Fragen zum In-Vitro-FleischDer erste Klon-Burger aus dem Labor kostete 263.000 Euro

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Der erste im Labor gezüchtete Burger – das er auf den Markt kommt, dürfte laut Experten wohl noch 50 Jahre dauern.

Der erste im Labor gezüchtete Burger – das er auf den Markt kommt, dürfte laut Experten wohl noch 50 Jahre dauern.

Wie wird In-Vitro-Fleisch hergestellt?

Als Mark Post 2013 den ersten im Labor gezüchteten Burger präsentierte, war die Aufregung groß, die Reaktionen der Testesser aber eher verhalten. Etwas zu trocken sei er gewesen. Revolutionär aber zweifellos. Schließlich ist er mehr als eine bloße Alternative zu Fleisch – er ist Fleisch. Nur musste dafür keine Kuh durchgefüttert und geschlachtet werden. Um In-vitro-Fleisch zu produzieren, reicht es, dem Tier ein winziges Stück Muskelgewebe zu entnehmen, daraus Stammzellen zu gewinnen und diese in einer Nährlösung zu züchten. Die Zellen entwickeln sich dann zu Muskelzellen.

Das Fleisch, das wir essen, besteht zu einem großen Teil aus Muskelgewebe. Dieser Prozess findet in einem Bioreaktor statt. In diesem werden die Zellen mit Nährmedium versorgt und unter idealen Bedingungen gehalten. 250 000 Dollar (ca. 263 000 Euro) kostete der erste Klon-Burger, und er war noch weit davon entfernt, zum Supermarktprodukt zu werden. Diesem Ziel sind wir fünf Jahre später schon viel näher gekommen. Der Geflügelkonzern Wiesenhof hat in das israelische Startup Supermeat investiert, das Laborfleisch entwickelt. Im Januar 2016 präsentierte das US-amerikanische Start-up Memphis Meats das erste In-vitro-Fleischbällchen.

Gibt es Fleisch aus dem Labor bald im Supermarkt?

Noch in diesem Jahr will der amerikanische Hersteller Hampton Creek das erste vollständig tierleidfreie Fleisch – und auch Fisch – auf den Markt bringen. Der Hersteller Memphis Meat hat sich dafür 2021 als Ziel gesetzt. „Das ist eine Aussage, die sich seit drei bis vier Jahren nicht verändert hat“, sagt Silvia Woll, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Folgeabschätzung und Systemanalyse beim Karlsruher Institut für Technologie, die dort am Projekt „Visionen von In-vitro-Fleisch“ mitgearbeitet hat. „Es gab ja schon 2013 den Burger-Taste von Mark Post. Das heißt: Es funktioniert, man kann In-vitro-Fleisch herstellen.“ Auch sind die Produktionskosten dafür gesunken.

Heute liegen die hypothetischen Produktionskosten bei etwa zehn Euro. „Dass man einen kleinen Burger machen kann heißt aber nicht, dass eine Produktion auch im großen Maßstab machbar ist. Dazu bräuchte man Bioreaktoren.“ Nach der technischen Machbarkeit folgt die rechtliche: In-vitro-Fleisch müsste durch die Lebensmittelkontrolle. „Das ist nicht so einfach, denn In-vitro-Fleisch ist etwas völlig Neues. Woll: „Ein Gewebe-Ingenieur sagte uns, dass er nicht glaubt, dass wir irgendwann In-vitro-Fleisch haben werden. Und wenn, dann frühestens in 50 Jahren.“

Ist das Züchten von Laborfleisch wie das Brauen von das von Bier?

