HochwasserAnwohner in Hersel nehmen hohen Rheinpegel gelassen

Lesezeit 4 Minuten
Am Sportplatz ragen nur noch Verkehrsschilder aus dem Wasser.

Am Sportplatz ragen nur noch Verkehrsschilder aus dem Wasser.

Bornheim-Hersel – Wilhelm Witte kennt die Launen des Rheins. Seit seiner Geburt vor 71 Jahren lebt er in der Herseler Bayerstraße. Regelmäßig tritt der Strom dort über die Ufer, ein Hochwasser von nicht einmal neun Metern erschreckt aber weder ihn noch seine Frau. „Da habe ich schon Schlimmeres erlebt“, sagte der 71-Jährige am Montagvormittag, als der Rhein seinen aktuell höchsten Stand von 8,21 Metern am Bonner Pegel fast erreicht hatte. Zuletzt 2003 habe der Rhein noch viel mehr Wasser geführt. „Damals schwappte das Wasser hier sogar an der obersten Stufe vor unserer Haustür“, erklärte Witte.

Gleichwohl ist es momentan schwierig, trockenen Fußes zum Haus der Eheleute zu gelangen. Witte bedient sich einer ganz eigenen Taktik: Er schwingt sich auf sein Fahrrad, radelt durch das Wasser und genießt er bisschen diese besondere Atmosphäre.

Mobile Schutzwand wurde noch nie benötigt

Nur die Straße und der Sportplatz trennen sein Haus gewöhnlich vom großen Strom. Schon am Freitag hatte Vater Rhein den Platz erobert, am Sonntag machte er sich auch in der Bayerstraße breit. Verkehrsschilder schauen zurzeit nur noch mit der Spitze aus dem Wasser. „Heute Morgen ist das Wasser noch einmal um etwa einen Zentimeter angestiegen“, so Witte routiniert.

An das Hochwasser 1993 und weitere Höchststände von 1882 und 1925 erinnern Plaketten an Wilhelm Wittes Haus.

An das Hochwasser 1993 und weitere Höchststände von 1882 und 1925 erinnern Plaketten an Wilhelm Wittes Haus.

Sitzbänke am Ufer sind ganz und gar verschwunden, vom Fischerhäuschen schaut nur noch das Dach aus dem Wasser und dort, wo eigentlich der Parkplatz neben dem Sportplatz angelegt ist, liegen jetzt zwei Ruderboote vor Anker. Wasservögel schwimmen über den Sportplatz und Hochwassertouristen kommen und gehen.

„Als wir das Tor oben am Garten noch nicht hatten, liefen die Schaulustigen sogar durch unseren Garten“, sagte Witte. Dieser Weg sei ein offizieller Fluchtweg für den Fall, dass man nach vorne nicht mehr aus dem Haus könne. „Den gibt es seit ich denken kann“, erklärte der Anwohner.

VOR ANKER

Wer in diesen Tagen eine standesamtliche Trauung auf der „Anja“ bei Widdig gebucht hätte, der hätte sich auf die Schnelle einen anderen Ort für das Jawort suchen müssen: Denn auch das Schiff, eine Außenstelle des Bornheimer Standesamtes, darf ab einem Hochwasserstand von 8,30 Metern am Kölner Pegel, nicht mehr auslaufen. Hochzeiten sind dort aber derzeit nicht gebucht, teilte die Stadt auf Anfrage mit. (mkl)

Als Wilhelm Witte 1983 das alte Fachwerkhaus seiner Familie abreißen und an gleicher Stelle einen Neubau errichten ließ, wurde der Keller direkt hochwassersicher konzipiert. Und nur einmal, im Rohbau, sei tatsächlich Rheinwasser hineingelaufen. Im alten Fachwerkhaus sei das sehr oft passiert. Zu Silvester 1925, das erzählte einst sein Großonkel stand das Wasser sogar etwa einen Meter hoch in der Küche und vor etwa 60 Jahren passierte das nochmals, Wasser in der Küche, das kann der Herseler Familie heute nicht mehr passieren. „Da muss der Rhein schon über elf Meter Kölner Pegel steigen“, so Witte, der vor Jahren eine eigene mobile Hochwasserschutzwand nach Kölner Vorbild errichten ließ. In nur einer Stunde kann er damit die Kellerschächte, den Hof und die Zugänge zum Keller sichern, „doch bisher habe ich sie noch nicht ein einziges Mal gebraucht“, berichtete Wilhelm Witte.

Bei 9,30 Metern werden Sandsackwälle errichtet

Bornheims Bürgermeister Wolfgang Henseler war mittags selbst am Rheinufer, um sich die Situation vor Ort anzusehen und erstaunt, wie hoch der Rhein gekommen ist. Die Stadt hatte ihren Notfallplan mit ersten Sperrungen bei einem Pegel von 6,10 Metern Ende der vergangenen Woche begonnen. Erst ab 9 Metern werden Sandsäcken bereitgestellt, und – soweit erforderlich – Häuser geräumt. Bei 9,20 Metern werden die ersten Sandsackwälle errichtet. Größere Schäden erwartet Henseler aktuell nicht mehr, dennoch müsse man sehen, welchen Einfluss das Hochwasser auf die Uferböschungen zwischen Uedorf und Hersel hat.

Regelmäßig einmal die Woche, je nach Wetter auch öfter, werde die Böschung von den Fachleuten untersucht. Auch die Ruhebänke, die der LVR dort erst kürzlich aufgestellt hat, werden nach Ablauf des Wassers auf Schäden untersucht. Auch der Stadtbetrieb hat dann einiges zu tun: Der Leinpfad müsse gereinigt und Treibgut weggeräumt werden. „Mit sinkendem Pegel müssen wir dann auch sehen, welche Sperrungen wieder aufgehoben werden können“, so Henseler.

Rundschau abonnieren