Abo

WilliamsbauWo die Kölner sich nach dem Zweiten Weltkrieg vergnügten und feierten

Lesezeit 4 Minuten
Im Williamsbau fanden zahlreiche Karnevalssitzungen statt.

Im Williamsbau fanden zahlreiche Karnevalssitzungen statt.

Köln – In der Nachkriegszeit war er der größte Saal der Stadt: Im Williamsbau fanden 2500 Besucher Platz. Karnevalssitzungen, politische Versammlungen, Konzerte – gegenüber des Aachener Weihers wurde gefeiert und getanzt. Hier lernten die Kölner wieder zu feiern – denn die anderen Veranstaltungssäle waren zerbombt.

Die Mehrzweckhalle war eigentlich als halbfester Winterbau des Circus Williams gedacht, errichtet 1946 von Carola und Harry Williams. Architekt war der in Köln bekannte Wilhelm Koep, der als 4711-Architekt auch das „Blau-Gold-Haus“ entworfen hat, sowie später die Sartoy-Säle und sogar das Rundschau-Haus in der Stolkgasse. In der Historie des Zirkus heißt es, dass die Beschaffung von Baumaterial in der Nachkriegszeit so schwer gewesen sei, dass es ungewöhnliche Tauschgeschäft gab: So tauschte der Zirkus etwa Elefantenmist als Dünger gegen Baustoffe.

Matinee am 6. Mai

Am Sonntag, 6. Mai, findet in der Volksbühne am Rudolfplatz unter dem Titel „Weil jet Spass brudnüdig es!“ eine Matinee mit Musik, Filmausschnitten und Zeitzeugen zum Williamsbau statt. Unter anderem kommt Jeanette Williams, Tochter von Carola, mit ihrer Familie aus den USA. Beginn ist um 11 Uhr. Karten kosten über KölnTicket 19,50 Euro. (wes)

Alles zum Thema Ford

Im Juli 1947 wurde der Williamsbau eingeweiht, und wurde nicht nur für den Zirkus genutzt. In den folgenden Jahren wurde er auch für den Sitzungskarneval wichtig, die Prinzenproklamation wurde an der Aachener Straße gefeiert. 1950, auf einer Karnevalssitzung des 1. FC Köln, überreichte Gastgeberin Carola Williams der Mannschaft einen jungen Geißbock an Trainer Hennes Weisweiler. Damit hatte das Maskottchen auch seinen Namen. Auch der Nachfolger Hennes II wurde später von der Familie Williams gestiftet.

Viele Stars traten in dem großen Zelt auf: Am 29. November 1952 gab Louis Armstrong ein Konzert, die Tänzerin Marika Rökk, der Musiker Lionel Hampton mit Band oder die Sängerin Grete Fluss traten auf. 1956 wurde der Williamsbau abgerissen, der Zirkus zog kurz darauf in ein neues Winterquartier in Mülheim um. Es wurde 1984 an Bernhard Paul verkauft und ist seit 1986 Standort des Circus Roncalli.

Dem Williamsbau und seinen Gründern zu Ehren, hat die Bezirksvertretung Innenstadt bereits im vergangen Dezember beschlossen, den Teil des Inneren Grüngürtels, wo der Williamsbau stand, jetzt nach Zirkusdirektorin Carola-Williams-Park zu benennen. Zudem will der Verein der „Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums“ dort am kommenden Sonntag, 6. Mai, eine Erinnerungs-Stele aufstellen: Sie soll die einstige Bedeutung des Williamsbaus als Zentrum der Populärkultur für die Kölner Nachkriegsgesellschaft erklären.

Der schwarze Affe kam von oben

„Es gibt Sachen, die vergisst man nie.“ Anneliese Rademacher aus Kürten arbeitete 1947 als Hausmädchen bei einem Direktor von Ford. Am 2. Mai nahm die Familie die 17-Jährige mit in eine Zirkus-Vorstellung in den Williamsbau. „Wir saßen ganz vorne. Von der Decke rutschte ein schwarzer Affe an einer Stange runter – und fasste mir um den Hals. Erst da habe ich gesehen, dass es ein Mensch in einem Kostüm war.“ Pferde, deren Fell in kleine Karos gebürstet war, die mit Parfüm eingesprühten Raubtiere – „ich könnte es heute noch malen“, sagt die 87-Jährige.

„Gärtner der frohen Laune“

Berühmt und berüchtigt waren die Künstlerfeste der Kölner Werkschulen. Auch Friedrich Schmitt war dort Student, als er im Karneval 1953 beim „Paradiesvogel“ im Williamsbau kräftigt mitfeierte. Ein für den Kölner legendärer Abend: Vom „Gärtner der frohen Laune“ bekam er Wein aus einer Gießkanne eingeflößt – und landete mit einem Bild davon sogar in der Kölnischen Rundschau.

Das große Zelt wurde von den Werkschülern zu den Festen selbst geschmückt. „Wir haben dort alles mögliche gefeiert“, erinnert sich der 86-Jährige. „Der Williamsbau war ja mit das einzige, das wir hatten.“ Medizinerbälle, das „Fest in Gold“ – zum Tanzen ging man als Student zum Zelt an der Aachener Straße. „Wir hatten damals alle nicht viel Geld, da hat man sich den eigenen Wein eben auch schon mal in der Gießkanne mitgebracht“, erinnert sich Friedrich Schmitt. Und süße Mädchen, sagt er, ja, die habe es bei den Partys der Werkschulen auch im Williamsbau gegeben – „besonders in der Modeklasse und bei der Innenarchitektur.“

Zwei Eintrittskarten gegen einen Sack Zucker

1948 machte Hannelore Eckart gerade eine Lehre als Floristin. Mit einer Kollegin sollte die 19-Jährige leere Blumenkübel aus dem Williamsbau abholen – „und dann hab ich ihn da gesehen“, erinnert sich die heute 89-Jährige an die erste Begegnung mit ihrem Ehemann. Dass er beim Zirkus und fast 30 Jahre älter gewesen sei, das habe sie nicht gestört. Erich Eckart arbeitete damals als technischer Direktor im Williamsbau, zwei Jahre später heiratete das Paar. Zuerst lebten sie in einem Wohnwagen auf dem Gelände, dann zogen sie mit seinem damals vierjährigen Sohn nach Sülz. 27 Jahre hielt die Ehe, dann verstarb ihr Mann.

„Ich war damals auf allen Veranstaltungen im Williamsbau: bei den Prinzenproklamationen, bei Boxkämpfen und Operetten, ich habe sogar Zarah Leander dort gesehen“, sagt Hannelore Eckart. Die Eintrittskarten tauschten sie immer mal wieder gegen etwas, das sie selbst brauchten – zum Beispiel gegen einen Sack Zucker.

Rundschau abonnieren