TiereWaschbär fühlt sich in Rhein-Sieg wohl – „übertrieben, sie gezielt zu jagen“

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Der Waschbär stammt aus Nordamerika. Die Art lebt seit den 30er-Jahren auch in Deutschland.

Der Waschbär stammt aus Nordamerika. Die Art lebt seit den 30er-Jahren auch in Deutschland.

Rhein-Sieg-Kreis – Ihr Name geht darauf zurück, dass sie ihre Vorderpfoten wie beim Händewaschen bewegen, wenn sie etwas Essbares gefunden haben und sich daran machen, es zu verzehren. Waschbären suchen oft an Bachläufen nach Futter.

Die Tiere sind possierlich anzuschauen. Doch ihr Aussehen täuscht darüber hinweg, dass mit ihnen nicht unbedingt gut Kirschen essen ist, denn sie sind Raubtiere.

Der kluge und anpassungsfähige deutsche Neubürger ist auch im Rhein-Sieg-Kreis auf dem Vormarsch. Nach Angaben von Jörg Pape, dem ehemaligen Kreisjagdberater, ist ein deutlicher Anstieg der Waschbärenpopulation zu verzeichnen.

In der Jagdsaison 2010/2011 wurde ein Waschbär erlegt, fünf Jahre später 2015/2016 waren es schon 15. Diese Zahlen nennt Anja Roth aus der Pressestelle des Rhein-Sieg-Kreises. Das entspricht der Entwicklung in ganz Nordrhein-Westfalen: Laut Pape wurden im Jagdjahr 2004/2005 landesweit rund 3300 Waschbären erlegt, zehn Jahre später waren es schon 10 100 Tiere.

Ausgangspunkt Kassel

„Die Waschbären-Population hier ist aber mit Kassel noch lange nicht vergleichbar“, erklärt Roth. In Hessen, wo sie 1934 am Edersee bewusst angesiedelt wurden, sind sie eine Plage (jährlich rund 28 000 erlegte Tiere). Dort werden sie häufig dabei erwischt, dass sie an Mülltonnen oder am Kompost zu schaffen machen. Auf so manchem Dachboden ziehen sie ihre Jungen auf. Nicht nur dort werden die Tiere daher gejagt.

„Jagdlich gesehen sind das Räuber. Die gehen an die Vogelbrut ran“, erklärt Frank vom Scheidt. Der Jäger aus Much hat in seinem zwischen Winterscheid und Eitorf gelegenen Revier zwar noch keine Waschbären geschossen, aber mit seiner Wildkamera hat er sie bereits festgehalten. Da sie sich verstecken und nachtaktiv sind, wie er sagt, sind sie schwierig auszumachen. Es sei schwer zu sagen, wie viele es wirklich seien.

Laut Kreisverwaltung wurden die bisher erlegten Tiere überwiegend in Eitorf, Hennef, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth und Windeck geschossen.

„Wir kennen keine belastbaren Zahlen über die Waschbärbestände im Kreis. Es gibt vereinzelt Meldungen. Wir selbst haben die Art auch im Raum Lohmar nachgewiesen“, erklärt Holger Sticht, Vorsitzender des BUND-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen. Ihm sind aus der Region allerdings bislang keine Konflikte mit Waschbären bekannt. Er sei zwar ein Neozoen – eine eingewanderte Tierart–, aber das mache ihn noch lange nicht zur Problemart, findet Sticht.

Darum hat sich der BUND im Rahmen der Landesjagdgesetznovelle dafür ausgesprochen, den Waschbären von der Liste der jagdbaren Arten zu nehmen. Bisher sei es ohnehin nicht gelungen, die Kleinbären durch die Jagd zu dezimieren. Laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) liegt das daran, dass sich die Tiere, je stärker sie bejagt werden, umso stärker vermehren.

Holger Sticht sieht Probleme mit Waschbären nicht hier in der Region, sondern eher dort, wo es viele bodenbrütende Vogelkolonien gibt, wie etwa in der Lausitz. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Zwillbrocker Venn in Nordrhein-Westfalen, wo die Waschbären mit Zäunen von einer Flamingokolonie fern gehalten werden.

Auch Achim Baumgartner vom BUND Rhein-Sieg-Kreis ist der Auffassung, dass Waschbären eine Art seien, die hierzulande ihre Nische gefunden habe. „Sie sind noch nicht in Konkurrenz zu Mardern. Ganz anders als bei den Grauhörnchen gibt es keine Verdrängung“, erläutert Baumgartner seine Einschätzung.

Die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Tiere wurden von Menschen nach Europa gebracht. Die Waschbären entstammen nicht nur den am Edersee ausgesiedelten Exemplaren, sondern vereinzelt auch aus Pelztierfarmen Wie die Grauhörnchen oder die asiatischen Marienkäfer gehören sie zu den eingewanderten Tierarten, denen die Europäische Union den Kampf angesagt hat.

Nachtaktive Kleinbären

Die aus Nordamerika stammenden Waschbären gehören mit ihrer Körperlänge zwischen etwa 40 und 70 Zentimetern und einem Gewicht zwischen 3,5 und neun Kilogramm zur Familie der Kleinbären. Typisch ist die schwarze Gesichtsmaske und der gestreifte, buschige Schwanz. Die Tiere gelten als sehr intelligent.

Die Allesfresser verfügen über ein gutes Gedächtnis, wie Versuche gezeigt haben. Sie können sich auch nach drei Jahren noch an die Lösung früher gestellter Aufgaben erinnern. Zu 40 Prozent fressen Waschbären pflanzliche Kost, dazu aber auch Weich- und Wirbeltiere.

In der Dämmerung kommen die Waschbären aus ihren Baumhöhlen, alten Fuchsbauten und menschlichen Behausungen hervor. Sie jagen gerne an Flussläufen nach Fischen, Krebsen und Echsen, verschmähen aber auch menschliche Nahrung nicht. Sie leben auch in Parks und nahe menschlicher Siedlungen, wo sie nach Essensresten suchen.

Die Europäische Union hat den Waschbär 2016 auf die Liste der „invasiven gebietsfremden Arten“ gesetzt. Damit soll erreicht werden, dass sie aus Europa wieder verschwinden. Deutschland wurde dazu verpflichtet, dass die Tiere nicht gehalten, gezüchtet, importiert und verkauft werden. Sogar die beiden im Kölner Zoo lebenden Weibchen Inga und Gina sollen verschwinden. (ins)

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