Rheinisches RevierRund 6000 Kohlegegner demonstrieren gegen den Braunkohleabbau

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Polizisten vor Tagebau

Polizisten stehen am Rande des Braunkohletagebaus.

Düren – Proteste gegen die Braunkohle hier, Kundgebungen für die Arbeitsplätze bei RWE Power und eine sichere Energieversorgung durch die Kohleverstromung da: Mehrere Großveranstaltungen prägten am Wochenende die Lage im Rheinischen Revier. Rund 3000 Kohlegegner fanden sich in den Klimacamps der Aktion „Ende Gelände“, ebenso viele bei der BUND-Veranstaltung „Rote Linie“. Die Polizei hatte mehr als 1000 Beamte im Einsatz.

Bei einem Motorradkorso und einer Kundgebung der IG BCE unter dem Motto „Schnauze voll“ versammelten sich rund 600 RWE-Mitarbeiter und Gewerkschafter. IG BCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis forderte Wertschätzung für die Arbeit der Menschen in Tagebauen und Kraftwerken: „Dass wir in Deutschland wirtschaftlicher Weltmeister sind, das beginnt hier in der Grube.“

Demonstranten wollten
 Polizeikette durchbrechen

Erster schwerer Zwischenfall am Samstagmorgen: Ein Mannschaftswagen der Polizei wurde mit Schleudern und Feuerwerkskörpern beschossen. Der Angriff erfolgte aus dem Hambacher Wald heraus, die Urheber blieben unerkannt. Verletzt wurde niemand. Am Samstagmittag setzten sich dann mehr als 1000 Demonstranten in Richtung Niederaußem und Neurath in Bewegung. Es kam zu Festnahmen, als Aktivisten versuchten, die Polizeikette zu durchbrechen.

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Am Nachmittag teilten sich die Demonstranten in Bedburg-Rath in mehrere Gruppen auf, die versuchten, die Gleise der Kohlebahn zwischen Niederaußem und Neurath zu blockieren. An drei Stellen gelang das, eine vierte Gruppe von rund 600 Klima-Aktivisten konnte von der Polizei gestoppt werden, bevor sie die Gleise erreichte. Bereits zuvor gab es Straßenblockaden vor dem Kraftwerk Neurath, die aber freiwillig wieder aufgelöst wurden. Vor Ort zeigte sich auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: „Solange es friedlich ist, halte ich solche Sitzblockaden für legitim.“ Zu den Bahnblockaden meinte er: „Es wäre jetzt nicht meine Art des Protestes, aber Schaum vor dem Mund muss man auch nicht haben.“ Bei einer Gleisräumung kam es zum Einsatz von Pfefferspray. Nach Polizeiangaben hatten Demonstranten Polizisten angegriffen. Die Blockadeteilnehmer kamen in Gewahrsam.

Derweil zogen 3000 Klimaschützer ab Samstagmittag am Tagebau Hambach mit einer Menschenkette eine „Rote Linie gegen Kohle“. Die Linie, die über die alte Autobahn-4-Trasse zwischen Köln und Aachen führte, markiert die Stelle, bis zu der RWE nach Auffassung der Demonstranten maximal abbaggern dürfte, um die in Paris gesteckten Klimaschutzziele nicht zu verfehlen. Unterstützung erhielten die Demonstranten von der Bundesspitze der Grünen sowie von Linken-Chefin Katja Kipping. Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir betonte: „Wir werden sowieso aus der Kohle aussteigen, warum nicht schon früher?“

Die Nacht verlief ruhig, aber Sonntagmorgen kam es zu zwei weiteren Zwischenfällen: Mehrere Aktivisten ketteten sich an eine Förderbandanlage im Tagebau Hambach an, elf weitere Personen kletterten im Tagebau Garzweiler auf einen Bagger, der außer Betrieb war. Beide Aktionen waren schnell beendet.

Jan Cirkel, Pressesprecher von RWE Power, betonte gestern, viele Protestaktionen seien in Ordnung. Aber: „Das Betreten von Betriebsgelände und die Störung von Abläufen allerdings ist mit großen Gefahren verbunden und nicht akzeptabel“, sagte er. Deshalb werde hier Anzeige erstattet. (otr/jo/rj/bru/ fun))

Die Rechtslage

Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz (Artikel 8) festgelegt. Danach sind Versammlungen „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen“ erlaubt. Aber es gibt Regeln für Veranstaltungen unter freiem Himmel, die im Versammlungsgesetz festgeschrieben sind. Verboten ist z. B. die Verschleierung der Identität („Vermummungsverbot“), die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden kann. Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe drohen für den „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Unter den Straftatbestand des Landfriedensbruchs fällt die Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen eine andere Personengruppe (in der Regel Polizeibeamte). Dies kann mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden. Hausfriedensbruch liegt vor, wenn „befriedete Besitztümer“ (geschützt durch Absperrungen, Mauern oder Zäune) unerlaubt betreten werden. Höchststrafe ein Jahr Haft.

Sitzblockaden sind nicht generell strafbar, sondern können nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Versammlungsfreiheit rechtens sein. Aber verbunden mit Anketten, Einhaken oder aktivem Widerstand gegen das Wegtragen gilt der Tatbestand der Nötigung in der Regel als gegeben. Dies kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Als Nötigung gilt nach Urteilen der obersten deutschen Richter auch das Blockieren einer vielbefahrenen Straße. Die Blockade von Bahngleisen kann zudem den Tatbestand des „gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr“ erfüllen. (r.)

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