene große Bäume liegen lassen. Die Mitsprache- und Klagemöglichkeit von Naturschutzverbänden soll erweitert werden.

Die Gegner des Gesetzentwurfes, Waldbauern, Landwirte und Grundbesitzer, sprechen sich ebenfalls für Naturschutz aus. Doch müsse dieser freiwillig und gegen Entschädigung erfolgen. Bauern seien nun einmal gezwungen, „auch wirtschaftlich“ zu denken, und sollten deshalb für Naturschutzaufgaben bezahlt werden. Dies sei immer noch billiger, als wenn der Staat Flächen für den Naturschutz aufkaufe. (wm)

Der BUND übt Kritik

Der BUND-Landesverband ist ganz anderer Ansicht als der Kerpener Landwirt Stephan Kirsch. Den Umweltschützern geht der vorliegende Entwurf des Landesnaturschutzgesetzes sogar nicht weit genug. Sie verlangen noch Nachbesserungen.

Der Gesetzesentwurf sei „halbherzig“, so der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. Defizite gebe es beispielsweise beim Schutz für Streuobstwiesen, Höhlen und Niederwälder. Der BUND plädiert dafür, 20 Prozent der Landesfläche als Biotopverbund-Fläche auszuweisen, die einem besonderen Schutz unterliegt. Im Gesetzesentwurf sind insgesamt 15 Prozent vorgesehen. Das liege zwar über den bundesweit geltenden 10 Prozent, doch umfassten schon jetzt allein die bestehenden Schutzgebiete in NRW 15,2 Prozent. Sticht dazu: „Der Status Quo reicht nachweislich nicht aus.“

45 Prozent der untersuchten Arten seien in Nordrhein-Westfalen nach Angaben des Umweltministeriums bereits gefährdet oder ausgestorben, so der BUND. Feldhamster, Bekassine und die Rautenfarne zählten zu den populären Arten, die derzeit vom Aussterben bedroht seien. „Wir brauchen ein Landesnaturschutzgesetz, das diesen Namen verdient und den Schwund der biologischen Vielfalt endlich aufhalten kann“, erklärt Sticht. (rtz)

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