Gezeitenhaus in WesselingSchloss Eichholz ist zur Klinik geworden

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Seit Mai werden in Schloss Eichholz Patienten behandelt, die an einem Trauma leiden. Davor war das Schloss jahrzehntelang eine Bildungsstätte der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Seit Mai werden in Schloss Eichholz Patienten behandelt, die an einem Trauma leiden. Davor war das Schloss jahrzehntelang eine Bildungsstätte der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Wesseling – Um den Speisesaal dürfte diese Klinik beneidet werden. Hohe Stuckdecken, Kristallleuchter und dunkler Parkettboden verleihen dem Mittagstisch in der Gezeitenhausklinik ein herrschaftliches Ambiente, aber auch wenn man durch das Treppenhaus und die Behandlungsräume der Wesselinger Klinik läuft, stellt sich alles andere als Krankenhausatmosphäre ein.

„Gerade für den psychisch kranken Menschen sind Ästhetik und Wohlbefinden etwas ganz wichtiges“, sagt Fritjof Nelting, der Geschäftsführer der Gezeitenhaus-Gruppe, die seit Anfang des Jahres Schloss Eichholz in Urfeld gemietet hat und dort eine Klinik für psychosomatische Medizin und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) betreibt. In Schloss Eichholz werden zum Beispiel Menschen, die Traumatisches erlebt haben, oder Kinder und Jugendliche mit Angststörungen, Autismus oder Depressionen behandelt. Angeschlossen sind eine Tagesklinik und eine ambulante Klinik. Dazu gehört noch die Gezeitenhaus-Akademie, die Firmen Angebote zur Gesundheitsförderung macht.

Bombenanschlag in Istanbul miterlebt

„Wir fühlen uns hier sehr wohl“, sagt Nelting. Seit Januar wurden die Räume der ehemaligen Konrad-Adenauer-Stiftung für die Bedürfnisse der Klinikbetriebes hergerichtet und mit fernöstlichen Dekorationen wie Buddhafiguren und Bildern ausgestaltet. Im Mai wurden die ersten Patienten aufgenommen, die in der Regel sechs Wochen bleiben.

Dabei war ein Patient, der den Bombenanschlag auf den Istanbuler Flughafen miterlebt hat. „Er ist zwar selbst körperlich unverletzt geblieben, hatte aber ständig die Bilder von den Toten und Verletzten vor Augen“, erklärt Dr. Clemens Boehle, der ärztliche Direktor der Klinik. Die Folgen waren Angst, Panik und Schlafstörungen. „Der Mann konnte nicht mehr arbeiten“, so Boehle. In Wesseling wurde er nach einer Methode behandelt, die in Deutschland noch relativ selten angewandt wird, aber bereits seit 25 Jahren bekannt ist: Die EMDR-Therapie (Eye Movement Desentization und Reprocessing), bei der der Patient auf zwei erhobene Finger des Arztes schauen muss, die sich vor seinem Gesicht hin und her bewegen. Gleichzeitig wird der Patient aufgefordert, sich die schrecklichen Bilder in Erinnerung zu rufen. Durch die Konzentration auf die Erinnerungen einerseits und und die Bewegungen der Hand andererseits verarbeite das Gehirn die belastenden Bilder, erläutert Boehle. Die EMDR-Therapie sei als Methode zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen bei Erwachsenen anerkannt und gelte laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine der effektivsten Methoden.

Massagen und Bewegung

Ergänzend dazu bieten die Ärzte auf Schloss Eichholz aber auch Traditionelle Chinesische Medizin mit Massagen und Bewegungstherapien an. Die Verbindung zu China liege schon seit vielen Jahren in der Familie, berichtet Nelting, der mit einer Chinesin verheiratet ist. Seine Urgroßmutter und Großmutter seien in China geboren worden, seine Mutter, die ebenfalls in der Klinik mitarbeite, sei seit 30 Jahren TCM-Therapeutin. Auch der leitende Arzt Boehle ist Qigong-Lehrer.

Der Tagesablauf in der Klinik für den Patienten beginnt in der Regel morgens um halb acht mit Qigong-Übungen, bei schönem Wetter draußen im Park. Nach dem Frühstück ist die erste Therapiesitzung, dann folgt wieder eine Stunde Körpertherapie, von eins bis halb drei ist Ruhezeit, am Nachmittag folgt eine Übung in Tanzen oder Improvisationstheater, danach findet noch eine Achtsamkeitsübung statt, bevor der Therapietag um 18.15 Uhr endet. „Unser Luxus ist, dass wir uns gegen Reize von außen abschirmen und die herkömmlichen Muster im Tagesablauf unterbrechen“, erläutert Nelting. Einen Fernseher gibt es auf den Patientenzimmern nicht, ebenso ist die Benutzung von Handys auf wenige Räume beschränkt.

Die 100 Mitarbeiter seien bemüht, sich ganz individuell auf den Patienten einzustellen. Demnächst sollen im großen Park noch ein Kletterpark und ein Kunstraum eingerichtet werden.

„Der Aufbau der Klinik macht unheimlich viel Freude“, betont Nelting. Ein kostenloses Angebot für Besucher ist die Traumasprechstunde jeden Donnerstag, 15.30 Uhr. Montags um 16 Uhr gibt es eine Sprechstunde für Menschen mit Angststörungen und Depressionen.

www.gezeitenhaus.de

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