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Eine Tür als LebensretterBabyklappen helfen Müttern in Not

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babyklappe

Ein Formular für den Vornamen des Kindes liegt in einem Bett an der Babyklappe der Helios St. Johannes Klinik.

Duisburg – „Liebe Mutter“ steht auf dem Brief, der mit einem Stoffhasen in dem Bettchen hinter der dicken grünen Tür liegt. Die Babyklappe an der St. Johannes Klinik in Duisburg gibt verzweifelten Müttern die Chance, ihr Baby anonym in sichere Obhut zu geben. Legt eine Frau ihr Kind hinein, ist der Brief ihre Möglichkeit, später doch noch zu ihm zurückzukehren. Er enthält ein Kennwort, mit dem sie sich als Mutter ausweisen kann.

„Das Angebot bedeutet in erster Linie, dass die Kinder überhaupt eine Chance haben, zu überleben. Aber es ist auch ein Angebot an die Frauen, dass die vernünftig weiterleben können“, sagt Kinderarzt Peter Seiffert aus der St. Johannes Klinik über die Babyklappe. Sie ist nur eine von etwa 25 in Nordrhein-Westfalen. 18 Babys lagen seit ihrer Einrichtung 2001 im Wärmebettchen hinter der grünen Tür.

Keine genaue Zahl, wie viele Babys anonym abgegeben wurden

Erschreckend viele Frauen wüssten bis zur Geburt nicht von ihrer Schwangerschaft oder verdrängten diese, sagt Seiffert. Für Frauen, die in einer solchen Ausnahmesituation ihr Baby nicht annehmen könnten, sei die Babyklappe eine unverzichtbare Lösung.

Eine zentrale Stelle, die alle Babyklappen in Deutschland erfasst, gibt es bislang nicht. Nach Schätzung von SterniPark, einem freien Träger, sind es bundesweit etwa 100. Wie viele Babys bisher anonym abgegeben wurden, ist nicht bekannt.

In der Babyklappe am Kinderklinikum in Dortmund lag seit 2001 siebenmal ein Neugeborenes, wie Direktor Dominik Schneider sagt. Dass eine Mutter ihr Kind zurückholt, habe er in seinen elf Jahren am Klinikum nur einmal erlebt. „Ich sehe die Babyklappe aber als Chance für die Kinder, in eine geregelte Pflegesituation zu kommen“, sagt Schneider. Oft fehle bei den betroffenen Müttern der familiäre Rückhalt oder die berufliche Situation sei angespannt, erläutert Kerstin Asmussen von SterniPark. „Ängste und Scham spielen eine große Rolle.“

Liegt ein Kind in der Klappe, werde nach der ersten medizinischen Versorgung das Jugendamt kontaktiert, das eine Pflegefamilie ermittele, erklärt Kinderarzt Seiffert in Duisburg. Die Hoffnung, dass die Mutter sich meldet, bleibt jedoch - dafür gibt es den Brief in mehreren Sprachen mit dem Kennwort. Drei Babys seien so wieder zu ihren leiblichen Müttern gekommen. Auch SterniPark betont, die Klappen seien nicht als Abgabestation konzipiert, sondern als Hilfe für Mutter und Kind mit dem Ziel, beide wieder zusammen zu führen.

Vertrauliche Geburt als Alternative

Seit 2014 gibt es eine rechtlich abgesicherte Alternative zur Babyklappe: die sogenannte vertrauliche Geburt. Schwangere können so ein Kind im Krankenhaus zur Welt bringen, vorerst aber anonym bleiben - bis zum 16. Geburtstag des Kindes. So soll sicher sein, dass die Geburt - anders als oft in den Tagen vor dem Gang zu einer Babyklappe - unter medizinischer Betreuung abläuft.

Das NRW-Familienministerium erklärt, die Zahl der vertraulichen Geburten steige landesweit. Kerstin Asmussen von SterniPark ist aber überzeugt, dass bei der vertraulichen Geburt das Hinterlegen von Daten eine Schwelle für die Mutter bedeute. Ein Verzicht auf das Angebot der Babyklappen ist nach Einschätzung des Familienministeriums auch keine Option.

Kinderarzt Seiffert findet es wichtig, dass das Angebot der Babyklappen bekannt ist. In Duisburg machen Plakate darauf aufmerksam, im Linienbus blinkt den Fahrgästen die Anzeige „Werfen Sie das Leben Ihres Babys nicht weg“ mit Hinweis auf die städtische Babyklappe entgegen. Kritik, dass Frauen durch den offenen Umgang animiert werden könnten, ihr Kind abzulegen, weist Seiffert zurück. Er wünscht sich sogar für jede Stadt mindestens eine Babyklappe: „So wie es an jeder Schiffswand einen Rettungsring gibt.“

Die Klappen seien ein unerlässlicher letzter Ausweg für Mütter in Not - „und wenn es nur ein einziges Kind wäre, dessen Leben man damit gerettet hätte, und das Weiterleben der Frau, die sonst ihr Kind in die Müllkippe gegeben hätte.“

(dpa)

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