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„So lange ich kann, komme ich hierher“

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LINZ / LEUBSDORF. „Wir sind sehr froh, dass Ruth Perski als eine unserer letzten noch lebenden jüdischen Mitbürger zur Zeit bei uns weilt", erklärte Verbandsgemeinde-Bürgermeister Hans-Günter Fischer als Vorsitzender des Deutsch-Israelischen Freundeskreises Linz bei einem Empfang im Rathaus. Vor 70 Jahren ist Ruth Perski mit ihren Eltern die Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime nach Palästina gelungen.

„Solange ich kann, komme ich wieder hierher. Wir fühlen uns hier zu Hause. Wir lieben Euch!" Ruth Perski sprach auch im Namen ihres Mannes Meir von den guten Beziehungen zur Region rund um Leubsdorf (Verbandsgemeinde Linz) und speziell zu Heinz Schwarz und Anton Rings. Seit Dienstag ist sie mit ihrem Mann, Meir Perski, wieder in Leubsdorf zu Besuch. „Als ich vor 30 Jahren mit meinen Eltern zum ersten Mal nach Leubsdorf kam, fuhr Heinz Schwarz mit uns im offenen Auto durch den Ort und rief allen zu: Dat Fabersch Thea is do!", erinnerte Ruth Perski. Dabei hieß ihre Mutter damals längst Baer, hatte sie doch Albert Baer aus der Rheinbrohler Metzger-Familie geheiratet.

Die zeitweise Deportation ihres Vaters nach Dachau Ende der 30er Jahre habe ihre Eltern bewogen, sich Reisepässe zu besorgen und nach Israel auszuwandern. Der Vater hatte nach der Reichspogromnacht versucht, sein kleines Mädchen im Rheinbrohler Klösterchen in Sicherheit zu bringen, ist dort aber abgewiesen worden, erfuhr Ruth Perski von Heinz Schwarz, dem Freund der Familie. Eine „einfache Bürgerin" habe dann das Problem gelöst und sich des Kleinkindes angenommen, wusste Schwarz.

„Die Entscheidung meiner Eltern auszuwandern, haben meine beiden Großeltern, Faber wie Baer, nicht akzeptieren können. ,Uns passiert schon nichts. Wir sind doch Deutsche und erst im zweiter Linie Juden', haben sie uns erbost vorgehalten", erzählte Ruth Perski von der Folgen schweren Fehleinschätzung. Keiner der Familien hat den Holocaust überlebt, abgesehen von Thea Baers ältestem Bruder, Hermann Faber, der bereits 1933 nach Amerika ausgewandert war. An die Familie Faber erinnern heute in Leubsdorf nur noch die Stolpersteine in der Bachstraße. „Die ersten Jahre in Palästina waren sehr schwer für meine Eltern; so ganz ohne Freunde und ohne Sprachkenntnisse", erinnerte sich Ruth Perski. Zeit ihres Lebens habe sie deutsch mit den Eltern gesprochen, so dass sie ihr Deutsch mit rheinischem Einschlag nicht verleugnen kann. Aus einer Winzerfamilie stammend, waren die Baers nach Zichron Ya'akov gezogen, einer von der Familie Rothschild bereits Anfang der 20. Jahrhunderts gegründeten Weinbau-Siedlung zwischen Netany und Haifa.

Dort hat die „Leubsdorferin" auch ihren Mann Meir kennen gelernt, dessen Familie schon früher aus Wischnewa, dem ehemaligen Polen, nach Palästina ausgewandert war. Im Gegensatz zu seinem berühmten Vetter, dem israelischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres, hat er aber seinen polnischen Namen behalten.

Den Kontakt zur Heimat hatte Heinz Schwarz hergestellt. Als Innenminister im rheinland-pfälzischen Kabinett von Helmut Kohl war er 1976 auf Einladung der Regierung nach Israel gefahren, „und da habe ich natürlich die Familie Baer besucht", erinnerte er. Dieser Kontakt habe ihrer Mutter Mut gemacht, mit ihr nach Deutschland zu reisen, um ihr zu zeigen, wo ihre Wurzeln sind. „Wir sind hier nicht nur von Heinz und seiner Familie, sondern auch von Karl und Anne Blumenthal sowie von Anita und Anton Rings so herzlich aufgenommen worden, dass diese Beziehungen immer enger wurden", freute sich Ruth Perski. Der erste Besuch sei ihr und ihren Eltern angesichts der tragischen Familiengeschichte allerdings schwer gefallen. „Aber man muss mit der Hoffnung leben, dass sich so etwas Schreckliches wie der Holocaust nie mehr wiederholt.“ (KL)

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