VerstorbenDas Genie am Saxofon

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Es war so wie bei Schiller und Goethe in den ersten Jahrzehnten: Sie wollten zusammen nicht finden. In Köln lebten in den letzten Jahren zwei Riesen des amerikanischen Jazz, Legenden der Big Band Ära und weise Mentoren für Generationen von Musikern aus aller Welt. Charlie Mariano übernahm 1953 den Platz des Altsaxofonisten Lee Konitz im berühmten Stan Kenton Orchestra: Schon damals gaben sie sich die Klinke in die Hand, es gab keine Berührungspunkte.

Und auch in den vielen Jahrzehnten, in denen die beiden Saxofonisten die europäische Szene belebten und in Europa zu Stars wurden, haben sie keine erwähnenswerten Gemeinsamkeiten entdeckt. Die Chance ist jetzt vertan. Der Ältere, Charlie Mariano, ist gestern im Hospiz in Köln im Alter von 85 Jahren verstorben. Seit Jahren litt Mariano an Krebs. Aber er wehrte sich stark dagegen, trat bis vor wenigen Monaten immer noch auf und schenkte meist an junge Kollegen die Chance, mit einem Altmeister des Jazz gespielt zu haben - eine wichtige Erfahrung für aufstrebende Musiker, eine gute Empfehlung für die Vita.

Ein Saxofon ist keine Kirmes-Tröte, und der Spieler muss eine schön gestützte Luftsäule unter den Ton bringen, damit das Instrument singt. Das schaffte Mariano noch im hohen Alter, er blieb bis zuletzt ein ernst zu nehmender vollwertiger Musiker, mit lyrischen Visionen in seinen Improvisationen, mit seinen Ideen zur Weltmusik und mit seinen indischen und asiatischen Erfahrungen. Seine frühen Exkursionen sicherten auch sein persönliches Glück.

Als er 1958 die Pianistin Toshiko Akiyoshi ehelichte - aus dieser Ehe stammt die Tochter Monday Michuri, eine sehr erfolgreiche Sängerin in den Staaten -, lebte er für Jahre in Japan, wo er mit seiner Ehefrau eine Band gründete.

Immer wieder kehrte er in die USA zurück, um in Berklee zu unterrichten - hier hatte er selbst seinen ersten professionellen Unterricht erhalten. 1967 erfand er die Gruppe „Osmosis“, eine Jazz-Rock-Formation. Schon in den frühen Siebzigern landete er in Europa und spielte hier mit den Heroen der europäischen Jazzszene.

Er war 1975 Gründungsmitglied im „United Jazz und Rock Ensemble“, er tourte mit Jasper van"t Hof, Aldo Romano oder Eberhard Weber. Immer brachte er auch seine ethnologischen Studien in die Musik ein, er spielte das Nagaswaram, ein oboenartiges Holzblasinstrument. Namen wie Rabih Abou-Khalil oder Dino Saluzzi stehen für die stilistische Bandbreite, die Mariano mühelos genial bedienen konnte. Aber auch Konstantin Wecker krönte seine Balladen gern mit einem Solo des Saxofonisten Charlie Mariano. Dieser lebte die letzten Jahre keineswegs zurückgezogen, sondern er spielte wirklich gerne, wenn es nur ging, auch mit den Kölner Musikern. Seit gestern schweigt dieser sanfte, weise Musiker - ein großer Verlust nicht nur für Köln.

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