Luise StrausIntellektuelle Neugier prägte ihr Leben

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Grabstein der Familie Straus auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd fehlt der Name von Luise Straus. Sie kam in Auschwitz zu Tode.

Auf dem Grabstein der Familie Straus auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd fehlt der Name von Luise Straus. Sie kam in Auschwitz zu Tode.

Brühl – Sie hatten sich 1912 während des Studiums in Bonn kennen gelernt: Luise Straus, die Tochter eines jüdischen Fabrikanten, und der zwei Jahre ältere Brühler Max Ernst, der der jungen Kunsthistorikerin beim Modellzeichnen heimlich Beistand leistete. 1918 heirateten sie; die Wohnung, die sie am Kaiser-Wilhelm-Ring in Köln bezogen, wurde zu einem Treffpunkt der Kölner Dada-Gruppe. Nur vier Jahre dauerte die Ehe, aus der der 1920 geborene Sohn Jimmy hervorging.

Luise Straus bestritt ihren Lebensunterhalt als alleinerziehende Mutter mit Kritiken und Texten, die in renommierten Zeitschriften abgedruckt wurden. Als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, ging sie ins Exil nach Frankreich, wo zwischen 1933 und 1941 eine Vielzahl von Zeitungsartikeln entstanden. Ausgewählte Reportagen und Erzählungen versammelt das vom Max-Ernst-Museum des LVR kürzlich herausgegebene Buch „Eine Frau blickt sich an“.

Luise Straus, die eine der ersten Frauen war, die an der Bonner Universität einen Doktortitel in Kunstgeschichte erwarb, schrieb Reportagen und unterhaltsame Geschichten, in denen sich auch ihre eigenen Lebensumstände widerspiegeln.

„Es ist ein sehr eigenständiges und durch intellektuelle Neugier geprägtes Leben, dem wir begegnen, und es evoziert Parallelen zu anderen berühmten Exilanten, nicht zuletzt aus dem Rheinland“, schreibt Jürgen Wilhelm in seinem Textbeitrag. Straus’ Veröffentlichungen jener Jahre seien „ein bis heute relevanter Spiegel der Zeit“.

Hatte die Autorin anfangs fast ausschließlich Fachbeiträge über Kunst geschrieben, so erweiterte sie später ihr Repertoire und schrieb neben feuilletonistischen Berichten auch kurze Erzählungen für deutschsprachige Publikationen wie die Neue Zürcher Zeitung.

Deren Archiv hat Jürgen Pech, der wissenschaftliche Leiter des Max-Ernst-Museums, durchforstet und ist dabei auf Artikel gestoßen, die wegen ihrer außergewöhnlichen Qualität mit in das Buch aufgenommen wurden. „Geschliffen und geistreich formuliert sind die Texte trotz ihrer Leichtigkeit von einem nachdenklichen Ton geprägt“, heißt es im Klappentext.

Das trifft nicht nur auf die Beschreibung ihres Besuchs beim berühmten Architekten LeCorbusier zu; sondern auch auf fiktive Geschichten wie „Verhindertes Begräbnis“ oder „Gaby wünscht sich eine Boa“, in denen sich außerdem ihr Sinn fürs Skurrile offenbart.

Stolperstein erinnert an Luise Straus

„Luise Straus reflektiert in den entstandenen Erzählungen gleichermaßen ihre Situation und ihr Selbst“, so Jürgen Pech. Darauf weist der Titel des Buchs hin, der die Überschrift der Erzählung „Zwei Frauen blicken sich an“ variiert, in der sie die erste Begegnung mit der Freundin ihres halbwüchsigen Sohnes schildert und dabei auch das aufkommende Gefühl mütterlicher Eifersucht nicht unterschlägt.

Das Buch wird durch eine Reihe von Fotografien bereichert, darunter auch das Bild, das August Sander 1928 von ihr und ihrem Sohn Jimmy gemacht hat. Eine der letzten Aufnahmen zeigt Luise Straus im Mai 1944, wenige Wochen vor dem Transport nach Auschwitz, wo sie zu Tode kam.

Auf dem Grabstein der Familie Straus fehlt ihr Name; lediglich der Stolperstein vor ihrer früheren Wohnung in der Emmastraße 27 in Köln-Sülz erinnert an ihr Geburtsjahr, die Deportation und die Ermordung. Im Oktober 2010 wurde der Wechselausstellungssaal des Max-Ernst-Museums nach ihr benannt, um das Andenken an die außergewöhnliche Frau dauerhaft zu bewahren.

Luise Straus:

Eine Frau blickt sich an. Greven-Verlag Köln, 19,90 Euro

Rundschau abonnieren