Serie „Stadt Land Rhein“Der Rhein als Wirtschaftsfaktor und Tor zur Welt

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Rheinschiff

Ein RoRo-Schiff (von englisch Roll on Roll off) mit bei Ford in Köln produzierten Neuwagen an Bord auf dem Weg zum niederländischen Seehafen Vlissingen.

Rheinland/Bonn – Im Bonner Ortsteil Graurheindorf macht der Welthandel Station. Wie Bauklötze eines Riesen stapeln sich die Frachtcontainer aus aller Welt hinter der Kaimauer am Rheinufer: "Der kommt aus China", sagt Hafen-Geschäftsführer Alfons Am Zehnhoff-Söns und blickt vom Kran aus 24 Metern Höhe auf die Last, die der Greifarm auf die Ladefläche eines Lastwagen setzt. "Der da drüben ist aus Israel", zeigt der Hafenchef in die nächste Reihe, "der andere aus den USA."

Rheinschiff (1)

Eines der größten Container-Einzelschiffe auf dem Rhein: Die "Nova" (134 Meter lang, fast 17 Meter breit) bei Linz.

Der Rhein hat im vergangenen Jahr 910 000 Tonnen Fracht allein nach Bonn gebracht. Lastwagen transportieren die Ware auf der Straße weiter. Wein aus Chile, der in 16 000-Liter-Beuteln zu den Abfüllanlagen an der Ahr und an der Mosel gebracht wird. Autoreifen aus China. Berge aus Steinsalz für die chemische Industrie in Niederkassel und Wesseling.

Der Rhein ist mit einem Güterumschlag von rund 200 Millionen Tonnen im Jahr die mit Abstand wichtigste Wasserstraße Deutschlands. Der Fluss hat die Grundlage für das wirtschaftliche Wachstum an seinen Ufern gelegt.

Und das ist schon seit Menschengedenken so. Die Römer unterhielten bereits eine Flotte auf dem Rhein. Im 18. und 19. Jahrhundert transportierten Holzhandelsgesellschaften mit riesigen Flößen Baumstämme aus dem Schwarzwald in die Niederlande. Handelsschiffe auf dem Rhein wurden bis zur Erfindung des Dampfschiffes von Pferden auf den sogenannten Lein- oder Treidelpfaden flussaufwärts gezogen.

Heute spielt Holz keine große Rolle mehr. Das Geld wird mit anderen Produkten verdient, beredtes Zeugnis hierfür legt das Bayer-Kreuz ab, das in Leverkusen über den Fluss strahlt. "Der Rhein, mit der Anbindung an die großen Chemiestandorte in Antwerpen und Rotterdam, gilt als wichtigster Standortfaktor der chemischen Großindustrie, die sich im 19. Jahrhundert von Wesseling über Leverkusen bis nach Düsseldorf etablierte. So verlegte Henkel 1878 seinen Sitz von Aachen nach Düsseldorf, Bayer nahm zu dieser Zeit die Produktion in Leverkusen auf", teilt der Arbeitgeberverband Chemie Rheinland mit. Bis heute haben sich rund 250 Chemieunternehmen mit mehr als 80 000 Beschäftigten hier angesiedelt.

Wichtige Unternehmen am Rhein

Unter den Wichtigsten in der Region: Die Rheinland Raffinerie des Ölkonzerns Shell. Mit ihren Standorten in Godorf und Wesseling ist sie die größte Anlage dieser Art in Deutschland. Mehr als 20 Milliarden Liter Öl werden hier jedes Jahr verarbeitet. Während das Rohöl per Pipeline von den niederländischen Seehäfen ins Rheinland fließt, verlassen nach Unternehmensangaben 38 Prozent der fertigen Produkte das Werk per Schiff. Benzin, Diesel, Heizöl oder Rohstoffe für die Chemieindustrie werden direkt an den eigenen Häfen der Werke verladen. Zu Großabnehmern wie etwa dem Frankfurter Flughafen unterhält Shell zwar eine eigene Pipeline ab Raffinerie, aber: "Binnenschifffe sind für uns eine der wichtigsten und zuverlässigsten Transportmöglichkeiten." Das sagt der Sprecher der Shell-Raffinerie, Jan Zeese.

Die Chemiekonzerne sind natürlich nicht die einzigen, die sich an den Rhein schmiegen. Mit Blick auf den Fluss arbeitet auch Elmar Miebach-Oedekoven, einer der Geschäftsführer der Niederkasseler Lux-Werft. Sein Büro gleicht einem Schiffs-Führerhäuschen mit Aussicht auf den Rhein nach allen Seiten.

Die meisten Passagierschiffe, die an seinen Fenstern vorbeifahren, kennt Miebach-Oedekoven, im Wortsinne in- und auswendig. Viele stammen aus dem eigenen Unternehmen. Die Firma Lux lebt als einer der wenigen Hersteller von Fahrgastschiffen in Deutschland mit und vom Rhein. Die "Filia Rheni" ist in Niederkassel entstanden, der "erste Fahrgast-Katamaran auf dem Rhein", wie der Lux-Geschäftsführer sagt. Gerade liegt die Fähre "Konrad Adenauer", Baujahr 1967, auf dem Trockenen. Statt zwischen Bonn-Bad-Godesberg und Königswinter zu pendeln, bekommt sie bei Lux eine Generalüberholung. "Die Schiffe werden zwar im Inneren großzügiger gestaltet", sagt der Schiffbauer. "Aber sonst ändert sich nicht so viel." Wer auf dem Rhein reise, suche Entschleunigung. "Alle Versuche mit schnelleren Fahrgastschiffen sind gescheitert."

Touristen als Wirtschaftsfaktor

Ähnlich wie in den Containerhäfen am Rhein geht es auch auf den Promenaden am Ufer zu. Bunt sind sie und kommen aus aller Welt: Die Rheintouristen sind eine weitere Geldquelle, die der Fluss seinen Anwohnern eröffnet. Eine Milliarde Euro Umsatz durch Reisende hat eine Studie der IHK Koblenz allein für den Rheinabschnitt zwischen Bingen/Rüdesheim und Remagen/Unkel errechnet. Die Gegend wird als "Romantischer Rhein" intensiv vermarktet. 80 000 Touristen kommen laut Studie im Schnitt jeden Tag.

Heute sind Rheinkreuzfahrten international beliebt. Das zeigt: Das Tor zur Welt kann in beide Richtungen durchschritten werden.

Deutschlands längster Fluss befördert Fracht und Touristen. Seit der Römerzeit sorgt die Verkehrsader für florierenden Handel und Handwerk an ihren Ufern. Heute spielt die Industrie eine wichtige Rolle.

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