Monika Stey„Endlich bekomme ich Achtung“

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Monika Stey musste beim Lesen ihrer Erinnerungen oftmals innehalten. Auch Museumschef Rudolf Doose braucht Lesepausen.

Monika Stey musste beim Lesen ihrer Erinnerungen oftmals innehalten. Auch Museumschef Rudolf Doose braucht Lesepausen.

Kerpen-Sindorf – Vor 30 Jahren begann Monika Stey aus Engelskirchen mit der Niederschrift ihres nun veröffentlichten Buches „Ich träume von einer Insel“. Die Zeitspanne erscheint lang – doch Stey schrieb nicht etwa einen leichtfüßigen Roman, sondern berichtet aus ihrem von traumatischen Erlebnissen gezeichneten Leben, das sie zu einem großen Teil in Heimen und Psychiatrien verbrachte. Im damaligen Kerpener Vinzenzhaus wurde Stey im Heim für geistig behinderte Kinder untergebracht und berichtet in ihrem Buch von Misshandlungen und Demütigungen.

Der Untertitel „Mein Leben unter schwarzer Pädagogik“ lässt nur erahnen, was die heute 59-Jährige durchgemacht hat. Jetzt las sie im Schreibmaschinenmuseum „Qwertzuiopü“ aus ihrem Erstling. 1961, Stey war acht Jahre alt, diagnostizierte ein Arzt der psychiatrischen Abteilung der Klinik in Düren „Schwachsinn zweiten Grades“. Eine Diagnose, die sich 1989 als falsch herausstellte. Nach einem vierwöchigen Aufenthalt in Düren holten sie die Nonnen des Ordens der „Armen Dienstmägde Jesu Christi“ ab, die damals das Heim im Vinzenzhaus leiteten. Mit deutlichen Worten berichtet Stey, was ihr hier widerfahren ist.

Die Zeit im Kerpener Heim sei ihr vor allem deshalb in Erinnerung geblieben, „weil die Nonnen aus mir mit allen Mitteln einen ,guten Menschen’ machen wollten und dies für mich Schmerzen bedeutete, Verlust von Freiheit, Erniedrigung und Missachtung“. Vielleicht sei sie ein wenig hyperaktiv gewesen, sagte Stey. Wenn sie nicht aufhören wollte zu schreien, habe man ihr einen Sack über den Kopf gestülpt, es setzte Prügel – etwa für das fehlerhafte Aufsagen eines Gedichtes oder wenn sie darum bat, „aufs Klo“ zu dürfen statt „aufs Häuschen“. Auch habe sie oftmals eine Zwangsjacke tragen und stundenlange Bäder in eiskaltem Wasser über sich ergehen lassen müssen.

Mit acht Jahren sei sie noch zu klein gewesen, um zu verstehen, wie bereitwillig Erwachsene Medikamente verabreichten, um ein Kind ruhig zu stellen, berichtete Stey.

1966 kam Stey in die Rheinische Landesklinik Langenfeld. Dort wurde sie gefördert. Sie holte den Hauptschulabschluss nach, machte eine Ausbildung zur Krankenpflegerin. „Ich habe vieles geschafft, was man mir nie zugetraut hätte“, sagte Stey, die immer noch unter den traumatischen Erlebnissen leidet. Sätze wie „Das kannst du nicht, das schaffst du nicht“, seien ihr nur allzu bekannt. Schon als Kind, das Schwierigkeiten mit dem Gehen und mit dem Sprechen gehabt hätte, sei sie für die anderen „nicht mehr als eine dumme Puppe“ gewesen, „die man schlagen und die Treppe hinunterstoßen konnte“. Heute arbeitet Stey in ihrer eigenen Fußpflegepraxis und freut sich, ihr Buch mit finanzieller Unterstützung des Diözesan-Caritasverbandes endlich im Selbstverlag veröffentlicht zu haben. 300 Exemplare sind schon verkauft, die zweite Auflage ist in Arbeit.

„Was Frau Stey hier schildert, ist unvorstellbar“, sagte Rudolf Doose, Inhaber des Schreibmaschinenmuseums. Er habe es noch nicht geschafft, das Buch ganz zu lesen, weil er zwischendurch Pausen brauche. Auch Stey hielt beim Lesen oftmals inne. „Da sind Textpassagen, die mich sehr berühren“, sagte sie. „Ich bin froh, dass ich nun endlich Achtung bekomme.“

Das Buch

„Ich träume von einer Insel. Mein Leben unter schwarzer Pädagogik“ ist bei Stey unter der Rufnummer (0 22 63) 48 13 00 und im Buchhandel unter der ISBN 978-3-942594-23-3 erhältlich und kostet 11,90 Euro.

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