Spürnase für Talente

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Kurt Hübner ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

Kurt Hübner ist im Alter von 90 Jahren gestorben.

BERLIN. Seine Schüler und „Bühnenkinder“ sind alle große Theaterstars geworden, aber was wären sie ohne Kurt Hübner. „Kein Mensch hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr für das deutschsprachige Theater bewirkt als Kurt Hübner“, sagte sein Schüler Peter Zadek neidlos und voller Respekt über Hübner, der im Alter von 90 Jahren in München gestorben ist.

Hübner gehörte zu den bedeutendsten Intendanten des deutschen Nachkriegstheaters, der dem hoffnungsvollen Regie- und Schauspielernachwuchs das Podium zur Entfaltung bot. Am Bremer Theater, das Hübner von 1962 bis 1973 leitete, hätten sich fast alle getroffen, „die das deutsche Nachkriegstheater erfunden haben“. Das meint der heute 81-jährige Zadek über seine Anfänge mit Hübner in Ulm und Bremen in dem von (dem kürzlich gestorbenen) Dietmar N. Schmidt herausgegebenen Widmungsbuch (Henschel) vieler Kollegen zum 90. Geburtstag Hübners.

Hübner hat als „General des deutschen Theaters“ mehr im Hintergrund gewirkt und dabei nie die öffentliche Strahlkraft entwickeln können, wie er sie seinen „Geschöpfen“ später neidlos gönnte. Und doch hat Hübner in den Jahrzehnten von 1960 bis 1990 als „Rattenfänger für Talente“, wie ihn der Kritiker Friedrich Luft nannte, die deutsche Theaterlandschaft geprägt wie nur wenige.

So ging aus Hübners Zeit als Generalintendant in Bremen, wo er den Freiraum für ein junges, rebellisches und auch heftig umstrittenes Theater schuf, unter anderem Peter Stein mit dem Kern des späteren Berliner Schaubühnen-Ensembles hervor: darunter waren Bruno Ganz, Edith Clever und Jutta Lampe, aber auch Rainer Werner Fassbinder und seine Truppe mit Margit Carstensen.

Er verdanke Hübner sehr viel, sagt Ganz heute, der in Bremen mit seinem „Tasso“ Furore machte. Und Hans Neuenfels erinnert sich an die „kreative Atmosphäre“ in Bremen, in der Hübner „als Striese, als Verliebter, als Entdecker, als Wüterich oder auch als geduldiger Zuhörer“ aufgetreten sei. Später wird Hübner einmal sagen: „Die Talente wachsen immer. Man muss sie nur finden.“

Der spätere Bremer Intendant Klaus Pierwoß (bis 2007) nannte Hübner „die große Spürnase“. Er habe dem Bremer Theater eine Strahlkraft verschafft, die unvergleichlich gewesen sei. Mit seinen Intendantenzeiten in Ulm, Bremen und Berlin habe Hübner eines der wichtigsten Kapitel des europäischen Theaters geschrieben. Vielleicht war Hübners Stil einfach nur, der „Ermöglicher“ zu sein, der junge Talente zur Leidenschaft für das Theater motivieren konnte. Er verhalf dem Theater in der Bundesrepublik zu einer gesellschaftspolitischen Rolle, die es später nicht mehr spielen sollte.

Von 1973 bis 1986 leitete er die Freie Volksbühne Berlin, deren Ehrenmitglied er später wurde, mit wechselndem Geschick - glanzvolle Gastspiele und Inszenierungen wie Zadeks „Ghetto“ (mit Ulrich Tukur), Rudolf Noeltes „Ratten“ (mit Will Quadflieg) und Grübers eigenwillige „Faust“-Version mit Bernhard Minetti standen so manchem Flop gegenüber. Hübner arbeitete später noch als freier Regisseur und Schauspieler.

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