Roger WillemsenSpiel mit dem kollektiven Igitt-Gefühl

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Kein einziges Mal nahm Roger Willemsen sein Buch zur Hand, sondern fabulierte frei und druckreif über seine Reisen. (Foto: Böschemeyer)

Kein einziges Mal nahm Roger Willemsen sein Buch zur Hand, sondern fabulierte frei und druckreif über seine Reisen. (Foto: Böschemeyer)

SIEGBURG – Leichtfüßig marschierte Roger Willemsen durch die Welt. In Worten jedenfalls, im Siegburger Stadtmuseum. Vom Ort seiner Kindheit Oedekoven bei Alfter, den Optimisten – wozu Willemsen wenigstens in diesem Punkt nicht zählt – als „Rheinische Toskana“ bezeichnen, über Tonga und Timbuktu bis zum Nordpol. Als hätte er nicht ein einziges Mal Luft holen müssen, reihte er Satz um Satz seines Reiseberichts aneinander wie einen Riesenbandwurm, dessen Glieder er mit dem Wörtchen „und“ munter verband. Den Zuhörern im ausverkauften Haus nahm er damit schier den Atem; zum Luft holen kamen sie in den Lachpausen, die sich häufig ergaben. Nicht, weil das, was der Reisende bis an „Die Enden der Welt“ erlebt hat, immer so lustig gewesen wäre. Sondern weil Willemsen die Verhältnisse so wunderbar plastisch schildert.

Vor den Augen der Zuhörer erscheint da das Büro des deutschen Botschafters in Kabul, der dort mit einer „malvenfarbigen Föhnfrisur“ residiert und dessen Büro so gut geheizt war, dass „man innerlich an Kontur verliert“. Dort nahm er in Sesseln Platz, die so weich waren, „als wollten sie einen von unten anfassen“.

Gerne spielte Willemsen ein wenig mit dem Ekelfaktor, beschwor ein kollektives „Igitt“-Gefühl bei der minutenlangen Beschreibung seines afghanischen Hotel-Teppichbodens mit einer reichhaltigen Biosphäre in den Tiefen des Flokatigeflechtes.

Und befreite kurz danach bei einem Stopp in Minsk eine warzenbedeckte Gewürzgurke aus ihrem „Milieu“, in dem sie sich auch schon fleischig aufgelöst hatte.

Nicht ein einzige Mal während der mehr als einstündigen „Lesung“ im Stadtmuseum nahm Roger Willemsen sein Buch zur Hand, stets sprach er von der Leber weg und dennoch druckreif. Wie er auch bei der Beantwortung der Publikumsfragen große Schlagfertigkeit bewies: Ob Willemsen nach all den Reisen in Oedekoven immer noch seine Heimat ansiedele, fragte etwa eine Zuhörerin. Der konterte im astreinen „Fürjebirchsplatt“: „Für mich ist die rheinische Sprache schon Heimat“.

„Die Enden der Welt“ ist im Fischer-Verlag erschienen (10,99 Euro).

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