Mit Geld und Leidenschaft: Kunstsammler in Deutschland

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Berlin – Dass für ein Kunstmuseum aus dem Stand 200 Millionen Euro lockergemacht werden, ist wahrlich kein Normalfall.

In Berlin ist die spektakuläre Entscheidung des Bundestags von 2014 letztlich drei Sammlern zu verdanken, die schon lange auf eine angemessene Präsentation ihrer millionenschweren Bestände gedrängt haben. Derzeit läuft der Architektenwettbewerb, 2022 soll das neue Museum der Moderne eröffnen. 

Die Erfolgsgeschichte des Sammlertrios Marx, Marzona und Pietzsch in Berlin zeigt, welchen Einfluss Kunstsammler heute in Deutschland haben. Grund sind nicht zuletzt die weiter explodierenden Preise auf dem Kunstmarkt - und die schrumpfenden Ankaufsetats der öffentlichen Häuser. Sie können sich die international geforderten Fantasiepreise kaum mehr leisten.

Spektakuläres Beispiel war 2011 der Ankauf der weltberühmten Holbein-Madonna durch den schwäbischen „Schraubenkönig” Reinhold Würth. Mit schätzungsweise 60 Millionen Euro stach er damals überraschend das renommierte Frankfurter Städel Museum aus, das sich seit Jahren um das einzigartige Werk bemüht hatte, aber nur 40 Millionen bieten konnte.

„Die Sammler entziehen den öffentlichen Institutionen zunehmend die Deutungshoheit über die Kunst, weil sie das Geld haben und nicht die Museen”, sagt der streitbare Leipziger Kunstwissenschaftler und Buchautor Wolfgang Ullrich („Siegerkunst”).

Auf der Liste der 200 wichtigsten Sammlerpersönlichkeiten weltweit, die das US-Magazin Artnews jährlich veröffentlicht, stehen allein für Deutschland zwölf Namen - von Karen und Christian Boros mit ihrem Ausstellungsbunker in Berlin bis zu Würth mit seiner Kunsthalle in Schwäbisch Hall. Dazwischen etwa: Udo Brandhorst, Thomas Olbricht, Hasso Plattner, Julia Stoschek und das Ehepaar Ströher.

Nach Beobachtung der Kulturstiftung der Länder haben die Sammler, einst oft graue Eminenzen im Hintergrund, ein zunehmendes Interesse, ihre Schätze in eigenen Ausstellungshäusern zugänglich zu machen - entweder gemeinsam mit der öffentlichen Hand oder auch auf eigene Faust.

„Es gibt wunderbare Sammler, die sich als Mäzene der Museen verstehen, es kann aber auch zu schwierigen Konkurrenzsituationen kommen”, sagt Stiftungs-Generalsekretärin Isabel Pfeiffer-Poensgen. „Manches Museum hat sich nach der x-ten öffentlichen Sparrunde vielleicht zu sehr von einem einzelnen Sammler abhängig gemacht.”

So stürzte vor Jahren etwa das Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK) in eine Existenzkrise, als der Immobilienunternehmer Dieter Bock Knall auf Fall seine angebliche „Dauerleihgabe” mit rund 500 wichtigen zeitgenössischen Arbeiten abzog - das Haus stand praktisch mit leeren Händen da.

Ähnliche Befürchtungen löste jetzt das kürzlich verabschiedete Gesetz von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) aus, das national wertvolle Kunstwerke vor der Abwanderung ins Ausland schützen soll. Hinter den Kulissen drohten zahlreiche Mäzene, ihre Leihgaben zurückzufordern, viele brachten ihre Schätze angeblich schon vorsorglich ins Ausland. Die Kulturstiftung empfiehlt den Museen deshalb, möglichst klare Verträge mit Leihgebern zu machen.

Unverzichtbar sind die Sammler nach Einschätzung des Berliner Kunstexperten Christian Kaspar Schwarm auch für die Entdeckung junger und (noch) unbekannter Kunst. „Anders als ein Museum mit Steuergeldern hat ein privater Sammler das Privileg, ganz nach dem eigenen Gusto und Instinkt sammeln zu können”, sagt der 44-jährige Strategieberater. „Dadurch wird viel mehr junge Kunst sichtbar.”

Schwarm hat 2008 die Internetplattform Independent Collectors gegründet. Sammler weltweit können sich dort austauschen und ihre Kunst auch online zeigen. „In Deutschland ist das Interesse besonders groß, die eigene Leidenschaft mit anderen zu teilen”, sagt Schwarm. Ein von der Plattform zusammengestellter Kunstführer listet allein 64 Privatsammlungen in Deutschland auf, die auch öffentlich zugänglich sind - eine überraschende Entdeckungstour. (dpa)

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