Drogen und AlkoholKunden trauen sich nicht mehr ins Troisdorfer Citycenter

Lesezeit 4 Minuten
Geschäftsleute und Kunden des Citycenters klagen über Belästigungen durch Obdachlose und Drogenabhängige.

Geschäftsleute und Kunden des Citycenters klagen über Belästigungen durch Obdachlose und Drogenabhängige.

Troisdorf – Über dem Eingang steht „Trau dich rein“ – doch genau das tun seit geraumer Zeit etliche Kundinnen nicht mehr: Seit sich die Sitzgruppe am Citycenter zum Treffpunkt von Drogensüchtigen und Alkoholabhängigen entwickelt hat, klagen die Geschäftsleute ringsum über massive Probleme.

„Wir haben das an den Zahlen gesehen in diesem Jahr“, berichtet Stefanie van Rossum, Verkäuferin in der Boutique „Trau dich rein.“ Der Umsatz ist gesunken.

„Angepöbelt“

Unterschiedlich viele Menschen versammelten sich tagtäglich vor der Ladentür, schildert van Rossum die Situation; Kundinnen würden „angepöbelt“, lautstark und bisweilen auch gewalttätig würden Streitereien ausgetragen.

Bei Regen sind die Fensterbänke unter den Arkaden besetzt, manchmal stünden dann bis zu 20 Personen dort. „Viele Kunden sagen uns, sie trauten sich nicht mehr an die Schaufenster.“ Und mehr noch: „Wir kommen nicht mehr nach Troisdorf“, hat van Rossum ebenfalls schon gehört. Denn nicht nur die Boutique werde regelmäßig bestohlen, sondern auch Passanten.

„Das ist eine Gefahr für uns“, verhehlt Stefanie van Rossum auch nicht, dass sie sich manchmal fürchtet. „Ich drehe mich dreimal um, wenn ich abends hier rausgehe, ob mir jemand folgt.“ Präsenz zeige das Ordnungsamt schon, hat sie beobachtet, „die schicken sie weg“. Doch wenig später wiederhole sich das Spiel.

„Geschäftsschädigend ohne Ende“

Apotheker Lothar Kürten bestätigt die Beobachtungen der Nachbarin. Seit etwa einem Jahr, so seine Erinnerung, habe die Zahl der Süchtigen vor der Ladentür „wahnsinnig“ zugenommen. „Tut mir leid, aber ich komme nicht mehr hierher“, zitiert er ältere Kunden, die er verloren hat. „Geschäftsschädigend ohne Ende“ sei die Situation, auch er fühle sich in den Treppenhäusern nicht sicher.

Abgesehen davon, dass diese trotz vorhandener Toilette immer wieder verunreinigt würden. „Den Geruch kriegen Sie nicht mehr raus“, obwohl täglich Reinigungspersonal im Einsatz ist. „In der letzten Zeit bemüht sich das Ordnungsamt“, sagt Kürten. „Was aber nicht heißt, dass die Leute dann weg sind.“

Probleme gibt es jeden Morgen

Jeden Tag gebe es Probleme, klagt nebenan Rewe-Inhaber Ahmad-Shah Hessami. „Wie die Heuschrecken“ verteilten sich bisweilen die ungebetenen Gäste im Laden, es werde viel gestohlen, es gab Schlägereien im Geschäft; Aggression und Handgreiflichkeiten dem Personal gegenüber seien an der Tagesordnung.

„Sie sind ja angetrunken oder unter Drogen“, Hessami selbst wurde schon mit dem Messer bedroht. 25 Beschäftigte hat Hessami, „viele sind schon in andere Märkte gegangen, weil sie Angst haben.“ Die Öffnungszeiten – bei Rewe üblicherweise bis 22 Uhr – hat er reduziert „auch aus Sicherheitsgründen.“

Seit Jahren kenne er die Probleme, so Hessami, der 2012 seinen Markt im Citycenter eröffnete. Es sei aber zuletzt „extrem geworden“. Bei der Stadt habe er zunächst kein Gehör gefunden, klagt der Geschäftsmann.

„Meine Wahrnehmung sei falsch“, zitiert Hessami aus einem von Bürgermeister Klaus-Werner Jablonski unterschriebenen Brief. „So schlimm sei das gar nicht.“ Immerhin liege inzwischen ein Terminvorschlag auf dem Tisch, ein gemeinsames Gespräch mit Geschäftsleuten, Stadt und Polizei zu führen.

Hessami hat schon über Konsequenzen nachgedacht. „Wir haben überlegt, dass wir aus dem Standort rausgehen, wenn die Stadt nichts tut.“ Allein bliebe er mit diesem Schritt wohl nicht: „Ich bin seit mehr als 30 Jahren hier, aber wenn Rewe geht, dann bin ich dabei“, kündigte Apotheker Lothar Kürten an.

Lautstärke allein reicht nicht für einen Platzverweis

„Selbstverständlich ist das Thema auch bei uns angekommen“, sagte Troisdorfs Beigeordneter Horst Wende. „Deutlich häufiger“ sei Ordnungspersonal in der Fußgängerzone unterwegs.

Aber: „Wir können unliebsames Klientel nicht einfach entfernen“, wer nur lautstark diskutiere, verstoße nicht gegen Recht und Gesetz. Gleichwohl bittet der Beigeordnete um Meldungen ins Rathaus. „Anrufe auf die 900-333 werden auf Handys weitergeschaltet“, so Wende. Das Ordnungsamt könne Platzverweise aussprechen, Alkohol auch konfiszieren.

Nicht zuletzt dafür wird es wohl auch mehr Personal im Ordnungsdienst der Stadt geben: Einstimmig hat der Hauptausschuss empfohlen, zum 1. Mai 2018 zusätzliche vier Vollzeitstellen einzurichten, der Rat muss am 26. September noch zustimmen. Dann, so Wende, „werden wir da noch häufiger präsent sein.“

Aber auch fachlich wolle sich die Stadt des Problems annehmen: „Wir werden mit der Diakonie sprechen, inwieweit sie – gegen Bezahlung – noch Sozialarbeiterstunden aufbringen kann.“ Die Suchthilfe der Diakonie betreut mit einem Streetworker das Projekt Kuttgasse, einen Aufenthaltsort für Süchtige am Steinhof. (dk)

Streetworker im Einsatz

„Die Kuttgasse hat viele Menschen aus der Stadt abgezogen“, sagt auf Anfrage Jürgen Graff, der stellvertretende Leiter der Diakonie Suchthilfe: Seit Juni 2015 gibt es dort einen Platz, an dem Abhängige sich aufhalten können.

Oft mehr als 20 Personen seien da mitunter anzutreffen, berichtet Graff, doch sei es ja „eine freie Entscheidung, wo die Menschen hingehen“. Auf dem Platz – wo die Stadt demnächst ein zweites Regendach installieren wird – wie in der Fußgängerzone aber sind die Abhängigen nicht sich selbst überlassen.

Diakonie-Streetworker Viktor Berglesow dreht regelmäßig seine Runden; „immer auch durch die Stadt“, wie Graff betont. „Wir gehen auf die Menschen zu“, versuchen, „sie zu anderen Angeboten zu bringen.“ (dk)

Rundschau abonnieren