SiegburgVom Tanzboden in die Semperoper – die Geschichte der Brüder Busch

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Siegburg – Ein Stück Siegburger Einzelhandelsgeschichte ging zu Ende, als Ende März Klaus und Angelika Lahrmann ihr Geschäft für Kurzwaren und Schneidereibedarf an der Johannesstraße schlossen, um sich künftig ausschließlich dem Großhandel zu widmen.

Viele Leser bedauerten den Verlust einer weiteren guten Adresse in der Innenstadt. Hans-Josef Bargon allerdings, Vorsitzender der Chorgemeinschaft Germania, musste angesichts unseres Artikels zur Schließung auch an die Vorgeschichte des Hauses an der Johannesstraße 8 denken: Denn dort gab es schon zuvor ein Geschäft für Strickereibedarf.

1902 zog eine Familie Busch aus Siegen flussabwärts in die Kreisstadt, um zeitweise dort zu leben. Zwei der acht Busch-Kinder, die Brüder Fritz und Adolf, sollten international Karriere machen. Bargon spricht gar von „zwei der berühmtesten Musikern des 20. Jahrhunderts“.

Der 1890 geborene Fritz ging unter anderem als Dirigent nach Dresden, um dort bis 1933 als Generalmusikdirektor an der Semperoper zu wirken.

„Obwohl ihm das Regime Avancen machte, entschied er sich nach der Machtergreifung Nazi-Deutschland den Rücken zu kehren und ins Exil zu gehen“, recherchierte Bargon im Zusammenhang mit der Benennung einer Straße in Kaldauen als „Brüder-Busch-Straße“, die er selbst initiiert hatte.

„Unter diese Menschen passe ich nicht mehr“

In einem Brief an seine Frau habe Fritz geschrieben: „Unter diese Menschen passe ich nicht mehr. Es gibt zu wenige Menschen, denen ich noch die Hand geben möchte. Klug und ehrlich – dann ist man nicht Nazi.“ Im März 1933 hatten ihn SA-Leute bei einer Rigoletto-Aufführung vom Dirigentenpult vertrieben.

Nach dem Krieg gründete er das Opernfestival im englischen Glyndebourne, erst 1951 kehrte er nach Deutschland zurück. Im selben Jahr aber, am 14. September, starb er in Folge eines Herzleidens.

Sein um ein Jahr jüngerer Bruder Adolf machte sich als Violinist einen Namen. Bargon zufolge war er eine „Jahrhundertbegabung“ und gab mit seinem Quartett Konzerte auf der ganzen Welt.

Adolf Busch sprach sich gegen Hitler-Regime aus

„Noch dezidierter als sein Bruder sprach sich Adolf Busch gegen das Hitler-Regime aus“, so Bargon. Zwischen 1933 und 1949 sei er in seinem Geburtsland nicht aufgetreten. Zunächst habe er in der Schweiz gelebt, dann in den Vereinigten Staaten.

Aus der Zeit seines Exils ist die Aussage überliefert, er werde mit Freuden an dem Tag nach Deutschland zurückkehren, an dem „Hitler, Goebbels und Göring öffentlich aufgehängt“ würden. Bargon zufolge war Adolf Busch zeitweise Lehrmeister des großen Geigenvirtuosen Yehudi Menuhin. 1952 starb er in Guilford im US-Staat Vermont, am 9. Juni kaum ein Jahr nach seinem Bruder.

Musik kannten die beiden aus ihrer Familie. Vater Wilhelm Busch war Tischler und Geigenbauer, und eröffnete in Siegen ein Geschäft für Musikinstrumente. Ehefrau Henriette war Näherin und betrieb in Siegen ein Geschäft für Strickereibedarf, das sie in Siegburg wiedereröffnete.

Eine wichtige Rolle beim Broterwerb spielte ein „Familienorchester“, das bei Kirmes- und Stiftungsfesten in und um Siegburg auftrat und sich, wie Fritz Busch in seiner Autobiografie erwähnt, „auch nicht von einem vierstündigen Fußmarsch von einem Auftritt abhalten ließ“.

Solche Feste seien mit das Anstrengendste gewesen, das man sich denken könne. „Während die Bauern mit ihren Mädchen Aufstellung nahmen, spielte man etwa acht Takte eines Tanzes, um danach abzubrechen; dann ging ein Teller herum, in den jeder Kavalier zehn Pfennige zu werfen hatte, weshalb man diese Art Tanzmusik Groschentänze nannte.“

Die Einnahmen hätten sich später der Wirt und sein Vater als Kapellmeister geteilt. 1906 oder 1907 zog die Familie nach Köln, wo Wilhelm Busch eine Musikalienhandlung am Heumarkt führte und die beiden Brüder das Konservatorium besuchten.

In seinem Beitrag für das Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 2015 betont Bargon, dass nicht nur die musikalische Leistung der Brüder Busch gewürdigt werden müsse, sondern auch ihre menschliche Größe – und damit trete man allen nationalistischen und rassenfeindlichen Tendenzen in der Kultur entgegen.

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