Veedels-CheckZündorf, das gallische Dorf von Köln

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Rolf Effenberger mit seinen Lamas

  • Dieses Veedelsporträt ist Teil unserer großen Stadtteil-Umfrage, an der sich 33.000 Leser beteiligt haben.
  • Die Ergebnisse des Veedelschecks veröffentlichen wir nach und nach auf unserer Veedelscheck-Seite

Köln-Zündorf – Fred und Hubert sind ohne Zweifel zwei der attraktivsten Zündorfer. Und zusammen mit Lucy, Hanna und Sindbad stehen sie gleichzeitig für den Rekord, den das 12000-Einwohner-Veedel am Rhein in der Stadt hält. Hier in Zündorf wohnt die größte Lama-Population Kölns. Ihr Domizil am Tulpenweg verdanken sie Rolf Effenberger, der nebenan in dritter Generation ein Gartencenter führt. Vor rund 18 Jahren habe ihm jemand einen zugeflogenen Wellensittich gebracht, damit er sich um ihn kümmere, berichtet der 53-Jährige.

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Enge Gassen führen zum Zündorfer Ufer

Aus dem Sittich-Käfig wurde eine Auffangstation für Papageien und schließlich ein „Streichelzoo“ für alle möglichen Tiere, die von ihren Besitzern abgegeben wurden. „Sie glauben gar nicht, was sich Leute alles anschaffen und dann wieder los werden wollen, wenn ihnen die Tiere zu groß oder anstrengend werden.“ Effenberger kümmert sich zusammen mit zwei Tierpflegern und vielen ehrenamtlichen Helfern um Esel, Hühner, Schafe und Schweine. Auch Nandus und Kängurus haben in Zündorf ein Zuhause gefunden. Hier lässt es sich gut leben.

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„Rolfs Streichelzoo“ ist nicht der einzige Grund, warum es Menschen und Tiere nach Zündorf lockt. „Wir sind die Sonnenseite der Stadt“, sagt der Vorsitzende des Bürgervereins, Hans Baedorf. Außerdem seien die Zündorfer schon immer „gute Gastgeber“ für die vielen Ausflügler gewesen, die sich an schönen Tagen hierhin aufmachen. Wenn die Sonne strahlt, kommen sie in Scharen zur Groov, um auf der ehemaligen Rheininsel zu spazieren, Bötchen zu fahren oder in einem der vielen Lokale an der Promenade oder am Markt einzukehren.

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Die Fähre verbindet die „Groov“ mit Weiß auf der linken Rheinseite

Das Fährschiff „Krokodil“ bringt Radfahrer und Wanderer von der anderen Rheinseite herüber. Im Mai kommen rund 200.000 Besucher zum Porzer Inselfest, das von der CDU veranstaltet wird.

Manches wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen. Die künstlich angelegte „Freizeitinsel“ mit Kriegerdenkmal und Tretbootverleih strahlt den seltsamen Charme der 1970er Jahre aus, als überall – und nicht zuletzt im damals noch selbstständigen Porz – furchtbar viel Beton angerührt wurde. Es wäre auch nicht überraschend, wenn die Kellnerin die Kaffeebestellung auf der Sonnenterrasse mit dem legendären Satz „Draußen nur Kännchen“ kontern würde. Sie tut es nicht. Und selbst wenn es anders wäre, würde das nichts an der Feststellung ändern: Hier ist es richtig schön.

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Günter Peters, Theo Steinringer und Hans Baedorf vor der Nepomukstatue am Markt

Wenn es an manchem Samstag oder Sonntag rund um den ehemaligen Rheinarm, den eine Groov vom Fluss trennte, zu trubelig wird, bleiben die Einheimischem lieber zu Hause. An anderen Tagen mischen sie sich unter die Tagestouristen, um das Rheinufer zwischen Yachthafen, Wehrturm und Zündorfbad mit Wildwasserrutsche zu genießen. Dann mischt sich das Publikum am Rheinstrand, in den Kneipen oder in der Schlange vor der Eisdiele am Markt.

Gässchen mit denkmalgeschützten Häusern

Doch auch dann, wenn am Rhein Hochsaison herrscht, kann man in Zündorf schnell und einfach ein bisschen Ruhe finden. In den schmalen, steilen Gässchen mit zahlreichen denkmalgeschützten Häuschen, die von der Promenade zur Hauptstraße hoch führen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Nicht alles, was man sieht, sind Originalgebäude aus vergangenen Jahrhunderten, manches wurde dem Alten nachempfunden.

Hier steht auch die neugotische Klosterkapelle, heute eine rechtsrheinische Topadresse für Kultur, schöne Feiern und Kleinkunst. Als wäre man einer Zeitmaschine entstiegen, fühlt man sich auch, wenn man die herrliche rosa-weiße, romanische Kirche St. Michael umrundet, die hoch über dem Rheinufer thront. Gleich nebenan steht die große Backstein-Hallenkirche St. Mariae Geburt – diese direkte Nachbarschaft von zwei katholischen Gotteshäusern ist ein weiteres Spezifikum des Porzer Stadtteils.

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Eine der Kirchen in Zündorf am Rhein

„Zündorf hat sich seinen Dorfcharakter bewahrt“, sagt „Zoochef“ Effenberger. Er meint nicht nur Gebäude und Gässchen. Zu einem Dorf gehört auch eine besondere Gemeinschaft der Bewohner und ein gewisses Flair, wie Theo Steinringer, Hobbyhistoriker und Gründer der Gemeinschaft Zündorfer Ortsvereine, sagt. „So viele aktive Vereine wie hier sind schon etwas Besonderes.“ Allein der Turnverein Rheingold Zündorf hat rund 1000 Mitglieder.

