Tagebau1000 Klimacamper in Erkelenz erwartet – „Kreative Proteste“ angekündigt

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Tagebau Garzweiler

Erkelenz – Am Thema Braunkohle-Tagebau scheiden sich die Geister. Wie die unterschiedlich geprägten Befürworter und die ebenfalls heterogen zusammengesetzten Gegner argumentieren, kann man in den nächsten Tagen bei Erkelenz gut studieren – rund um das „Klimacamp“.

Tagebaugegner wollen „das Weltklima retten“, beklagen die Zerstörung von Dörfern und Ökosystemen. Die Kohlefreunde haben die „Schnauze voll“ von „Gewalt durch Ökoaktivisten“ und einer „verfehlten Energiepolitik“ , für die die Mitarbeiter in den Tagebauen und Kraftwerken die Zeche zahlen sollen.

Am Örtchen Lützerath nahe dem Tagebau Garzweiler schlagen die Braunkohlegegner von Freitag, 19. bis zum 29. August ihr Klimacamp auf.

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Mit einem „vielseitigen Programm und kreativem Protest“ soll auf die Ursachen des Klimawandels aufmerksam gemacht werden. 1000 Teilnehmer werden erwartet. Auch Prominenz hat sich angekündigt – der nigerianische Umweltschützer und Träger des alternativen Nobelpreises, Nnimmo Bassey.

Gewerkschafter und RWE-Mitarbeiter wollen den Kritikern das Feld nicht allein überlassen. Sie verteilen Flugblätter in den Betrieben, organisieren Mahnwachen und Demonstrationen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen: Die „Kolleginnen und Kollegen“ sollen sich wahr- und ernst genommen fühlen, viele von ihnen beobachten die Energiewende mit Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Dabei ist die Gewerkschaft auf zwei Ebenen aktiv, sagt Manfred Maresch, Sekretär der IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) in Alsdorf. So richtet sich ihre Kampagne zum einen gegen die „Gewalt aus dem Umfeld der Ökoaktivisten“, die im Wald am Tagebau Hambach zwischen Kerpen und Düren immer drastischere Züge angenommen hat.

Neben Baumbesetzungen und Blockaden kam es dort zu Brandanschlägen und aggressiven Rangeleien zwischen Aktivisten und RWE-Security-Personal. RWE-Mitarbeiter dort müssten um ihr Leben, zumindest um ihre „körperliche Unversehrtheit“ fürchten, so die Gewerkschaft.

Erst kürzlich hat die Polizei Messer und andere Waffen der Militanten vorgeführt und angekündigt, mit einem neuen Konzept gegen ihre unkonventionelle, oft auch strittige Demo-Strategie vorzugehen. Demonstranten setzten Zwillen ein, ein RWE-Mitarbeiter fuhr mit einem Auto auf die Protestler zu.

Zum anderen spricht die Gewerkschaft von Jobs: Im Revier gehe angesichts sinkender Erlöse aus der Braunkohleverstromung die Angst vor Stellenabbau und Lohnkürzungen um, beklagt Maresch. Dabei sei die Braunkohle in Zeiten der Energiewende nötig.

Örtliche Bürgerinitiativen wollen den Kohleabbau hingegen so schnell wie möglich stoppen. So kritisiert die Initiative „Buirer für Buir“, dass der Tagebau Hambach bis an die Ortsgrenze des Ortsteils Buir (4000 Einwohner) vorangetrieben werden soll.

Die Buirer nehmen am Klimacamp im rund 30 Kilometer von Buir entfernten Erkelenz teil. Mit anderen lokalen Gruppen organisiert die Initiative ein Straßenfest im zum Abbau freigegebenen Dorf Keyenberg, das zu Erkelenz gehört.

Auch überregional gibt es Unterstützung für das Klimacamp. Die internationale Klimaschutz-Organisation „350.org“ und der alternative Kosmetikkonzern „Lush“ sind Sponsoren.

Politische Stiftungen und „Brot für die Welt“ bezuschussen die zum Klimacamp gehörende „Degrowth-Sommerschule“, bei der die 380 angemeldeten Teilnehmer alternative Wirtschaftsformen diskutieren wollen.

Ob es bei Diskussionen und Workshops bleibt, wird sich zeigen. In den vergangenen Jahren wurden während des Klimacamps Kohlebahnen blockiert, -bagger besetzt oder, wie im Jahr 2015, gleich der Tagebau Garzweiler gestürmt. Aktivisten aus der linksautonomen Szene handelten dabei manchmal auch auf eigene Faust.

RWE will aufgrund der Erfahrungen besonders „wachsam“ sein. „Jeder hat das Recht seine Meinung zu sagen, auch Braunkohlegegner“, sagt Firmensprecher Guido Steffen. „Wir hoffen aber, dass es nur bei dem Klimacamp bleibt.“

Auch die – nun federführend zuständige – Polizei in Aachen hat sich vorbereitet, so eine Sprecherin. „Wir müssen davon ausgehen, dass etwas passiert.“ Die Aktionstage seien für den 25. und 27. August geplant, hieß es.

Chronologie der Konflikte

2010 veranstaltete die BUND-Jugend das erste Klimacamp mit 100 Teilnehmern bei Garzweiler

2011 Erstes Klimacamp in  Kerpen-Manheim

2012  Im Hambacher Forst haben sich radikale Kohlegegner verschanzt. Nur drei Kilometer entfernt findet wieder das Klimacamp in Manheim statt – inklusive Gleisblockade. Ende des Jahres wird das erste Camp der Waldbesetzer geräumt. Da ein Aktivist sich in einem Tunnel verschanzt,  dauert die Räumung mehrere Tage und erregt bundesweite Aufmerksamkeit.

2013 Wieder Klimacamp in Kerpen. Es kommt  zu einer Gleisblockade und zu  einem Treffen mit  Gewerkschaftern der IG BCE.

2014 Die Klimacamper ziehen  nach Erkelenz  um. Es gibt Kontakte zum Wiesencamp am Hambacher Forst.  Im Anschluss an das Camp klettern 20 Aktivisten auf einen Bagger im Tagebau Garzweiler. Die Polizei greift ein.

2015     1000 Klimacamper   stürmen  bei der Aktion „Ende Gelände“ den Tagebau Garzweiler, 1000 Polizisten und RWE-Leute halten dagegen.   36 Verletzte, 797 Strafanzeigen.

www.klimacamp-im-rheinland.de

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