„Ich habe Lust auf Regieren“Peter Altmaier zum Scheitern von Jamaika und einer GroKo

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Der geschäftsführende Bundesfinanzminister Peter Altmeier (CDU) 09.11.2017 im Bundesfinanzministerium in Berlin.

Der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) hatte auf eine Jamaika-Koalition gehofft, will dem Scheitern aber nicht nachtrauern. Mit ihm sprachen Kristina Dunz und Eva Quadbeck.

Herr Altmaier, was sagt Ihr Instinkt - sind die Chancen für eine große Koalition nach dem SPD-Parteitag gestiegen?

Der SPD-Parteitag hat jedenfalls für die große Koalition keine Türen geschlossen. Klar ist, dass CDU/CSU und SPD jetzt miteinander reden werden. Das ist das Mindeste, was die Bürgerinnen und Bürger jetzt erwarten.

Wäre es besser gewesen, Jamaika hätte funktioniert?

Eine solche Koalition aus drei sehr unterschiedlichen Parteien hätte etwas Neues und Kreatives zustande bringen können. Ich hätte mir gewünscht, dass Jamaika zustande kommt, weil man Regierungsbildungen immer in einem überschaubaren Zeitraum zustande bringen sollte. Es hat aber keinen Sinn, dem nachzutrauern.

Aus unserer staatspolitischen Verantwortung heraus müssen wir nun dafür sorgen, dass die Gespräche mit der SPD zu einer Regierung führen, die das Land vier Jahre stabil regiert und in der Sache Entscheidungen trifft, die das Land voranbringen. Diese Entscheidungen müssen in einem überschaubaren Zeitraum getroffen werden.

Neu und kreativ - das kann eine große Koalition nicht?

Kann sie. Aber die Stärken einer großen Koalition liegen erst mal auf einem anderen Gebiet. Eine große Koalition kann wirtschaftlich und außenpolitisch in schwierigen Zeiten Stabilität garantieren. Da sind Entscheidungen möglich, die in kleineren Koalitionen zu Zerreißproben führen können. Das galt für die Eurokrise, und das gilt für die Herausforderungen durch den Terrorismus.

Haben sie wirklich wieder Lust auf die Sozis?

Als Vertreter der CDU habe ich Lust auf Regieren. Vielleicht bin ich altmodisch. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie die demokratischen Parteien zur Wahl stellen, weil sie das Land zum Positiven verändern wollen. Das geht aus der Regierung besser als aus der Opposition.

Kann es auch noch zu einer Minderheitsregierung kommen?

Die Minderheitsregierungen in anderen Ländern haben gezeigt, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen von klaren Rahmenbedingungen abhängig sind. Investoren müssen wissen, woran sie sind. Arbeitgeber und Gewerkschaften brauchen klare Leitlinien. All das ist bei einer Minderheitsregierung nur sehr eingeschränkt möglich.

Der SPD-Chef strebt die Vereinigten Staaten von Europa an und will dazu einen Verfassungsvertrag. Kann das gemeinsames Ziel einer großen Koalition werden?

Dieser Vorschlag hat mich genauso überrascht wie sicherlich auch viele Sozialdemokraten. Nachdem ich das Scheitern eines europäischen Verfassungsvertrags 2002/03 aus eigener Anschauung erlebt habe, sehe ich ein solches Projekt als nicht realistisch an, vor allem nicht bis zum Jahr 2025. Lohnender wäre es, die konkreten Probleme in Europa anzugehen: Arbeitslosigkeit senken, Außengrenzen besser schützen, Wirtschaftspolitik effizienter koordinieren. Die Diskussion, ob Europa ein Bundesstaat, ein Staatenbund oder Vereinigte Staaten sein sollte, ist eine für Wissenschaftler und Journalisten - nicht für die deutsche Außenpolitik. Die Vereinigten Staaten von Europa würden die Souveränität der Mitgliedstaaten auf Brüssel übertragen. Dafür wird es in vielen EU-Staaten keine Mehrheiten geben.

Macron fordert ein europäisches Investitionsprogramm. Wie beweglich ist die Union in dieser Frage?

Es geht nicht darum, wie viel Geld man zur Verfügung stellt. Es geht vielmehr darum, in welche Projekte man sinnvollerweise investieren muss - wie beispielsweise die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Digitalisierung -, ohne dabei dauerhafte Subventionen zu schaffen.

Da hat gerade der geschäftsführende Finanzminister gesprochen. Wie viel Milliarden Euro stehen in der nächsten Wahlperiode für die Zukunftsaufgaben zur Verfügung?

Es wäre völlig falsch, irgendwelche Hausnummern in den Raum zu stellen. Es geht nicht nur um die Frage, was ist theoretisch möglich, sondern was ist richtig.

Aber während der Jamaika-Sondierungen war doch von 45 Milliarden Euro die Rede.

Es ist selbstverständlich, dass man in einem Koalitionsvertrag nur das vereinbaren kann, was finanziell vertretbar ist. Deswegen ist der Finanzminister in solchen Gesprächen immer gefordert, den Beteiligten auch bittere Wahrheiten zu sagen. Das hat man auch in den Jamaika-Sondierungen gesehen, dass das ein mühsamer Erkenntnisprozess ist.

Ist genug Geld da, um die notwendigen Zukunftsaufgaben zu bewältigen?

Ich bin überzeugt, dass wir die Zukunftsaufgaben stemmen können, insbesondere in der Bildungspolitik und bei der Infrastruktur, Straßen, Brücken, Schienen, Glasfasernetze. Das setzt aber voraus, dass wir uns bei den konsumtiven Ausgaben, die keine Zukunftsinvestitionen sind, die notwendige Zurückhaltung auferlegen. Der Bundeshaushalt ist keine Wundertüte. Wir werden das Vertrauen in die finanzpolitische Stabilität nur rechtfertigen können, wenn wir auch in Zukunft einen ausgeglichenen Bundeshalt vorlegen, und wenn wir die Steuerquote nicht erhöhen. 

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