Marathon-Mann aus EitorfIm Laufschritt durch die Metropolen

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2014 lief der Eitorfer in London: Damit hatte er fünf der großen Läufe der „World Marathon Majors“ absolviert – fehlte nur noch Tokio.

  • Der Eitorfer ist ein sogenannter 6-Star-Finisher.
  • Er nahm auch am Boston-Marathon 2013 teil, auf den ein Attentat verübt wurde.

Eitorf – 35 Jahre im Laufschritt, rund   100.000 zurückgelegte Kilometer,  etwa 170  Paar Laufschuhe verschlissen: Jörg Löhr ist Langstreckenläufer aus Passion. Ob Natursteig Sieg  oder  New York,    Chicago oder  Windeck – der Biochemiker aus Eitorf ist schon  fast überall einmal gelaufen. Ende Februar hat er als einer der wenigen Nicht-Japaner den „Tokyo Marathon“ absolviert.  „Nur 17 Prozent Ausländer dürfen  in Tokio  starten.  Allein 300.000 Japaner bewerben sich auf die 35.000 Startplätze. „Dort  dabei zu sein, das ist schon etwas ganz besonderes!“

Zumal in Tokio die „World Marathon Majors“-Serie endet: Die sechs großen Marathons Boston, London, Berlin, Chicago, New York und Tokio sind für professionelle Läufer  so etwas wie der „Grand Slam“ der  Marathon-Welt. „Da kommen dann zur Siegerehrung alle Renn-Direktoren“, berichtet der 53-Jährige, der  als medaillenbehängter Amateur mit den  Profis im Blitzlichtgewitter der Fotografen stand. Erst 1663 Amateure haben bis heute die großen Sechs absolviert,  davon stammen 73 Läufer aus Deutschland.

Dass er einmal ein so genannter „6-Star-Finisher“ würde, das hat der Eitorfer  sich so nicht vorgestellt. „Zur ersten Teilnahme an einem Köln-Marathon wurde ich überredet – und dann waren die beiden anderen ausgerechnet an dem Tag krank.“ Das war 1998 – und er schaffte die   42,195 Kilometer  in drei Stunden, 45 Minuten und 49 Sekunden. Unter vier Stunden ist er die Strecke seitdem immer gelaufen.

Internet-Blog

Ergebnisse und Impressionen veröffentlicht  er auf seiner  Internetseite „Der Laufgedanke“, auf der  auch schöne Strecken im Rhein-Sieg-Kreis, Gesundheitstipps und Veranstaltungen zu finden sind. „Ich hatte immer die Idee, einen Blog zu schreiben“, erzählt er. Zu Weihnachten überraschte ihn seine Tochter Hannah dann mit seiner eigenen Internetseite, zu der sie Rezepte beiträgt.

Besonders sportlich sei er früher nicht gewesen, erinnert er sich. Leichtathletik in der Schule, das war nicht sein Ding. „Das änderte sich in der Mittelstufe mit den Waldläufen, das machte mir Spaß. Ich hatte immer noch Kondition, wenn die anderen nicht mehr konnten.“

Aus Fehlern wurde Löhr klug

Die ersten Teilnahmen an Volksläufen gingen dennoch in die Hose: „Ich habe damals alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“, sagt er. „Ich war ja jung und fand mich toll. Also habe ich mich in die erste Reihe gestellt, bin den Schnellen hintergelaufen und war  nach wenigen Kilometern völlig außer Puste.“

Heute lässt er es langsam angehen. Auch er merkt den gefürchteten Kilometer 32, an dem der Körper den Glykogenspeicher aufgebraucht hat  und an die Fettreserven geht. Er ist berüchtigt als die Stelle,  wo „der Mann mit dem Hammer“ zuschlägt und so manchen Läufer aus dem Rennen haut.  Dann entscheiden  nicht mehr die Beine, sondern der Kopf, ob man die Strecke  schafft. „Klar, das ist auch bei mir der Kilometer, bei dem der Wille einspringt“, sagt Löhr.  „Aber meistens steigere ich auf den letzten Kilometern sogar noch mein Tempo.“

