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Herzschwäche bleibtDas passiert bei und nach einem Herzinfarkt

Lesezeit 5 Minuten
Herz

Der Sinusrhythmus eines Herzens, sichtbar gemacht durch ein EKG. Es gibt immer weniger Herzinfarkte, aber die Zahl der Herzerkrankungen nimmt stetig zu.

Die gute Nachricht: Die Zahl der Herzinfarkte geht zurück. Das liegt daran, dass Risiken frühzeitig erkannt und behandelt werden können, dass mit Cholesterin- und Bluthochdruck-Senkern die Gefahren reduziert, aber nicht ausgeschlossen werden können. Die weniger gute Nachricht: Die Zahl der Herzerkrankungen nimmt stetig zu. Zwei Kardiologen und ein Lungen-Experte wissen, warum sowohl das eine als auch das andere Fakt ist und was der Einzelne tun kann und sollte, damit er nicht zum Herz-Patienten wird.

Herzschwäche bleibt meist

Professor Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum der Uniklinik Köln: "Wir sind sehr erfolgreich darin, den Menschen zu helfen, dass sie einen Herzinfarkt überleben." Weil in Köln erste Hilfe und ärztliche Versorgung im Vergleich zu anderen Städten vorbildlich sind. Aber selbst für Patienten, denen optimal geholfen wird, gilt, so Baldus: "Zurück bleiben kann eine Herzschwäche, mit der man leben muss, denn bei einem Infarkt wird Herzmuskelgewebe zerstört - unwiederbringlich. Je länger die Durchblutungsstörung im Herzen dauert, desto mehr Gewebe wird vernichtet." Salopp formuliert heißt das: Die Zellen des Herzmuskels sterben, weil sie aufgrund des Sauerstoffmangels ersticken.

Dieser Zelltod ist die Folge eines fatalen Kreislaufs. Selten setzen sich Herzkranzgefäße langsam zu und verringern so die Blutzufuhr zum Herzen. Meist platzt ein Stück der Ablagerungen im Herzkranzgefäß auf. Auf diesen verletzten Gefäßabschnitt setzt sich dann ein Blutgerinnsel, das das Blutgefäß von jetzt auf gleich verschließt. "Zu 98 Prozent ist die Ursache für einen Infarkt, dass Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen aufreißen", so Baldus. Das kann diverse Gründe haben: durch Entzündungszellen, die eingewandert sind, oder aber durch den turbulenten Blutfluss, ausgelöst durch Bluthochdruck. "Es ist unser langfristiges Ziel, ungefährliche Plaques von solchen zu unterscheiden, die instabil sind und zum Aufreißen neigen, um so Herzinfarkte noch besser verhindern zu können. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt", so Baldus.

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Neue Welle dank Übergewicht

Der Kardiologe Wolfgang Fehske sieht zudem eine weitere Welle von Herzerkrankungen auf die Gesellschaft zurollen, ausgelöst durch Übergewicht und alle damit verbundenen Risiken: "Die Deutschen gehören schon zu den dicksten Menschen weltweit. Bedingt durch Übergewicht steigt der Blutdruck, schlechtes Cholesterin wird überproportional produziert, die Muskeln Übergewichtiger sind nicht trainiert, wodurch der Herzmuskel deutlich mehr arbeiten muss, und durch orthopädische Probleme aufgrund des Körpergewichts steigt die Einnahme von Schmerzmitteln mit allen fatalen Folgen." Die regelmäßige und hohe Dosierung der gängigen und frei verkäuflichen Schmerzmittel schädigt die Nieren. Wenn die Nieren angegriffen sind, steigt der Blutdruck. Der hohe Blutdruck schädigt das Herz, der hohe Blutdruck schädigt umgekehrt wieder die Nieren - quasi eine Doppelbelastung.

Ab wann Schmerzmittel diese katastrophale Kette an Erkrankungen auslösen, ist individuell unterschiedlich. Der Körper des einen reagiert schon nach sechs Wochen regelmäßiger Einnahme, bei anderen dauert es ein Jahr und länger. Fehske: "Es hängt davon ab, wie man genetisch programmiert und wie das Trinkverhalten ist." Wer genügend Flüssigkeit zu sich nimmt, sorgt zumindest dafür, dass die Nieren Schadstoffe einigermaßen ausspülen können.

