Abo

„Sozialkaufhaus für Alle“Erste Kunden kamen schon vor der Eröffnung nach Windeck

Lesezeit 4 Minuten
Sitzprobe im neuen Sozialkaufhaus Hans-Werner Schmidt, Gitta Wiens und Monika Zieren vom Vorstand von „Windeck hilft“.

Sitzprobe im neuen Sozialkaufhaus Hans-Werner Schmidt, Gitta Wiens und Monika Zieren vom Vorstand von „Windeck hilft“.

Windeck – Ein Kiefer-Doppelbett mit verstellbaren Lattenrosten für 150 Euro, ein Massivholz-Eckschrank für 25 Euro und eine exklusive Vase für zwei Euro. Das Angebot im neuen „Sozialkaufhaus für Alle“ in Rosbach kann sich sehen lassen. Von der Eiche-Schrankwand bis zum einfachen Kiefernregal reicht das Angebot, das die Kunden an der Maueler Straße erwartet.

Die offizielle Eröffnung mit geladenen Gästen findet erst Mitte März statt. Die ersten Möbel hat der Verein „Windeck hilft“ aber bereits an den Mann und die Frau gebracht. „Wenn was weg ist, räumen wir aus dem Lager nach“, berichtet Gitta Wiens.

Die Idee, den Menschen in Windeck, die es sich nicht leisten können, sich in einem Möbelhaus mit Neuware einzurichten, ein Kaufhaus mit gebrauchten Möbeln anzubieten, sei schon ein paar Jahre alt, berichtet Hans-Werner Schmidt, Vorsitzender von „Windeck hilft“.

Alles zum Thema Windeck

Vor fast 12 Jahren gehörte er zu den Gründern der gemeinsamen Windecker-Eitorfer Tafel, die viele Jahre unter dem Dach des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM) zusammenarbeiteten. Im vergangenen Jahr kam es zum Bruch. „Windeck hilft“ wurde gegründet.

Ein Ladenlokal für ihr Kaufhaus fanden die 36 Mitarbeiter des Vereins nach einigem Suchen an der Maueler Straße. In dem einstigen Getränkeverlag, dem schon ein Haushaltswarengeschäft sowie eine Videothek gefolgt waren, hatte ein Gastwirt bereits kräftig renoviert, den Keller fast komplett gefliest und den zukünftigen Gastraum strahlend weiß gestrichen. Die Pläne platzten allerdings.

Wo leckere Speisen serviert werden sollten, sind gebrauchte Möbel liebevoll aufgebaut und dekoriert worden. Die Tische sind mit kompletten Service gedeckt, die ebenfalls gekauft werden können. Wer hereinkommt, fühlt sich fast zum Kaffee eingeladen.

Seine Ware bezieht das „Sozialkaufhaus für Alle“ aus der Region um Rosbach. Wer immer etwas brauchbares abzugeben hat, kann sich bei Hans-Werner Schmidt melden. „Wir kommen dann vorbei und schauen nach, war wir gebrauchen können“, erklärt er. Sperrmüll nämlich will der Verein nicht sammeln. Geschickt hatte kürzlich ein Geber die Flecken auf einer Sofagarnitur abgedeckt. „Das werden wir nicht los“, meint Schmidt. Jetzt warten diese Möbel auf den Sperrmüll.

Unter den Accessoires im Kaufhaus finden sich neben Gebrauchtem auch Neues, Bettwäsche oder anderen Restbeständen aus Sonderverkäufen heimischer Einzelhandelsgeschäfte.

Auf der Wunschliste von Hans-Werner Schmidt stehen derzeit noch Küchenmöbel und Elektrogeräte. Die, so meint er, könnten von ehrenamtlichen Mitarbeitern wieder auf Vordermann gebracht und dann ebenfalls verkauft werden. Bereits jetzt werden die angelieferten und abgeholten Möbel von Ehrenamtlern, darunter auch einigen Flüchtlingen, die in Windeck untergekommen sind, genau untersucht, wo nötig instand gesetzt und aufgearbeitet.

Arbeitsteilung zwischen Kleiderkammer und Awo

„Wir könnten noch gut einen Schreiner und einen Polsterer im Team brauchen“, sagt Schmidt. Auf seiner Wunschliste stand auch ein Kleintransporter mit dem die Möbel geholt werden können. Der wird derzeit, über Werbung gesponsert, auf den Weg gebracht.

Arbeitsteilung gibt es in Windeck zwischen dem neuen Kaufhaus, der CDU-Kleiderkammer und dem Awo-Lädchen. Die Awo – eine Delegation hat neulich das Kaufhaus besucht und 500 Euro mitgebracht – konzentriert sich mit Kleidung, weiterer Ausstattung uns Spielzeug auf Kinder. Im Kaufhaus gibt’s demnächst die passenden Wickelkommoden.

Öffnungszeiten des Sozialkaufhauses: dienstags 10 bis 13, donnerstags 15 bis 19 Uhr, Kontakt: 0151/26 07 67 36

Weitere Angebote in der Region

Eitorf: SKM Möbellager, Bahnhofstraße 26, dienstags 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr, 02243/35 83 Sankt Augustin: Nachbarschaftshilfe, Kleiderstube/Möbelhaus Bonner Straße 105, dienstags bis freitags 9 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 16 Uhr, 02241 9 28 90, sowie Kleiderstube/Möbelhaus Ringstraße 86-90, dienstags bis freitags 9 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 16 Uhr, 02241/9 76 66 15 Troisdorf: Nachbarschaftshilfe, Kleiderstube / Möbelhaus Elsenplatz 6-8 / Ecke Frankfurter Straße, dienstags bis freitags 9 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 16 Uhr, 02241/8 81 62 91 Siegburg: Awo-Sozialkaufhaus, Schumannstraße 3, dienstags bis donnerstags 10 bis 15 Uhr, 02241/1 69 42 92, und Diakonie Michaelshoven, fairpunkt, Händelstraße 11, montags bis freitags 10 bis 17.30 Uhr, 0173/9 99 98 81

Interview: „Sozialkaufhäuser sind Pflaster auf einer klaffenden Wunde“

Mit Patrick Ehmann, dem neuen Geschäftsführer des Diakonischen Werks An Sieg und Rhein, sprach Stephan Propach.

Warum steigt der Bedarf an Sozialkaufhäusern an Rhein und Sieg?

Der Rhein-Sieg-Kreis ist in seiner sozialen Zusammensetzung sehr widersprüchlich. Wir haben einerseits ein überdurchschnittlich hohes Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zur übrigen Bundesrepublik. Auch die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise gering. Gleichzeitig aber arbeiten 22,6 Prozent der Menschen im unteren Entgeltbereich. Auf die Kommunen sind sie unterschiedlich verteilt. Da ist auf der einen Seite Bad Honnef, auf der anderen die Obere Sieg. Wobei die Dunkelziffer an armen Menschen in den ländlichen Gemeinden höher liegen dürfte. Da gibt es noch andere Sozialstrukturen. Die Familien fangen die Menschen auf. Ob Sozialkaufhäuser immer die richtige Antwort sind, bezweifele ich. Viel eher sind sie nur ein Pflaster auf einer klaffenden Wunde.

Wird der Trend anhalten oder ist ein Ende absehbar?

Wenn die Sozialpolitik in unserem Land so weitergeht, wird der Bedarf an Geschäften im Billigsegment eher noch steigen. Menschen im unteren Lohnsektor sind arm und werden auf soziale Einrichtung angewiesen sein.

Rundschau abonnieren