ArbeitsrechtÜberstunden - wann ist das Maß voll?

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Überstunden-Bremse: Bis zu zehn Arbeitsstunden pro Tag sind laut Gesetz insgesamt erlaubt.

Überstunden-Bremse: Bis zu zehn Arbeitsstunden pro Tag sind laut Gesetz insgesamt erlaubt.

Schon seit einer Stunde ist Feierabend - aber auf der Baustelle wird noch fleißig gehämmert und geschraubt. Überstunden werden gekloppt, und das nicht zu knapp. Rund zwölf Stunden pro Monat ackern Deutsche im Schnitt mehr, als sie müssten. Das zeigt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).

Eigentlich dürfen Beschäftigte an Werktagen nicht über acht Stunden arbeiten, so sieht es das Arbeitszeitgesetz vor. Aber was, wenn zum Beispiel ein Projekt nicht fristgerecht fertig wird? - Grundsätzlich darf der Chef Überstunden anordnen, wenn der betriebliche Ablauf es erfordert. „Allerdings muss die Mehrarbeit für den Arbeitnehmer zumutbar sein“, sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Wer etwa seine Kinder betreuen muss, darf nicht zu Überstunden gezwungen werden. „Es handelt sich dabei um eine Interessensabwägung“, sagt Perreng.

Bis zu zehn Arbeitsstunden pro Tag sind laut Gesetz insgesamt erlaubt - „wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden“. Auch der Samstag gilt als Werktag, deshalb kommt man auf höchstens 60 Wochenarbeitsstunden. Ausnahmen regelt ein Tarifvertrag.

Vertrag regelt die Einzelheiten

Doch was kriegt man für die Mehrarbeit, die langfristig sogar krank machen kann? In der Regel haben Mitarbeiter einen Anspruch auf Freizeitausgleich. „Dieser verjährt nach drei Jahren, aber es gibt auch kürzere Ausschlussfristen. Hier lohnt sich ein Blick in den Vertrag“, sagt Martina Perreng vom DGB. Je nach Betrieb und Arbeitgeber sind zudem bezahlte Überstunden möglich.

Überstunden schieben, wenn's in der Firma brummt, dafür ein paar Wochen Sonderurlaub bei Auftragsflauten - das ermöglichen Arbeitszeitkonten. Inzwischen hat jeder zweite Beschäftigte eine solche Ansparmöglichkeit für Arbeitszeit - Tendenz steigend. Im Jahr 1999 waren erst 35 Prozent im Besitz eines Arbeitszeitkontos, wie aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht.

Auch der Anteil der Betriebe, die Arbeitszeitkonten als Puffer bei Auftragsschwankungen einsetzen, hat nach Erkenntnissen der Arbeitsmarktforscher seit der Jahrtausendwende beständig zugenommen: Seien es im Jahr 1999 lediglich 18 Prozent gewesen, so lag der Anteil zwölf Jahre später bei 34 Prozent, teilte die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit (BA) weiter mit.

Geschätzt seien solche flexiblen Arbeitszeitmodell vor allem in Großbetrieben. So nutzten im Jahr 2011 bereits 83 Prozent aller Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten dieses Arbeitszeitinstrument - nach 64 Prozent im Jahr 1999. Kaum eingesetzt werden solche Konten dagegen in Kleinbetrieben mit bis zu neun Mitarbeitern. Arbeitszeitkonten hatten vor allem in der Wirtschaftskrise 2008 in vielen Betrieben einen Arbeitsplatzabbau verhindert, da erst einmal Guthaben auf den Konten abgebaut wurden.

Langzeitkonten, mit denen etwa Zeit für ein Sabbatjahr angespart werden kann, seien dagegen nur in zwei Prozent der deutschen Betriebe üblich, so das IAB. Auch hier nutzten größere Betriebe ein solches Instrument mit Ausgleichszeiträumen von bis zu zwei Jahren öfter als Kleinbetriebe. Genutzt wird die angesparte Arbeitszeit ganz unterschiedlich: etwa für ein Sabbatjahr, für Familienzeit, zur Fortbildung oder um früher in Rente zu gehen.

Jedoch können nicht alle Beschäftigten zwischen Geld und Freizeit wählen, wenn sie ihre Mehrarbeit ausgleichen wollen. Manche Verträge schreiben fest, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind - „allerdings muss in diesem Fall das Maß vertretbar sein“, so Perreng.

Die Arbeitsexpertin rät, bei ständigen Überstunden mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Unter Umständen kann auch der Betriebsrat einschreiten, wenn die Beschäftigten permanent ohne Gegenleistung schuften müssen. Laut IWH-Studie wird ein Viertel der Überstunden nicht vergütet.

Mehrarbeit nachweisen und genehmigen

Wollen Arbeitnehmer die Bezahlung von Überstunden einfordern - etwa vor Gericht - müssen sie die Mehrarbeit nachweisen können. Transparenz ist dabei das A und O: „Ich empfehle generell, die geleisteten Überstunden immer aufzuzeichnen und genehmigen zu lassen. Nur so lässt sich nachvollziehen, ob sie notwendig waren oder nicht“, sagt Arbeitsexpertin Perreng. Das gilt insbesondere, wenn der Chef die Mehrarbeit nicht ausdrücklich angeordnet hat.

Denn auf einen Informationsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber können Beschäftigte nicht vertrauen. Das hat zuletzt das Arbeitsgericht Berlin entschieden (Az.: 21 Ca 7273/11). In dem Fall klagte ein Arbeitnehmer für die Bezahlung seiner Überstunden. Er verlangte deswegen von seinem Arbeitgeber Auskunft über die geleistete Mehrarbeit - ohne Erfolg. Auskunftsanspruch bestehe nur, wenn der Arbeitnehmer in entschuldbarer Weise über den Umfang der Überstunden im Unklaren sei, so die Richter. (mit Material von dpa)

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