Manchmal ist es auch die Lunge

Da der Körper ein verzweigtes und hochkompliziertes Netzwerk ist, wirken sich Schäden an einem Organ auf andere aus. So auch die Funktion der Lunge auf das Herz und umgekehrt. Der Internist und Lungenexperte Wolfgang Galetke: "Herz und Lunge verursachen Brustschmerz und Luftnot. Beide Schmerzen sind oft identisch und gelegentlich werden Herzprobleme diagnostiziert, obwohl die Lunge die Ursache der Beschwerden ist." Der Chefarzt im Severinsklösterchen sitzt im Vorstand des "Kim"; zu ihm werden auch Infarktpatienten nach der Erstversorgung in einer Herzklinik gebracht.

Das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus der Lunge kann nur dann reibungslos in die linke Herzkammer gepumpt und von da aus allen Organen zur Verfügung gestellt werden, wenn weder Herz noch Lunge schwächeln. Wenn nicht, dann "werden Gehirn und Muskeln, die darauf angewiesen sind, nicht ausreichend versorgt", so Galetke. Mehr noch: Ein schwaches Herz schafft es trotz enormer Anstrengung nicht, das Blut komplett wegzupumpen, so dass ein Teil des Blutes zurück in die Lunge fließt. Die weiß sich nicht anders zu helfen, als das Übermaß an Flüssigkeit abzugeben, und zwar in die Lungenbläschen. Galetke: "Die füllen sich mit Wasser." Anders ausgedrückt: Sie ertrinken und verursachen irreparablen Schaden in der gesunden Lunge, die vernarbt und verschwartet.

Genauso verhängnisvoll ist es, wenn sich die zurücklaufende Flüssigkeit im Rippenfell sammelt. Drei bis vier Liter können sich zwischen die beiden hauchdünnen Blätter des Rippenfells einlagern. Mit wassertreibenden Medikamenten ist dem nicht mehr beizukommen. Der Lungenexperte: "Das würde Tage dauern. Der Patient muss in solchen Fällen punktiert werden, und über einen Schlauch läuft die Flüssigkeit langsam ab." Komplikationen stellen sich bei jenen Patienten ein, denen wasserabführende Medikamente zwar verordnet, aber nicht eingenommen werden. "Viele setzen die Tabletten immer wieder ab, weil sie nicht so häufig auf die Toilette gehen möchten und der Auffassung sind, es reiche, den Wirkstoff nur bei Bedarf zu nehmen. Dadurch gerät im Organismus alles aus dem Gleichgewicht." Auch dann, wenn Patienten, vorrangig Männer, unter Schlafapnoe leiden, also Atemaussetzer in der Nacht. Wolfgang Galetke: "Oberhalb der Luftröhre, hinten im Rachen, klappen die Atemwege zusammen. Es kommt keine Luft mehr in die Lunge und der Sauerstoffgehalt im Blut fällt ab." Das kann bis zu hundert Mal in der Stunde passieren. Und jedes Mal schlägt der Körper Alarm und weckt seinen Menschen, damit er wieder atmet." Galetke weiter: "Herz und Gehirn fehlt der Sauerstoff. Durch die Unterversorgung können sich die Blutgefäße entzünden. Dieser Prozess, der Monate und Jahre dauern kann, mündet in der Verkalkung der Blutgefäße." Womit sich der Kreislauf zum Herzinfarkt schließt. "Von den Risikogruppen für Herzinfarkt und Schlaganfall leiden 20 bis 40 Prozent unter Schlafapnoe."

Schnelle Hilfe in Köln

Das Kölner Infarkt-Modell , "Kim" genannt, existiert seit zehn Jahren und ist bundesweit vorbildlich. In Köln sollen Herzinfarkt-Patienten innerhalb von 60 bis 90 Minuten nach Erstkontakt mit dem Notarzt eine Herzkatheteruntersuchung erhalten. Beteiligt sind 16 Kölner Kliniken und der Rettungsdienst der Stadt. Die Kliniken halten rund um die Uhr Ärzte für Kathetereingriffe in Bereitschaft.

Die Kliniken sind: Herzzentrum Uniklinik und Herzzentrum Ev. Krankenhaus Kalk, Krankenhaus Merheim, Krankenhaus Porz, St.-Vinzenz-Hospital, Eduardus-Krankenhaus, Ev. Krankenhaus Weyertal, Heilig-Geist-Krankenhaus, Krankenhaus der Augustinerinnen, Krankenhaus Holweide, St.-Hildegardis-Krankenhaus, St.-Agatha-Krankenhaus, St.-Elisabeth-Krankenhaus, St.-Franziskus-Hospital, St.-Marien-Hospital.

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