Ungeprüfte RisikenSorge um Giftmüll unter der Leverkusener Brücke

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Pfeiler der neuen Leverkusener Rheinbrücke der A 1 werden in der ehemaligen Deponie Dhünnaue gründen. 

Pfeiler der neuen Leverkusener Rheinbrücke der A 1 werden in der ehemaligen Deponie Dhünnaue gründen. 

Leverkusen/Düsseldorf – Naturschützer machen gegen den Neubau der maroden Leverkusener A1-Rheinbrücke mobil. Das momentan wichtigste Autobahn-Projekt des landeseigenen Straßenbaubetriebs „Straßen NRW“, Kosten rund 740 Millionen Euro, soll ab 2017 zu Teilen auf der Giftmülldeponie „Dhünnaue“ errichtet werden.

Dadurch entstünden nach Einschätzung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) bislang ungeprüfte Risiken. BUND-Landeschef Holger Sticht warf den Landesplanern vor, keine ausreichende Gefahrenanalyse vorgenommen zu haben.

Bauen auf Altlasten

„Niemand weiß, was genau dort lagert. Es könnten Stoffe sein, die bei ihrer Freisetzung eine Gefahr für die Anwohner oder auch das Grundwasser bedeuten“, erklärte Sticht. Jahrzehntelang hatten die Bayer AG und die Stadt Leverkusen bis Mitte der 1960er Jahre in der „Dhünnaue“ Altlasten deponiert. Sticht befürchtet, dass bei den Einbohrungen für die Brückenpfeiler oder durch die ständigen Schwingungen, wenn der Verkehr später läuft, giftige Stoffe freigesetzt werden könnten.

NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) wies die Vorwürfe zurück: „Sämtliche in Betracht kommende Trassenvarianten sind hinreichend überprüft worden.“ Mit Probebohrungen sei der Baugrund der neuen A1-Brücke intensiv auf Gefahren abgeklopft worden. Alle Planungsschritte seien von den Behörden offen kommuniziert worden.

Dem widerspricht der BUND. „Von den Untersuchungen, die 2015 durchgeführt wurden, kennen wir die Ergebnisse nicht“, kritisierte Landeschef Sticht. Ob die Probebohrungen tief und zahlreich genug gewesen seien, wisse man nicht. Sticht bemängelte zudem, dass nicht genügend Alternativen geprüft worden seien. Etwa der Plan, komplett um die Deponie herum zu bauen.

Das Land dagegen hält den geforderten Abstand zur „Dhünnaue“ für unrealistisch. „Die leichte Verlagerung nach Norden ist die Variante, die am wenigsten in die Deponie eingreift“, erklärte ein Sprecher von „Straßen NRW“. Eine komplett neue Streckenführung oder eine Tunnel-Lösung seien wegen der Kosten, des Zeitfaktors und der Anbindungen nicht machbar.

Risiken angeblich kalkulierbar

Die geologische Beraterin des Landes, Ingrid Obernosterer vom Geotechnischen Büro Düllmann aus Aachen, hält die Risiken ebenfalls für kalkulierbar. Man wisse seit den 1980er Jahren, was auf der Deponie lagere, so Obernosterer. Das Risiko-Material mache nur einen kleinen Anteil aus. Auf Grundlage früherer Erkenntnisse sei ein Untersuchungsprogramm aufgesetzt worden, um Wissenslücken zu schließen. „Dazu haben wir 150 Bohrungen vorgenommen, bis zu 40 Meter tief“, sagte Obernosterer. Tiefer als später gebaut werde.

Laut der Expertin ergebe sich allenfalls ein Risiko beim Verladen und Abtransport belasteten Materials. Dafür seien jedoch Vorkehrungen getroffen. „Wir werden eine Einhausung über die Baustelle setzten, die hermetisch abgeriegelt ist“, stellte Obernosterer klar. Die Lastwagen würden vor der Weiterfahrt gesäubert. Gefahren nach Fertigstellung der Brücke sieht die Expertin nicht: „Stoffe, die durch Schwingungen freigesetzt werden, haben wir nicht gefunden.“

Entsorgung wird noch ausgeschrieben

150 Erkundungsbohrungen hat Straßen.NRW bisher im Bereich der Dhünnaue für die Gründung der neuen Autobahnbrücke vornehmen lassen und 120 Tonnen Aushub in geschlossenen Containern zur Deponie Bürrig transportiert, analysiert und entsorgt.

Insgesamt rechnet Straßen.NRW mit rund 250 000 Kubikmeter Aushub, aber nur 88 000 Kubikmeter davon seien verunreinigt. Die Kosten der Deponierung beziehungsweise Verbrennung werden auf 20 Millionen Euro geschätzt.

Wer die Entsorgung des belasteten Erdreichs übernehmen wird, muss laut Straßen.NRW in einem separaten Ausschreibungsverfahren entschieden werden. 

Die Deponie Dhünnaue

Auf der rund 25 Hektar großen ehemaligen Werksdeponie von Bayer wurden von 1923 bis Ende der 40er Jahre drei Millionen Tonnen Material abgelagert: 77 Prozent Bauschutt, 13 Prozent Hausmüll und etwa zehn Prozent chemische Abfälle.

In den 50er Jahren entstand auf der Halde eine Plattenbausiedlung, die 1993 wieder abgerissen wurde, um die Deponie zu sichern.

1995 wurde mit dem Bau der Abdichtung begonnen. Dazu wurde eine 3,6 Kilometer lange und 40 Meter tiefe Sperrwand zum Rhein als Grundwasserbarriere erbaut. Kosten rund 110 Millionen Euro. 2005 fand auf dem Gelände die Landesgartenschau statt. (kmü)

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