Ein Argument, das oft und gerne zitiert wird – mit dem Ziel, all jene zu überzeugen, die das im Labor gezüchtete „Frankensteinfleisch“ ablehnen. Silvia Woll hält es für angebracht: „Wir haben einen Fruchtjoghurt als Vergleich herangezogen. Da erweckt der Hersteller den Eindruck, es sei Erdbeere enthalten, aber wir wissen ja: So viel Erdbeere ist da noch nicht vorbeigekommen. Wenn man die Leute darauf anspricht, wird ihnen klar: Das stimmt eigentlich, das ist auch ein Nahrungsmittel aus dem Labor.“

Kann In-vitro-Fleisch völlig frei von Tierleid produziert werden?

Die Antwort der Expertin überrascht: „Derzeit nicht, und zwar so überhaupt gar nicht“, sagt Silvia Woll. Das habe etwas mit der technischen Machbarkeit zu tun. Bislang enthält das Wachstumsmedium, das für In-vitro-Fleisch benötigt wird, fetales Kälberserum. Während ein Kalb im Mutterleib getötet wird – das passiert in der Regel, während die Kuh geschlachtet wird – wird dem noch lebenden Fötus aus dem Herzen dieses Serum entnommen. „Das ist ein qualvoller Prozess für Kalb und Kuh“, sagt Woll.

Einen weiteren wichtigen Aspekt betont Silvia Woll, der beim Thema In-vitro-Fleisch kaum erwähnt wird: Bei der Produktion von Gewebe kommen durchaus sehr viele Tierbestandteile zum Einsatz – Rattenschwänze oder Teile von Mäusen. „Diese tierischen Bestandteile durch pflanzliches Material zu ersetzen wäre deutlich teurer.

Kann man mit einer Kuh die gesamte Welt ernähren?

Die Frage bezieht sich auf die Entnahme von Stammzellen aus einer einzigen Kuh, aus denen dann fortlaufend Fleisch gezüchtet werden könnte – und zwar tatsächlich nur solches, das wir dann auch essen. Während bei einem geschlachteten Tier viele Teile ja gar nicht mehr verwendet werden. Polemisch findet Silvia Woll die Aussage trotzdem. „Bestimmt wäre es möglich, die Zahl der gehaltenen Tiere deutlich zu reduzieren“, sagt sie. „Ich kann Ihnen aber nicht beantworten, wie viele Tiere man am Ende braucht, um die ganze Welt mit In-vitro-Fleisch statt mit konventionellem Fleisch zu ernähren.“ Die Frage sei auch: „Die Tiere, die man dafür braucht, wie werden die gehalten? Hopsen die über die grüne Wiese, leben in der Mitte unserer Gesellschaft, werden gestreichelt und alle zwei Tage kommt jemand und pikst sie?“ Es sei aber eben auch vorstellbar, dass man dann wenige Tiere hat, die aber alle in einem dunklen Stall leben, an denen täglich 50 Biopsien vorgenommen werden. Möglich wäre auch, dass Menschen noch mehr Fleisch essen, wenn es In-vitro-Fleisch gibt – ein Weg in die Fehlernährung, der Krankheiten begünstigen kann.

Ist künstliches Fleisch ökologischer?

Neben der Vermeidung von Tierleid ist der ökologische Aspekt das Hauptargument für In-vitro-Fleisch. Aber ist überhaupt klar, dass es ökologisch sinnvoller ist, Fleisch im Labor zu züchten? „Es gibt zwei Studien dazu“, sagt Silvia Woll. „Eine Studie von 2011 kommt zu dem Ergebnis, dass In-vitro-Fleisch eigentlich eine ganz gute Umweltbilanz hätte, eine deutlich bessere jedenfalls als die konventionelle Fleischproduktion. Eine andere von 2015 kommt zu diesem Ergebnis aber schon nicht mehr. Sie sagt: Bei Rind könnte es ganz gut aussehen, wegen des Methangas-Problems.“ Bei Schwein und Huhn sehe es schon anders aus. Klar ist: Bioreaktoren brauchen viel Strom. Wie viel, weiß noch keiner, denn es gibt sie ja noch nicht. Auch das ist alles hypothetisch.

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