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Weimar-„Tatort“Ist Rizin für den Menschen wirklich so gefährlich?

Lesezeit 3 Minuten
Aus dem Samen der hübsch blühenden Pflanze Rizinus, auch Wunderbaum genannt, wird das gleichnamige Öl gewonnen.

Aus dem Samen der hübsch blühenden Pflanze Rizinus, auch Wunderbaum genannt, wird das gleichnamige Öl gewonnen.

  • Rizin ist ein pflanzliches Eiweiß, das schon in geringsten Mengen giftig ist.
  • Rizin ist in den Samen der Pflanze Ricinus communis (Familie der Wolfsmilchgewächse) enthalten.
  • Der Hauptinhaltsstoff der Samen ist ein fettiges Öl, das Rizinusöl, das in der Medizin vorwiegend als Abführmittel eingesetzt wird.
  • Bei der Gewinnung des Rizinusöls ist ein spezielles Vorgehen erforderlich, damit das Öl kein Rizin enthält.

Halle (Saale) – Als „illustres Märchen um Rache, Liebe, Sühne und jede Menge schwerwiegende Entscheidungen“ bezeichnet Regisseur Sebastian Marka die jüngste Tatort-Folge aus Weimar, die am Sonntag in der ARD lief. Da trinkt der Schutzpolizist Ludwig Maria Pohl - unter Kollegen und Ganoven nur „Lupo“ genannt - täglich literweise Kakao. Eine Portion allerdings ist mit Rizin vergiftet. Eine Rettung scheint unmöglich. „Lupo“ ist dem Tod geweiht. Was hat es mit Rizin auf sich? Gibt es kein Gegenmittel? Woher kommt der todbringende Stoff?

Ist Rizin wirklich für den Menschen so gefährlich?

„Ja“, sagt René Csuk. Der Chemieprofessor an der Martin-Luther-Universität in Halle lässt keinen Zweifel daran, dass Rizin ein Teufelszeug ist. Gelangt eine entsprechend große Dosis in den Körper, gibt es keine Rettung mehr.

Wieviel Rizin kann der Mensch vertragen?

Ab wann eine Rizin-Dosierung tödlich ist, lässt sich nicht genau sagen. So ist von einem halben Samenkorn bei Kindern und sechs oder sieben Samenkörnern bei Erwachsenen die Rede. Das kann aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Weltweit sind nach Angaben von Csuk insgesamt 500 Fälle bekannt, bei denen Menschen eine Rizin-Vergiftung erlitten und starben.

Woher kommt Rizin?

Das äußerst giftige Protein wird aus der Samenschale des sogenannten Wunderbaums gewonnen, der zur Familie der Wolfsmilchgewächse gehört. Diese Pflanze stammt ursprünglich aus dem Norden Afrikas und aus dem Nahen Osten, sie ist aber längst auch in Deutschland verbreitet. Im Herbst trägt sie rote Früchte, in deren Inneren befindet sich der giftige Samen. René Csuk rät vor allem Eltern von kleinen Kindern, den Wunderbaum nicht im heimischen Garten anzupflanzen - um jede Gefährdung auszuschließen.

Wie wirkt Rizin?

Das Protein kann zu Rizinusöl weiterverarbeitet werden. Dabei wird Rizin auf über 60 Grad erhitzt und verliert so seine tödliche Wirkung, dafür dient es unter anderem als Abführmittel. Rizin in ursprünglicher Form hat nach Angaben des halleschen Wissenschaftlers die Fähigkeit, sich perfekt auf der Oberfläche der menschlichen Zellen einzuklinken. Die so bedrängten Zellen gehen dann ein.

Wie kann Rizin in den Körper gelangen?

Auf vielen Wegen. Per Injektion, dann sind die roten Blutkörperchen betroffen. Indem es inhaliert wird, dann werden die Lungen irreparabel geschädigt. Oder versteckt in der Nahrung, etwa im Kakao, dann ist unter anderem der Darm betroffen.

Im Tatort wurde Rizin für eine Straftat genutzt. Kommt das im richtigen Leben auch vor?

Rizin ist in der Kriegswaffenliste des deutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes aufgeführt. Es gab Versuche, Rizin in Kriegen als biologische Waffe in Verbindung mit Streumunition einzusetzen. Da haben aber andere, wirkungsvollere und grausamere Stoffe wie Phosgen Rizin sozusagen den Rang abgelaufen. Es sind auch einige spektakuläre Kriminalfälle bekannt. So das „Regenschirm-Attentat“, als im Jahr 1978 der damalige bulgarische Geheimdienst den Schriftsteller und Dissidenten Georgi Markos in London ermordete. Ein Agent hatte Markos auf einer Brücke mit einem Regenschirm - scheinbar zufällig - verletzt. In der Schirmspitze war Rizin versteckt, das in den Oberschenkel des Opfers eindrang.

Wann wirkt Rizin nach der Einnahme im Körper?

Nach drei bis sechs Stunden, sagt Csuk, sind die ersten Symptome wie ein blutiger Stuhl sichtbar, danach geht es immer mehr bergab. Dass Schutzpolizist „Lupo“ im Tatort auch Stunden nach der Vergiftung noch recht aktiv war, bucht Csuk unter „künstlerischer Freiheit“ ab.

Der Tatort endet mit der Botschaft, „Lupo“ werde überleben, weil sich überraschend genug Antikörper gebildet hätten. Also gibt es doch einen Ausweg?

„Nein, bei einer Rizin-Vergiftung gibt es kein Gegenmittel“, sagt Csuk. Also fällt der Schluss des Tatorts auch in die Rubrik „künstlerische Freiheit“. (mz)

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