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Schwimmen in TürnichWasserqualität der Erft war früher sehr schlecht

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Kerpen-Balkhausen – Wer den Erftflutkanal in Höhe von Türnich, Balkhausen und Brüggen entlangradelt, muss schon ganz genau aufpassen. Nur eine kleine Tafel auf einem Holzstamm macht auf einen vergessenen Ort aufmerksam, der den allermeisten Wanderern und Radfahrern entgeht: In Höhe von Balkhausen sind immer noch die Reste eines Freibads zu sehen, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Betrieb war. Die Einstiegstreppe am Erftufer ist noch da.

Ein Mann allerdings ist öfter hier zu sehen. „Zweimal die Woche bin ich mindestens hier, oft mit meiner Frau“, sagt Andreas Weyrauch, für den das alte Freibad Türnich der Lieblingsplatz geworden ist. Auch er kannte das Fleckchen nicht – bis der Gastronom, der die Gaststätte „Wunderbar Konsum“ in Balkhausen betreibt, vor 13 Jahren ein Hinweisschild auf sein Lokal an der Erft aufstellen lassen wollte. „Da habe ich das Freibad entdeckt.“

Seitdem kommt er gern morgens hierher, bevor er den „Konsum“ öffnet. „Im Winter ist es traumhaft, wenn der Raureif auf dem Gras ist“, sagt der 55-Jährige. „Und im Sommer, wenn es warm ist – einfach Schuhe aus, Hose hoch, und dann ein, zwei Stufen ins Wasser gehen und ein paar Minuten stehen bleiben.“ Manchmal nehme er eine Picknickdecke und eine Flasche Wasser mit, um die Zeit an der Erft mit seiner Frau zu genießen. „Das ist Nostalgie pur hier“, sagt Weyrauch. „Wir stellen uns vor, wie es früher gewesen sein muss.“

Das Bad ist 1927 als Bade-Anstalt von der damaligen Gemeinde Türnich am Erftflutkanal gebaut worden. Der Flutkanal selber ist um 1900 entstanden. Da er an dem Standort des Bades eine Sohlschwelle hat, war das Wasser dort recht tief.

Ganz so idyllisch war es früher aber sicher nicht. Da es damals noch an Kläranlagen fehlte und Industrie- und Haushaltsabwässer eingeleitet wurden, war das Wasser der Erft entsprechend. „Beim Baden in der Erft kommt man schmutziger heraus, als man hereingegangen ist“, bemerkte so die Erft-Fischerei-Genossenschaft damals.

Oder: „Das Wasser der Erft eignet sich noch nicht einmal zur Bewässerung des Gartens, da die Pflanzen sofort alle eingehen.“ Mancher Badende soll nach der Berührung mit Erftwasser über „starkes Hautjucken“ geklagt und sogar Geschwüre bekommen haben. Aus „hygienischen Gründen“ plante die Gemeinde Türnich deshalb ein neues Freibad abseits der Erft. Es ist 1952 eingeweiht worden und besteht noch heute.

Das Wasser in der Erft ist heute sauberer, und Weyrauch verspürt kein Jucken, wenn er im alten Freibad seine Füße in den Fluss taucht. Die Ruhe, die er hier findet, nutzt er, um sich Gedanken für seine Gaststätte zu machen. „Auf der Speisekarte haben wir zum Beispiel einen Salatteller Freibad Türnich (alt)“, sagt der Gastronom, der aus Köln-Kalk stammt und seit 42 Jahren in Kerpen lebt. Auf dem Teller landeten frischer Salat vom Bauernhof und Champignons.

Ebenfalls auf der Karte: der Cocktail „Freischwimmer“, ebenfalls inspiriert durch einen Besuch am alten Freibad. Enthalten sind: Blue Curacao, Wodka, Maracuja-Saft und Queller, ein salzig schmeckender Meeresspargel.

Weyrauch fürchtet nun nicht, dass ihm sein Lieblingsplatz nicht mehr allein gehört, wenn er ihn öffentlich teilt. „Das bleibt unser Ort“, sagt der Wirt. „Wenn wir ihn besuchen, liegen die meisten noch im Bett oder sind schon im Büro.“

Bretterbuden dienen als Umkleideraum

Der Türnicher Heimatforscher Johannes Schlömer (78) erinnert sich noch daran, wie er als Jugendlicher mit einem Freund selber in dem Erftbad schwimmen  gewesen ist. „Das Wasser war meistens tief genug“, berichtet er.

„Ich bin mit einem Arbeitskollegen aus Frechen die ganze Erft vom Fischerhäuschen bis nach Türnich heruntergeschwommen.“ Das „Fischerhäuschen“ ist ein einzelnes Gebäude, das an der Kreuzung des Erftradwanderweges mit der Gymnicher Straße steht, die von Balkhausen nach Gymnich führt.

Das Haus sei von einem holländischen Angler errichtet worden, der dort erst  einen Bauwagen stehen hatte, der dann Zug um Zug zu einem Haus erweitert und befestigt worden sei, berichtet Schlömer.

Das Erft-Freibad selber befand sich nur wenige Meter davon entfernt.  „Eine Bretterbude als Umkleideraum, eine Treppe zum Erftufer,  ein Zaun drum herum und ein Wärterhäuschen, schon ist die Badeanstalt fertig und bringt auch noch Einnahmen“, heißt es in einer Chronik des Erftverbandes. Heute ist das Baden in der Erft  fast überall verboten, weil es sich um Natur- oder Landschaftsschutzgebiete handelt.

An den wenigen nicht geschützten Stellen sei es  nicht erwünscht, sagt Udo Rose, Biologe des Erftverbandes. Krankheitserreger könnten sich trotz guter Kläranlagen noch im Wasser befinden. Zudem gebe es an manchen Stellen eine nicht ungefährliche Strömung. „Die Erft ist kein Badegewässer.“

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