Neue Handball-RegelnAuf dem Weg zur anderen Sportart

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(v.l.) Maik Thiele (TV Strombach/Oberliga)

(v.l.) Maik Thiele (TV Strombach/Oberliga)

Oberberg – Seit den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro steht das Thema „Siebter Feldspieler“ im Fokus der Handballöffentlichkeit. Die dadurch mögliche permanente Überzahl könnte den Sport grundlegend verändern.

Regeländerung

Seit dem 1. Juli gelten die neuen Handball-Regeln auf allen Ebenen, von der Champions League bis in die Kreisklasse. Während vor der Einführung besonders die Neuerungen beim Passiven Spiel und in Bezug auf Fouls in den letzten 30 Spielsekunden für Diskussionen sorgten, rückt seit den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro in erster Linie der siebte Feldspieler in den Fokus der Öffentlichkeit.

Jeder Mannschaft ist es nun gestattet, den eigenen Torhüter gegen einen siebten, unmarkierten Feldspieler auszuwechseln und so in Überzahl im Angriff zu agieren. Bislang durfte nur ein als Torhüter markierter Spieler eingewechselt werden. Ein simpler Grund, das zu ändern, war, dass , dass man eine professionellere Darstellung erreichen wolle. Die sei durch das zerschnittene Torhüterleibchen nicht gegeben gewesen, sagt Heiner Brand. (ore)

„Bei Olympia haben ja einige Mannschaften, unter anderem die deutsche, voll daraufgesetzt“, erklärt der Gummersbacher Heiner Brand. Der langjährige Handballbundestrainer war als Beobachter in Rio und hat festgestellt: „Das ist eine kritische Situation für den Handball. Er ist auf dem Weg, eine andere Sportart zu werden.“

Bislang sei es darum gegangen durch kluge Auslösehandlungen oder gutes Kleingruppenspiel, Lösungen im Spiel Sechs gegen Sechs zu finden. „Jetzt ist es ein reines Entscheidungstraining“, meint Brand über die permanente Überzahlsituation Sieben gegen Sechs.

„Individuelle Fähigkeiten und Kreativität werden so nicht gefordert und gefördert.“ Das sieht mit Maik Thiele ein oberbergischer Amateur-Handball-Trainer ähnlich. Der Coach von Oberligist TV Strombach schränkt allerdings auch ein: „Man benötigt das richtige Spielermaterial.“ Schnelle und kluge Spieler, die gut antizipieren und Situationen erkennen könnten, seien für solche Situationen am besten geeignet, so Thiele.

Emir Kurtagic (VfL Gummersbach )

Emir Kurtagic (VfL Gummersbach )

„Wenn man es clever spielt, ist es ein probates taktisches Mittel. Es birgt natürlich die Gefahr, dass bei technischen Fehlern lange Würfe zu Gegentoren führen können.“

Die Folge davon sei, dass das Spiel langsamer werde, um Fehler möglichst zu reduzieren, meint Bundesliga-Trainer Emir Kurtagic vom VfL Gummersbach. „Es ist ein ganz anderer Handball, ein Handball ohne Fehler.“

Eine weitere Konsequenz, die Brand und Thiele benennen, betrifft die Einschränkung der Abwehrarbeit. Durch den Einsatz eines siebten Feldspielers könne man die gegnerische Deckung in die Defensive zwingen. Offensive, flexible Systeme wie 3:2:1 oder 3:3 würden verhindert.

Heiner Brand

Heiner Brand

„Es wird mehr auf das Blocken und seitliche Verschieben ankommen“, erklärt Brand. „Spielern, die eine gute Ausbildung haben und die 3:2:1-Abwehr gut spielen können, nimmt man so ein taktisches Mittel“, meint auch Maik Thiele.

Außerdem kritisieren alle Trainer, dass die Zeitstrafen an Bedeutung verlören. „Die zwei Minuten sind nicht mehr eine Bestrafung“, so Heiner Brand. In Unterzahl müsse die Mannschaft nur noch beim Ballbesitz des Gegners agieren, im eigenen Angriff könne Sechs gegen Sechs gespielt werden. Dass dadurch aber härter gespielt wird, und Strafen billigend in Kauf genommen werden, haben die Handballtrainer noch nicht ausgemacht.

Das Spiel wird verfälscht

„Es ist keine gute Regeländerung“, sagt Maik Thiele. „Das Spiel wird verfälscht.“ Solange die Regel aber bestehe, müsse er sich damit arrangieren und, zum Wohle des eigenen Spiels, auch nutzen, so der Oberliga-Coach pragmatisch.

Das sieht auch Emir Kurtagic so, der allerdings beobachtet hat, dass die neue Regel in der Bundesliga wenig angewendet wird. „Es kommt bis jetzt nicht mehr vor, als letztes Jahr die Variante mit Leibchen“, so der VfL-Trainer.

„Bei Schwierigkeiten haben es manche Mannschaften vereinzelt probiert.“ Er selbst habe es im Training auch einstudiert, bislang aber noch nicht anwenden müssen. „Das Spiel Sechs gegen Sechs muss weiterhin unser Ziel sein“, sagt Emir Kurtagic und lehnt die neue Regelung ab.

Für Heiner Heiner Brand, der keine Mannschaft mehr im täglichen Geschäft sportlich betreut, gibt es kein Vertun: „Die Regel ist so schnell wie möglich zu ändern. Wir haben ja eigentlich eine attraktive Sportart.“ Er kann sich nicht vorstellen, dass der Zuschauer Würfe ins leere Tor sehen möchte. „Handball ist ein Spiel Sechs gegen Sechs“, unterstreichen alle drei Trainer.

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Mit den Rhein-Neckar Löwen kommt am Mittwoch, 5. Oktober, der amtierende Deutsche Meister in die Schwalbe-Arena und trifft dort auf den VfL Gummersbach. Die Oberbergische Volkszeitung verlost 5 x 2 Karten für die Partie.

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