„Wir waren immer wie eine große Familie“

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Die Neuigkeit kam unerwartet und markiert das Ende einer Ära: Vor gut drei Wochen wurde bekannt, dass Familie Steinkühler ihr Möbelzentrum in Rösrath verkauft.

RÖSRATH. „An die Entscheidung müssen wir uns selbst erst noch gewöhnen.“ Freya R. Steinkühler legt den Stift auf ihren dunklen Schreibtisch. Sobald das Kartellamt grünes Licht gibt, übernimmt hier in der obersten Verwaltungsetage des Rösrather Möbelzentrums der nach eigenen Angaben größte Möbeleinzelhändler Deutschlands die Geschäfte. Dann heißt es endgültig Abschied nehmen. Freya Steinkühler und ihre Familie haben sich entschieden: Das Rösrather Möbelzentrum wird an Kurt Krieger verkauft, der bundesweit Möbelhäuser mit insgesamt über 8000 Mitarbeitern betreibt.

„Ein schwerer Schritt und kein von langer Hand geplanter“, sagt die Firmenchefin, „schon die Eltern von Kurt Krieger waren uns bekannt, jetzt ist er an uns herangetreten und wollte unser Rösrather Möbelzentrum unbedingt haben, er war hartnäckig, und da habe auch ich mir schon überlegt, wie lange ich das hier noch so machen kann“, sagt die 74-jährige geschäftsführende Gesellschafterin, die das operative Geschäft in den vergangenen Jahren mit ihren Kindern Michael und Roswitha gemanagt hat. „Dabei war mein Sohn mit enormer Leistung und großem Einsatz immer meine rechte und meine linke Hand. Aber wissen Sie“, sagt die resolute Frau hinter dem Schreibtisch, „das Entscheidende für unsere jetzige Entscheidung war die Zusage, dass alle 430 Mitarbeiter übernommen werden.“

Freya Steinkühler schaut die Wand ihres Büros entlang: Kaum ein Quadratmeter, auf dem nicht Dankesschreiben der zahlreichen von ihr unterstützten sozialen Einrichtungen hängen - oder Bilder der Belegschaft. Von Gruppenfotos über selbst gebastelte Geburtstagswünsche bis hin zu Jubiläumsandenken. Einige Quadratmeter sind allein für Hochzeitsfotos von Mitarbeitern reserviert. „Wir sind wie eine große Familie“, sagt Freya Steinkühler. „Ohne gute Mitarbeiter, und viele sind schon Jahrzehnte bei uns, schafft man es nicht, auf Dauer so erfolgreich zu sein und selbst im vorigen Wirtschaftskrise-Jahr noch zehn Prozent Umsatzplus zu machen.“

„Das Unternehmen ist gesund“, sagt die Firmenchefin und berichtet von den Plänen, die sie noch in der Schublade hatte: ein Neubau an der Stelle, wo die seit einigen Jahren vom Möbelzentrum genutzten ehemaligen Tennishallen stehen, inklusive Überbauung der Parkplatzausfahrt. „So hätten wir die Verkaufsfläche noch mal um 19 000 Quadratmeter vergrößert.“ Der neue Eigentümer wolle nun in die andere Richtung erweitern. „Die Entscheidung muss er jetzt treffen“, sagt sie nicht ohne Wehmut.

Die Erfolgsstory des Möbelhauses, das für viele Auswärtige heute ein Synonym für Rösrath ist wie einst der Whisky Bill für Forsbach, hat ihre Wurzeln in Köln. „Als Walter Steinkühler und ich 1958 geheiratet haben, haben wir gesagt: Jetzt machen wir uns selbstständig“, erinnert sich die Firmengründerin, „wir sind von Haustür zu Haustür gezogen und haben Möbel angeboten.“ Zunächst dienten Wohn- und Schlafzimmer als Lager, bis die Steinkühlers an der Dürener Straße 111 im Hinterhaus ein „Möbelverkaufslager“ anmieteten.

„Der Raum war nicht größer als heute mein Büro“, erinnert sich Freya Steinkühler und schaut zur Couchecke auf der anderen Seite des Zimmers. „Es hat gereicht“, sagt sie lächelnd. „Wir hatten nicht viel, waren nur auf uns selbst gestellt, aber der Zusammenhalt war prima.“ In Meschenich erwarben die jungen Möbelhändler ein Bauerngut, bauten den „Meschenicher Möbelmarkt“ auf und zogen in Köln mit dem Geschäft an die Luxemburger Straße um. Eine Zwischendecke im hinteren Teil des lang gestreckten Baus zogen Freya und Walter Steinkühler selbst ein. „So hatte ich Platz für eine eigene kleine Polstermöbelabteilung“, erinnert sie sich. Durch einen Bekannten erfuhren die beiden schließlich von der alten Lederfabrik der Familie Biedermann gegenüber dem Rösrather Bahnhof. Freya Steinkühler muss schmunzeln, wenn sie daran denkt, wie sie aus den alten Fabrikhallen ein Möbelhaus machten: „Wir haben ballenweise Stoff gekauft und damit die Wände beklebt.“

Das war vor 43 Jahren. Die Aufnahme in Rösrath sei von Anfang an freundlich gewesen, erinnert sich die Unternehmerin. Nicht zuletzt Bürgermeister Erwin Schiffbauer habe sie stets unterstützt, er habe auch das Grundstück für den Neubau in Kleineichen vermittelt. „Es war hier immer ein Geben und Nehmen“, sagt Freya Steinkühler, die insbesondere soziale Projekte stets tatkräftig unterstützt hat.

Ungezählte Einrichtungen erhielten von ihr Möbel, die Rösrather Kinder- und Jugendarbeit förderte sie ebenso wie medizinische Hilfsprojekte für kranke Kinder an Kölner Kliniken. In Rösrath-Stümpen hat sie eine private Villa in einen Kindergarten umgebaut, fast „nebenbei“ den Brunnen für den Rösrather Sülztalplatz gestiftet. Zudem lässt Freya Steinkühler alljährlich 6000 bis 7000 Sankt-Martins-Tüten für Kinder und Senioren füllen. „Mein Engagement in diesen Bereichen will ich in jedem Fall auch fortsetzen“, sagt die 74-Jährige.

Familie als Antrieb

für sozialen Einsatz

Was sie in ihrem sozialen Engagement antreibt? „Wir sind selbst zu sieben Geschwistern aufgewachsen, da war einer für den anderen da. Bescheidenheit und sich untereinander zu helfen, war für mich immer selbstverständlich.“

Auch die Verbindung zu Rösrath will die Unternehmerin halten, wenn sie mehr Zeit daheim in Köln-Weiden verbringt. „Schon wegen unserer Mitarbeiter. Wir werden uns auch einmal von Ihnen in punkto Einrichtung beraten lassen“, hat die Chefin der Belegschaft versprochen, als sie sie zusammen mit ihren Kindern über den Verkauf des Familienunternehmens informierte. Wo diese künftig beruflich tätig sein werden, überlegten beide derzeit noch. Wie viel Geld die Familie für das Möbelhaus erhalten hat, darüber spricht Freya Steinkühler nicht. „Wissen Sie“, sagt sie, „das Wichtigste ist doch die Menschlichkeit, dass das Haus in unserem Sinne weitergeführt wird und alle Mitarbeiter weiter beschäftigt werden - das ist heutzutage doch wie ein Sechser im Lotto.“

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