Feiern im Ziel ist das schönste

Gut trainiert geht er in die Rennen, erhöht die Kilometer pro Trainingseinheit  und Woche. Er will fit ins Ziel kommen und feiern: „Das ist doch das schönste am Marathon!“ Durchschnittlich 60 Kilometer pro Woche läuft er im Training, oft am Hüppelröttchen. Oft fährt er aber auch mit dem Zug nach Siegburg oder Rosbach und läuft dann nach Eitorf zurück. Aber verbissen, nein, das will er nicht sein. „Ich laufe gar nicht an so vielen Tagen.“

Wenn das Wetter gar zu fies ist, dann siegt auch schon mal der innere Schweinehund. „Zuletzt war das so beim Insellauf Grafenwerth“, gibt er zu. Die Startgebühr war bezahlt, die Teilnahme in seinem Blog angekündigt. „Und dann habe ich aus dem Fenster geguckt    und gedacht: Ach nö.“

Einen Marathon hat er sich aber noch nie durch die Lappen gehen lassen. Frankfurt, Berlin, Hamburg, Amsterdam, Wien, London, New York, Chicago, Boston und zuletzt eben  Tokio: Die magischen 42,195 Kilometer durch fremde Städte haben einfach zu viel Reiz.

Frau und Tochter reisen mit

Seine Frau Christine und Tochter Hannah begleiten  ihn oft auf diesen Reisen. „Wir erkunden vor dem Lauf meist schon die Stadt gemeinsam.“ Selbst während des Marathons hat Löhr längst nicht nur die Strecke im Blick: „In New York habe ich während des Marathons ganz viel fotografiert. Ich bin sogar manchmal irgendwo drauf geklettert oder habe Leute noch für ein Foto zusammengestellt.“

Dass er die Strecke durch den Big Apple  trotz der vielen Unterbrechungen in  drei Stunden und 40 Minuten absolvierte, überrascht ihn bis heute. „Ich habe immer gedacht, die müssen sich mit der Zeit vertan haben . . .“

Auch wenn er die großen Sechs jetzt absolviert  hat, gibt es noch reichlich Läufe, die ihn reizen. Kaum aus Tokio zurück, lief er in Ruppichteroth. Sein Terminkalender für dieses Jahr ist voll, auch grobe Pläne für die kommenden Jahre hat er schon.

Nach dem Zieleinlauf detonierten die Bomben

„Den  Boston-Marathon  will ich noch mal laufen“, nennt  Löhr eines seiner Projekte. Er hatte 2013 teilgenommen, als drei Menschen bei zwei Bombenanschlägen starben und 264 verletzt wurden.  Der Eitorfer hatte die Ziellinie schon passiert, als er die Detonationen hörte. „Ich bin wahrscheinlich kurz vorher an den Bomben vorbei gelaufen“, berichtet er. Auch seine Frau Christine hatte in unmittelbarer Nähe des Anschlagsorts im Publikum gestanden. „Aber weil ich im Ziel war, ist sie hinter der betroffenen Häuserfront  entlang in meine Richtung gegangen und war schon weg, als es passierte.“  Noch im Ziel versprach er damals, wiederzukommen.

„Es gibt außerdem noch zwei Kontinente, wo ich noch nicht zum Laufen war – Ozeanien und Afrika“, erklärt Jörg Löhr. Denn dass  seine Familie ihn beim Urlaub in Neuseeland mit einem Lauf-Verbot belegte, schmerzt ihn doch ein bisschen.  „Für das  kommende Jahr  peile ich  den Two-Oceans-Marathon vom Indischen Ozean bis zur Atlantik-Küste in Südafrika an.“ Dieser Ultramarathon, der als einer der schönsten  der Welt gilt,   verlangt den Teilnehmern noch mehr ab – er ist 56 Kilometer lang. „Dann ist da ja auch noch die  Antarktis, aber die spare ich mal aus. Da ist es   mir zu kalt!“

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