Rösterei in BirlinghovenSankt Augustiner röstet in seinem Labor exklusive Bohnen

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Detlef Klees befreit nach dem Röstvorgang die fertigen Bohnen aus der Maschine, die daraufhin in die Edelstahl-Trommel fallen.

Detlef Klees befreit nach dem Röstvorgang die fertigen Bohnen aus der Maschine, die daraufhin in die Edelstahl-Trommel fallen.

Sankt Augustin – Wenn die Temperatur steigt, auf 205, 206, 207 Grad, muss der „Doktor“ höllisch aufpassen. Es knackt, er dreht die Gasflamme runter, damit die Hitze dem Röstgut am Ende nicht noch den Garaus macht.

„Dann ist alles schwarz, wie beim Steak auf dem Grill“, sagt der Mann im Hawaii-Hemd und öffnet eine Klappe. Der Lüfter pustet, ein klickender, klackender Schwall ergießt sich nach genau 13 Minuten und 6 Sekunden in eine Edelstahl-Trommel, wo sich dünne Metallarme drehen und so Bewegung bringen in die Bohnenmasse.

Detlef Klees schaut, schnuppert und nickt. „Dr. Kaffee“, wie er sich nennt, ist in seinem Element in diesem duftenden Labor in Birlinghoven.

Verkauf erstmal online

Das Labor soll nicht zum Laden werden, zumindest vorerst nicht. Detlef Klees verkauft nur online, das Geschäft sei schon in den ersten vier Wochen gut angelaufen, „allein durch Mund-Propaganda“.

Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es nicht viele Kaffeeröstereien. Ein Familienbetrieb in Troisdorf blickt schon auf eine lange Tradition zurück. Seit einem Jahr bietet ein Geschäft in Hennef an der Frankfurter Straße geröstete Kaffeespezialitäten an.

In Siegburg werden in der Holzgasse exotische Heißgetränke offeriert, das Rohmaterial wird allerdings in Bonn veredelt. Dr. Kaffee aus Sankt Augustin will erst mal kleine Schritte gehen: „Für ein Café braucht man gutes Personal, das mit den Bohnen auch umgehen kann.“ (coh)

Draußen unbefestigte Wege, Garagentore und rostige Gitter; drinnen helles Licht, freundliche Farben. Auf den Regalen stehen Apothekerflaschen in Reih und Glied.

Glänzende Waagen sind unverzichtbare Utensilien, die feinen messen auch den Grammbereich hinterm Komma, wichtig für die Vergleichbarkeit der Proben. Mit den großen kontrolliert er den Einbrand, dessen Grad entscheidend ist für den Geschmack: Durchs Rösten gewinnen die Bohnen zwar Volumen, verlieren aber Gewicht.

So werden aus fünf Kilo Rohmasse in diesem Fall 4242 Gramm. Er tippt auf einen Taschenrechner: „15,2 Prozent, da wollte ich hin.“ In seinem „Röstorium“ veredelt er die Kerne der Kaffeekirsche aus Äthiopien, Guatemala, Kolumbien, Peru oder Papua-Neuguinea und verpackt ausschließlich kleine Mengen für Privatkunden.

Die Bio-Bohnen, die er von einem Hamburger Kaffee-Agenten bezieht, kommen von Kooperativen. Die Pflücker, versichert er, werden fair für ihre Arbeit bezahlt. „Es geht mir um Wertschätzung.“

Das Ergebnis mundete

Seine Gründung liegt im Gourmet-Trend. Kunden, die nicht unbedingt auf den Cent schauen müssen, suchen das Besondere abseits der industriellen Massenprodukte. Kleine, regionale Handwerksbetriebe versprechen mehr Nähe und Individualität, ob beim Gerstensaft (Stichwort Craft Beer), beim Käse oder halt beim Koffeintrank.

Klees, der als junger Mann mal ein Möbelhaus führte und eine Tai-Chi-Schule, der eine Heilpraktiker-Ausbildung absolvierte und zehn Jahre lang in den USA als technischer Leiter einer Feldenkrais-Akademie übers Land fuhr, entwickelte erst spät seine Kaffee-Leidenschaft. Dann aber mit Volldampf.

Bis zu seinem 40. Lebensjahr hatte der Neurodermitiker lieber aufs braune Gebräu verzichtet, zu schlimm waren die Folgen für seine Haut. Dann kam er doch auf den Geschmack, näherte sich dem Genuss aus den getrockneten, gerösteten und gebrühten Kaffeekirschkernen wie ein Wissenschaftler und experimentierte mit Rohbohnen sozusagen am heimischen Herd – mit einer kleinen Röstmaschine, die auf jeden Tisch passt. Das Ergebnis gelang, mundete und beeinträchtigte seine Gesundheit nicht.

Im Internet schnuppern

Das geht auch eine Nummer größer, dachte er sich und begann einen Nebenerwerb in seiner Garage neben seinem Siegburger Wohnhaus. Der Duft brachte aber einen Nachbarn auf den Plan, der die Profi-Röstung stoppte.

„Zuerst dachte ich, typisch deutsch. Aber er hatte bestimmt seine Gründe“, sagt Klees milde. Der Umzug in die ehemalige Autowerkstatt sei eine Chance gewesen, auch wenn die Hürden hoch waren. „Acht Monate brauchte es, bis die Nutzungsänderung genehmigt war, da hätte so mancher aufgegeben.“

Bei der Eröffnungsfeier durften Teilnehmer eines Kaffee-Forums im Internet schnuppern und kosten, genauso wie die Besucher der Messe „Kunst und Gourmäh“ in Menden. Verkauft werden die Spezialitäten nur online. Die Produkte haben ihren Preis.

„Schon ein Kilo der grüngrauen, kleinen Kirsch-Kerne kostet mehr als ein Kilo Kaffee im Supermarkt.“ Dafür gebe es verblüffende Geschmacksvielfalt, sowohl von den Flachland-Plantagen, wo die Pflanzen mehr Koffein zur Schädlingsabwehr produzieren, wie auch aus dem Hochland, wo die Bäume von Hand abgeerntet werden.

Man glaubt, drei verschiedene Sorten zu schmecken

Klees öffnet einen Eimer, die Bohnen glänzen und duften intensiv: „Der Kaffee reift seit zwei Tagen, das Öl ist ausgetreten.“ Jetzt die Geschmacksprobe: Er brüht drei Tassen, mit einer Aero-Handpresse, mit einem Aufguss-Filter und einer Siebträgermaschine.

Das Pulver, frisch gemahlen, hat er zuvor akribisch abgewogen, das Wasser mal auf 80, mal auf 95 Grad erhitzt. Tatsächlich glaubt man, drei verschiedene Sorten zu schmecken. Er strahlt. Dr. Kaffee ist in seinem Element.

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