Johannes KneifelVom rechtsextremen Skinhead zum Pastor

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Vom Neonazi zum gläubigen Christen: Johannes Kneifel las in der Mucher Gaststätte „Schublade“ aus seinem Buch. Aus dem Publikum kamen zahlreiche Fragen.

Vom Neonazi zum gläubigen Christen: Johannes Kneifel las in der Mucher Gaststätte „Schublade“ aus seinem Buch. Aus dem Publikum kamen zahlreiche Fragen.

Much – Gel-Frisur, moderne Brille, schickes Sakko – heute fällt es schwer, sich Johannes Kneifel als den rechtsextremen Skinhead und Totschläger vorzustellen, der er als 17-Jähriger gewesen ist. Im gut gefüllten Restaurant „Schublade“ berichtete er von seinem Werdegang vom Neonazi und Gewaltverbrecher zum gläubigen Christen.

Eine Entwicklung wie aus dem Lehrbuch: Seine familiäre Situation war schwierig, die Eltern mit den drei Kindern überfordert: „Nie war genug Geld da, um mit den anderen mithalten zu können“, erinnerte sich Kneifel. Trotz sportlicher Erfolge und guter Noten in der Schule blieb er ein Außenseiter. Doch da gab es noch andere Außenseiter, die ständig von Volk und Rasse schwadronierten und gegen Linke und Ausländer hetzten. Es fiel ihnen nicht schwer, den desillusionierten Jugendlichen zu gewinnen: „Da haben alle immer fest zusammengehalten, das gefiel mir. Hier habe ich mich das erste Mal in meinem Leben willkommen gefühlt.“ Bald wechselten sich Alkoholexzesse und Kleinkriminalität ab, dazu immer wieder Gewalttaten gegen Ausländer und Andersdenkende.

Am 8. August 1999 eskalierte die Situation. Gemeinsam mit einem „Kameraden“ verprügelte Kneifel einen 46-Jährigen, der im Ort als „Linker“ galt. Der Mann starb an den Folgen des Überfalls und der 17-Jährige wurde zu fünf Jahren Jugendstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt: „Mir wurde klar, ich habe nicht nur ein anderes Leben zerstört, sondern auch mein eigenes.“

Im Gefängnis entwickelte sich Kneifel zum Schrecken seiner Mitgefangenen, landete schließlich im Hochsicherheitstrakt. Doch irgendwann fing er an, die Gefängnisgottesdienste zu besuchen und in der Bibel zu lesen. Nach vier Jahren Haft dann das Erweckungserlebnis: „Ich begriff, dass Jesus mit verzeiht, egal, was immer ich gemacht habe. Und dass mein verkorkstes Leben doch noch Sinn haben kann.“ Nach der Haftentlassung fand er Kontakt zu christlichen Gruppen, studierte Theologie und sucht heute eine berufliche Perspektive als Pastor einer freikirchlichen Gemeinde.

Über seinen Lebensweg hat Johannes Kneifel ein Buch geschrieben („Vom Saulus zum Paulus: Skinhead, Gewalttäter, Pastor“; Wunderlich Verlag). In Much sprach er frei darüber, souverän und authentisch stellte er sich den zahlreichen Fragen des sehr interessierten Publikums. So glaubt er inzwischen, dass sein Abrutschen in die rechte Szene nicht unausweichlich war: „Mir haben in den entscheidenden Momenten die richtigen Vorbilder gefehlt. Das ist bei ganz vielen so. Einiges wäre anders gelaufen, wenn mir jemand das Gefühl gegeben hätte, dass er an mich glaubt.“ Eine Erfahrung, die er jetzt mit seinem Glauben macht.

Er hat mit seiner Schuld zu leben gelernt, weil er überzeugt ist, dass Gott ihm vergeben hat. Die Tochter seines Opfers will bis heute nichts mit ihm zu tun haben. Kneifel bedauert das, versteht es aber auch: „Vergebung ist nichts, was man einfordern kann.“

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