Es gibt Gemeinschaften für Wassersport, Fußball und Minigolf, erfolgreiche Chöre und Karnevalsvereine sowie Initiativen, die sich um die Belange des Ortes, die Sauberkeit an der „Groov“ oder das alljährliche „Schürreskarrenrennen“ kümmern. 

Kampf für die Belange des Veedels

Rekordverdächtig sind auch die Preise, die man hier bereit ist, für Reibekuchen zu bezahlen: Einmal im Jahr werden 600 Stück für einen guten Zweck gebacken und verkauft. In diesem Jahr wurden 4500 Euro eingenommen. „Jeder bezahlt für den Reibekuchen, was er will“, berichtet der Vorsitzende der Gemeinschaft Zündorfer Ortsvereine, Günter Peters. „Die Atmosphäre hier ist einmalig“, so Baedorf. Er vergleicht Zündorf gern mit dem „Gallischen Dorf“ von Asterix und Obelix. Das Bild steht nicht nur dafür, dass man hier für die Belange des Veedels kämpft. Es steht auch dafür, dass sich die Porzer im Allgemeinen und die Zündorfer im Besonderen benachteiligt fühlen, wenn es um Geld und Aufmerksamkeit geht.

Auch 43 Jahre nach der Eingemeindung trauern viele immer noch der Zeit als eigenständige Stadt nach, räumt Günter Peters ein. „Das Gefühl, nicht zu Köln zu gehören, verstärkt sich durch den Eindruck, dass man im Kölner Rathaus nicht beachtet wird“, ergänzt Baedorf.

So passt es den meisten Zündorfern nicht, dass ihr Stadtteil schon bald deutlich größer werden soll. Das Siedlungsbauprojekt „Zündorf-Süd“ ist eines der großen Projekte, mit denen die Stadt auf die Wohnungsknappheit reagieren will. Auf den Feldern, die Zündorfer Bauern über Generationen beackerten, werden dann rund 8000 neue Zündorfer wohnen.

Das Dorf soll dafür riesige Flächen hergeben müssen. Geplant wird für 54 Hektar Land. Das entspricht mehr als 75 Fußballfeldern. Den Interessenvertretern des Ortes gefällt das gar nicht. Sie streiten für ihre „grüne Lunge“, die für das Klima der gesamten Stadt wichtig sei. Zündorf wird trotzdem weiter wachsen, wie es das seit Jahrhunderten tut. Vor 220 Jahren – so berichtet eine Chronik – wurden in Nieder- und Oberzündorf 106 Feuerstellen und 383 Einwohner gezählt. Bald werden es wohl 20 000 sein.

Die Veedels-Geschichte Zündorfs

Die Zündorfer datieren ihre Ortsgründung auf das Jahr 1008, als der Erzbischof Heribert Ländereien an die von ihm gegründete Deutzer Abtei St. Maria übertrug. Verwaltungsrechtlich besteht die Verbindung zu Köln also nicht erst seit der Eingemeindung 1975. Es gab eine – wenn auch lange vergangene – Vorgeschichte. Auch zu Zeiten, da Zündorf zum Herzogtum Berg oder später zur Stadt Porz gehörte, gab es eine enge Verbindung zu Köln – vor allem, weil man sich als Konkurrent abgrenzte und profitieren konnte. So siedelten sich protestantische und jüdische Kaufleute an, als sich Köln hinter den Stadtmauern gegen den Fortschritt abschottete. Im Mittelalter nutzten die Zündorfer das Kölner Stapelrecht für ihren Vorteil. Um die Prozedur und die Abgaben in Köln zu umgehen, entluden Kaufleute ihre Schiffe schon im Zündorfer Hafen. Die Waren wurden auf dem Landweg über den Mauspfad bis hinter Mülheim transportiert, um das Stapelrecht zu umgehen. Im 15. Jahrhundert machte der Herzog von Berg auch aus Zündorf eine Zollstation.

Die größten Baustellen Zündorfs

Das größte Ärgernis ist die Verkehrssituation im Ort. Im Grunde gibt es nur eine Straße hinein und eine hinaus. Wenn sich ein Lastwagen festfährt, geht nichts mehr. 

Weniger Staus!

Trotz Wachstum ist die Infrastruktur seit der Eingemeindung nicht mehr angepasst worden, sagen die Zündorfer. Die Kapazitäten der Straßen reichen im Berufsverkehr nicht aus, die Anbindung an den Siegkreis ist genauso schlecht wie nach Köln, was auch viele Pendler durch ein Nadelöhr zwängt. Wenn ein Unfall passiert, fehlt ein Umleitungskonzept. Entlastung wird die Verlängerung der Linie 7 bringen, die den Zündorfern wie allen anderen Porzer Rheinanliegern seit Jahrzehnten in Aussicht gestellt wird. Die Stadtbahntrasse ist eine Voraussetzung dafür, dass das Neubaugebiet Zündorf-Süd überhaupt gebaut werden kann.

Erhalt des Dorfcharakters

Mit Zündorf-Süd verbindet sich die Sorge, dass sich das Neubaugebiet nicht mit dem Gewachsenen verbinden könnte. So könnte auch die geplante Stadtbahntrasse zur schwer überwindbaren Barriere werden. Um die nachgewiesene Wirkung der Freiflächen auf das Stadtklima nicht völlig zu zerstören, müsste sich die Planung für Gebäude und Verkehrswege neuen Anforderungen stellen. 

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