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TrainerlegendeSepp Herberger wäre heute 120 Jahre alt geworden

Lesezeit 3 Minuten
Herberger winkt

Bundestrainer Sepp Herberger (M) grüsst die Fans: Begeisterter Empfang für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am 05.07.1954 in Singen am Hohentwiel.

 Verborgen im einstigen Wohnhaus von Trainer-Legende Sepp Herberger steht eine historische Kellerwand, die einmalig sein dürfte in der deutschen Fußballgeschichte. Direkt auf den groben weißen Putz geschrieben, prangen dort die Unterschriften der Helden von Bern. Fritz Walter, Helmut Rahn, Hans Schäfer und andere Weltmeister von 1954: Im schummrigen Licht im Souterrain sind die Namen klar erkennbar. Hinterlassen haben die Spieler die Autogramme bei einem ihrer vielen Besuche im badischen Weinheim. Hier wird Herbergers 120. Geburtstag an diesem Dienstag besonders gewürdigt.

Die spektakuläre Wand ist Teil einer Kellerbar, in der seit Herbergers Tod 1977 wenig verändert wurde. Tisch und Eckbank wirken, als könne der legendäre Coach jeden Moment hereinkommen. "Hier haben sich die Herren ab und zu getroffen und dabei vermutlich nicht nur die Taktik besprochen", sagt Rüdiger Zerweck, der Hüter des Schatzes, augenzwinkernd. Hans Schäfer und Horst Eckel, die letzten noch lebenden Weltmeister von 1954, können sicher mehr erzählen.

Der Weinheimer Zerweck hat das Haus 1996 gekauft, sieben Jahre nach dem Tod von Herbergers Witwe Ev. Der weiße Bau steckte damals voller Erinnerungsstücke. "Vieles hat der DFB mitgenommen. Aber als ich den Keller sah, war klar: Hier darf nichts wegkommen", sagt der 68-Jährige. Dabei sei er kein großer Fußballfan.

Das Andenken ist allgegenwärtig

Historiker betonen, der 3:2-Endspiel-Sieg gegen Ungarn habe dem vom Krieg geschlagenen Land neues Selbstwertgefühl gegeben und erste Anerkennung verschafft. Sie beschreiben Herberger als Vaterfigur, als "Konrad Adenauer des Fußballs". Für andere ist das zu hoch gegriffen. Doch nicht nur die Kellerbar ist ein Original. An der schmiedeeisernen Gartentür erinnern die Initialen SH an den berühmten Vorbesitzer.

Überhaupt ist im Weinheimer Ortsteil Hohensachsen das Gedenken an den im nahen Mannheim-Waldhof geborenen Trainer lebendig. Es gibt eine Sepp-Herberger-Schule, ein Sepp-Herberger-Stadion, und das ehemalige Wohnhaus steht in der Sepp-Herberger-Straße, die zum Friedhof führt. Hier liegt gleich am Eingang die letzte Ruhestätte. "Seppl Herberger" steht schräg auf einer schwarzen Marmortafel.

Ursprünglich wohnten die Herbergers in Berlin. Ehefrau Eva floh jedoch im Zweiten Weltkrieg vor zunehmenden Bombenangriffen zu ihren Eltern nach Weinheim. Herberger, damals Truppenbetreuer im besetzten Norwegen, zog nach. "Als die Herbergers später ihr Haus gebaut haben, war es lange das einzige auf der Anhöhe", erzählt Zerweck.

Ein Mann aus dem Volk

Im nahen Mannheim sitzt der Urgroßneffe des Weltmeistertrainers. Michael Herberger wurde 1971 geboren - haben sich die Wege je gekreuzt? "Meinem Opa zufolge saß ich irgendwann auf Sepp Herbergers Schoß, aber ohne Hypnose werde ich mich nicht daran erinnern", erzählt der Musiker. Seine Urgroßtante Eva habe er jedoch regelmäßig besucht. "Weil ich brav war, durfte ich auch mal die Kopie des WM-Pokals in die Hand nehmen", sagt Michael Herberger.

"Das Entscheidende war: Herberger war ein Mann aus dem Volk", meinte der Mannheimer Sepp-Experte Karl-Heinz Schwarz-Pich einmal. Der Trainer sei regelmäßig von Hohensachsen ins 15 Kilometer entfernte Mannheim gefahren und habe sich in seinem Geburtsort Waldhof unters Volk gemischt.

In der Industriestadt am Rhein erinnert die Sepp-Herberger-Stiftung an diesem Dienstag mit einer Gala an den 120. Geburtstag. In der Rosengarten-Halle werden Ehrenspielführer Uwe Seeler und Trainer Otto Rehhagel erwartet. Bereits am Sonntag eröffneten Weltmeister Eckel und Rehhagel im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund die Sonderausstellung "Herbergers Welt der Bücher - Die unbekannten Seiten der Trainer-Legende". Zu der Gala am Dienstag will auch Rüdiger Zerweck kommen. Obwohl er in seinem Haus in Hohensachsen wohl Herberger so nahe sein kann wie an kaum einem anderen Ort. (dpa)

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