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Versunkenes Atlantis doch bei Helgoland?

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War Atlantis eigentlich Troja? Oder doch Knossos auf der griechischen Insel Kreta? Mit viel Phantasie mag man auch Jules Verne zustimmen und seiner Vision einer Stadt 2000 Meilen unter dem Meer. Vielleicht war aber alles auch ganz anders.

Eine weitere Variante bringt der Mindener Sprachwissenschaftler Hans-Wilhelm Rathjen ins Spiel. Seine 35-jährigen Recherchen haben ergeben, dass das sagenhafte Inselreich Atlantis das heutige Westeuropa war. Die umstrittene Frage nach dem Zentrum des Völkerbundes beantwortet er eindeutig: Die Reste der Königsinsel der damaligen Weltmacht seien bis heute in Gestalt der Insel Helgoland erhalten. Seit Jahrhunderten beflügelt der Mythos der Stadt Atlantis, die irgendwo versunken auf dem Meeresboden liegen soll, die Phantasie der Menschen. Angeheizt hat die Legendenmaschine der griechische Philosoph Platon, der in den Dialogen „Kritias“ und „Timaios“ die einzigen erhaltenen Hinweise auf Atlantis liefert (siehe Kasten).

Helgoland also. Mit dieser Annahme stützt Rathjen die vor rund 50 Jahren aufgestellte Helgoland-These des holsteinischen Pfarrers und Atlantis-Experten Jürgen Spanuth. Das Kernkönigreich soll Dänemark, Schleswig-Holstein, Nordniedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern umfasst haben. Teile der fruchtbaren Ebenen, erklärt der 76-Jährige, seien um das Jahr 1200 vor Christus nach dem Einschlag des Planetoiden Phaeton im Wattenmeer versunken. Andere Experten hingegen beäugen Rathjens Ausführungen eher argwöhnisch Seine Behauptungen seien ausgesprochen wackelig und anfechtbar, weil sie sich im wesentlichen auf zwei Aspekte in Platons Texten beziehen: Das „Wundermaterial“, das der Bernstein sein soll, und die Darstellung von Eindringlingen aus dem Norden - von Vertretern der Helgoland-Hypothese als Wikinger identifiziert.

Platon schwärmte von einem Inselparadies, das reich an Bodenschätzen und üppigen Gärten war und irgendwo im Atlantik lag. Eigentlich beschützte Poseidon, der Gott des Meeres, den Archipel, doch die Bewohner wandten sich anderen Göttern zu, woraufhin Poseidon die Katastrophe einleitete, die Atlantis im Meer versinken ließ. Nach Rathjens Vision erstreckte sich Atlantis von Cadiz im südlichen Spanien bis zum Nordkap. Es hatte etwa 4,5 Millionen Einwohner und ging nach etwa 2000 Jahren durch eine Naturkatastrophe unter. 1627 vor Christi Geburt habe der Vulkanausbruch von Santorin eine dramatische Klimaverschlechterung ausgelöst, sagt er. Die Völker des Nordwestens seien daher und wegen Übervölkerung bis Kleinasien und Palästina gezogen - teilweise bis vor die Tore Ägyptens. Zentrum von Atlantis war für Rathjen die Königsinsel Basileia in der Nordsee, die Anschluss an den Felsen von Helgoland gehabt hätte. Die Beweislage sei jedoch schwierig, räumt er ein.

Bisher hoch im Kurs bei den Spekulationen stand die griechische Insel Santorin als Atlantis. Dort ereignete sich von rund 3500 Jahren der oben genannte Vulkanausbruch, der nicht nur die südlichste Kykladen-Insel in Schutt und Asche legte. Gewaltige Flutwellen zerstörten zahlreiche Hafenstädte. Zudem fanden Archäologen auf Santorin bei Ausgrabungen Schätze, wie sie Platon beschrieben hatte.

Problematisch sehen es Insider, dass die meisten selbst ernannten Atlantis-Forscher zwar größte Sorgfalt darauf verwenden, andere Thesen auszuschließen. Die eigenen Darstellungen müssen dann aber nicht mehr so schlüssig sein. An Universitäten wird Atlantis kaum erforscht. Als weitgehender Konsens bei den meisten Fachleuten hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei Atlantis um eine Legende handelt, die man keinesfalls als Realität nehmen sollte. Doch das wird der Phantasie auch künftig keine Grenzen setzen. (dpa / ani)

Hans-Wilhelm Rathjen: „Atlantis war Westeuropa. Die Einheit Westeuropas zur Bronzezeit“, Göttert-Verlag, 526 Seiten, 28 Euro.

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