Pilgerorte in NRW700 Totenschädel lagern in Köln in der St. Ursula Kirche

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700 Totenschädel und Abertausende Knochen sind in der Kölner Kirche St. Ursula gestapelt.

700 Totenschädel und Abertausende Knochen sind in der Kölner Kirche St. Ursula gestapelt.

NRW ist reich an Pilgerorten. Darunter ist auch die eine oder andere Kuriosität.

Extralange Jesuswindel

Vermutlich als Geschenk für Kaiser Karl den Großen kamen im Frühmittelalter kostbare Reliquien in den Aachener Kaiserdom, darunter das Lendentuch, das Jesus bei der Kreuzigung trug, und – seine Babywindel. Die war aber so lang, dass sie viele Wallfahrer eher an die eng anliegenden Strumpfhosen der Ritterzeit erinnerte. „Daraus entwickelte sich die Legende, dass Josef im Stall von Bethlehem in Ermangelung anderweitiger Textilien sogar seine eigene Hose zur Verfügung gestellt hätte, um das Jesuskind zu wickeln“, erklärt der Kunsthistoriker Jürgen Kaiser in dem neu erschienen Band „Pilgerorte im Rheinland“. Untersuchungen haben übrigens ergeben, dass die Stoffe nicht aus der Zeit von Jesus stammen, sondern ein paar Jahrhunderte jünger sind.

Heilkräftige Zauberspindel

Eine märchenhafte Geschichte rankt sich um die St.-Petrus-Kirche von Lüftelberg in Meckenheim bei Bonn. Demnach wurde Karl der Große dort einst auf der Jagd schwer verletzt. Zum Glück gab es direkt vor Ort die fromme Lüfthildis. Mit ihrer silbernen Spindel zauberte sie den Kaiser im Handumdrehen wieder gesund. Der dankbare Karl versprach ihr daraufhin so viel Land, wie sie mit ihrer Spindel durchfurchen konnte, während er ein kleines Nickerchen hielt. Lüfthildis war aber nicht nur fromm, sondern auch geschäftstüchtig: Sie schwang sich aufs Pferd und zog die Spindel hinter sich her – das ergab so viel Land, dass Kaiser Karl beim Aufwachen eine böse Überraschung erlebt haben muss. Eine Figur von Lüfthildis in der Kirche hält die Spindel bis heute in der Hand – und noch immer soll sie Ohren- und Augenleiden kurieren.

Gebeine liegen in einer Vitrine in St. Ursula.

Gebeine liegen in einer Vitrine in St. Ursula.

Ausgespuckte Hostie

Schreckliche Halsschmerzen sollen dran schuld gewesen sein, dass ein Hirtenjunge um 1280 seine Hostie nach der Heiligen Kommunion nicht herunterschluckte, sondern sie in Kranenburg am Niederrhein in einen hohlen Baum spuckte. Fast 30 Jahre vergingen, dann kam die große Überraschung: In einem gefällten Baum wurde ein Kruzifix entdeckt – sofort verbreitete sich die Nachricht vom Kreuz, „das aus einer Hostie gewachsen ist“. Das lockte so viele Pilger an, dass in Kranenburg eine große Wallfahrtskirche entstand, St. Peter und Paul.

Schöne Schädel

Wenige Schritte vom Kölner Hauptbahnhof entfernt kann man unvermutet in eine andere Welt stolpern – in der Kirche St. Ursula tut sich das größte Beinhaus nördlich der Alpen auf: 700 Totenschädel und Abertausende Knochen sind bis unter die Decke gestapelt und dabei kunstvoll zu Mustern und Buchstaben angeordnet. Die Knochensammlung geht zurück auf die Legende von der Heiligen Ursula, die in Köln zusammen mit 11.000 Jungfrauen von wilden Hunnen niedergemetzelt worden sein soll.

Der voll besetzte Dom in Aachen bei der Erhebungsfeier zum Beginn der Heiligtumsfahrt.

Der voll besetzte Dom in Aachen bei der Erhebungsfeier zum Beginn der Heiligtumsfahrt.

Zustande gekommen ist die Legende so: Als die Kölner im Mittelalter ihre Stadt erweiterten, fanden sie im Boden jede Menge Knochen – sie waren auf den Friedhof des antiken Köln gestoßen, der wie bei jeder römischen Siedlung vor den Toren der Stadt lag. Sicherlich wussten sie das auch, denn Mönche betätigten sich als Archäologen und konnten ohne weiteres die lateinischen Grabinschriften lesen. Wider besseres Wissen erklärten sie die Toten aber zu Märtyrerinnen des christlichen Glaubens. Köln begann einen schwunghaften Handel mit den Knochen, der die Stadt in ganz Europa berühmt machte. Der Besuch der Kammer ist bis heute ein gruseliges Vergnügen. (dpa)

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