Radfahren in KölnDrei Tote, 41 Schwerverletzte: Über 200 Fahrrad-Unfälle im April

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Tödlicher Abbiege-Unfall: An der Boltensternstraße wurde zuletzt eine 56-jährige Radlerin von einem Lastwagen erfasst.

Tödlicher Abbiege-Unfall: An der Boltensternstraße wurde zuletzt eine 56-jährige Radlerin von einem Lastwagen erfasst.

Köln – Monika hatte keine Chance. Die 56-jährige Radfahrerin, die am 24. April um 8.20 Uhr auf dem Radweg an der Boltensternstraße von einem rechtsabbiegenden Lkw überrollt wurde, starb noch an der Unfallstelle. Heute stellt der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) dort ein weißes „Geisterfahrrad“ auf, um der Toten zu gedenken und ein Zeichen zu setzen (siehe nächste Seite). Das Unglück reiht sich ein in eine ganze Kette schwerer Unfälle in jüngster Zeit, bei denen Radfahrer zu Schaden kamen. Im April stiegen die Unfallzahlen deutlich an. Wir beleuchten die Hintergründe.

Die Unfallstatistik

Die Polizei Köln/Leverkusen registrierte im vergangenen Monat 427 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, 11,8 Prozent mehr als im April 2017. An 201 dieser Unfälle war mindestens ein Radfahrer beteiligt – eine Steigerung um 39,6 Prozent zum Vorjahr. Zwei Radfahrer wurden im April 2018 getötet, 41 schwer verletzt und 162 leicht verletzt. Ein Senior, der am 20. April an der Siegburger Straße mit dem Rad gestürzt war, verstarb am 9. Mai an den Folgen. Die Unfallzahlen haben sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöht: Im April 2016 gab es 20 schwer sowie 123 leicht verletzte Radfahrer und keinen tödlichen Fahrradunfall.

Die Ursachen

Laut Polizeistatistik gab es im April 109 Unfälle zwischen Fahrrädern und Kraftfahrzeugen, davon wurde nur etwa jeder fünfte von Radfahrern verursacht (22 Fälle). 59 Mal stürzten Radfahrer ohne Fremdeinwirkung, dazu kommen 18 Unfälle von Radfahrern untereinander sowie zwölf Kollisionen mit Fußgängern. Zu den Hauptunfallursachen zählt die Polizei Missachten der Vorfahrt, Fehler beim Abbiegen und so genannte „Andere Fehler“. Darunter fallen zum Beispiel Fahrfehler oder Stürze aufgrund von Schlaglöchern oder problematischer Infrastruktur wie Schienen im Bereich der Fahrbahn.

Die Hintergründe

Auffällig: Von 49 Abbiege-Unfällen im April wurde nur ein einziger von einem Radfahrer verursacht. Gleichzeitig sind Radler häufig die Leidtragenden, wenn Autofahrer beim Abbiegen Fehler machen. Weitere Auffälligkeit: Laut Polizei spricht die hohe Zahl der Alleinunfälle (59) und der Unfälle der Kategorie „Andere Fehler“ (57) für einen Zusammenhang mit Radfahrern, die sich nach der Winterpause im Frühling das erste Mal seit Monaten wieder aufs Rad setzen. Mangelnde Fahrpraxis, so die Polizei, könne die Unfallgefahr ebenso erhöhen wie der Umstand, dass im Frühling generell mehr Radfahrer unterwegs sind und es daher auf den Straßen enger wird.

Boom im Radverkehr

Tatsächlich ist die Zahl der Radfahrer in Köln im April enorm gestiegen. Als am 10. April Busse und Bahnen wegen des Warnstreiks still standen, registrierte die Stadt Köln an den elf Dauerzählstellen über 64 500 Radfahrer – ein Drittel mehr als an einem durchschnittlichen Wochentag mit frühsommerlichen Temperaturen. Am 19. April, einem Donnerstag, wurde auf der Venloer Straße der Spitzenwert von 9316 Radfahrern ermittelt – in den Vorjahren schwankten die April-Werte zwischen 4000 und 7000. Im ganzen Monat wurden an der Venloer Straße 180 975 Radfahrer gezählt – das ist der stärkste April seit Beginn der Aufzeichnungen.

Eine Frage der Präsenz?

Dass mehr Radverkehr auch zu mehr Fahrradunfällen führt, liegt auf der Hand. Aber bleibt die Unfallquote konstant? Aus dem Büro des städtischen Fahrradbeauftragten heißt es dazu: Erfahrungen aus Holland hätten gezeigt, dass ein Mehr an Radverkehr die Unfallquote sinke lasse, weil die Radfahrer dann stärker im Bewusstsein der Autofahrer präsent seien. „Soweit sind wir in Köln aber noch lange nicht“, sagt Christoph Schmidt, Vorsitzender des ADFC in Köln. „Das funktioniert nicht mal in Münster, wo der Radverkehrsanteil dreimal so hoch ist, und erst recht nicht in Köln.“

Problem Infrastruktur

Viele Konflikte und Unfälle mit Radfahrern in Köln seien auch Folge einer mangelhaften Infrastruktur, meint Schmidt. Zu den größten Problemen zählt er freilaufende Rechtsabbiegerspuren an Kreuzungen, die dem Autofahrer suggerieren, dass er Vorfahrt habe. Laut ADFC wurden 2018 in Deutschland schon 15 Radfahrer an freilaufenden Rechtsabbiegern getötet. Monika (56) war eine davon. Sie hatte auf dem Radweg Vorfahrt, doch der Lkw-Fahrer übersah sie. Auf dieselbe Weise starb ein Radfahrer (51) am 15. Mai 2017 an der Subbelrather Straße, Ecke Innere Kanalstraße. „Die Stadtverwaltung unternimmt nichts, um diese Gefahrenstellen wirksam zu entschärfen“, kritisiert Schmidt. Die Politik habe die Verwaltung bereits im September 2017 beauftragt, die Rechtsabbieger sicherer zu machen und möglichst zurückzubauen. „Passiert ist nichts.“

„Ride of Silence“ am Mittwoch

Zum Gedenken an die im Straßenverkehr verunglückten und getöteten Radfahrer lädt der ADFC Köln am Mittwochabend zu einer Fahrt durch die Stadt ein. Unter dem Motto „Ride of Silence“ („Fahrt der Stille“) radeln die Teilnehmer wieder schweigend durch Köln. Üblich ist weiße Kleidung, viele Radler bringen auch Blumen und Kerzen mit. Start ist um 19 Uhr am Ottoplatz vor dem Bahnhof Deutz.

Erste Station ist das Geisterrad am Auenweg für die 2015 von Rasern getötete Studentin Miriam (19). Danach wird an der Boltensternstraße ein Geisterrad für die am 24. April getötete Monika (56) aufgestellt. Auf der rund 20 Kilometer langen Tour werden weitere Unfallstellen an der Subbelrather Straße, der Aachener Straße und am Gottesweg besucht.

www.adfc-koeln.de

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