„Ich war mir sicher: Das war es jetzt!“Hans Könen über sein Erlebnis als Bank-Geisel

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Die Artikel zum Überfall hat Hans Könen bis heute. Auch die Erinnerung lässt ihn nicht los.

Die Artikel zum Überfall hat Hans Könen bis heute. Auch die Erinnerung lässt ihn nicht los.

Loope – Im Dezember diesen Jahres ist es 47 Jahre her, aber Hans Könen aus Loope erinnert sich noch an jedes Detail des Kölner Banküberfalls, der zu einem Präzedenzfall in der Rechtsprechung wurde. „Aus! Gangster niedergeschossen – neue Geisel befreit“ titelte die Bild-Zeitung seinerzeit. Diese Zeitung schrieb: „Bankräuber nach Schießerei gefasst“ und „Nehmt den Finger vom Abzug“.

Für Könen waren das damals die schlimmsten Momente seines Lebens – sie verfolgen ihn bis heute – „als wäre es gestern gewesen“, sagt er und blickt traurig von den Zeitungsausschnitten auf, die sein Vater für ihn gesammelt hat.

„Ich dachte noch, es seien frühe Silvester-Raketen“

Hans Könen war damals 27 Jahre jung und Angestellter bei der Deutschen Bank. Als Springer war er ausgerechnet am 27. Dezember 1971 in der Filiale am Dom eingesetzt. „Es war kurz nach Weihnachten, und wir hatten noch Plätzchen im Tresorraum gegessen. Danach habe ich mit einer Kundin telefoniert, als es plötzlich knallte. Ich dachte noch, es seien frühe Silvester-Raketen.“

Ein Irrtum: Drei Bankräuber drangen durch den Windfang ein, schossen in die Decke und in die Kassenbox. „Sie riefen ,Banküberfall’ und schienen sichtlich nervös zu sein“, erinnert sich Könen. „Ich habe der Kundin am Telefon noch sagen können, dass wir überfallen werden.“ Dann ging alles sehr schnell. „Normalerwiese hatten wir in dieser Filiale nie so viel Bargeld, aber die Täter wussten wohl, dass die Geschäfte ihre Weihnachtseinkünfte bei uns abgeliefert hatten“, vermutet der Ex-Bankangestellte. Eine Mutter mit Kind und ein junger Mann durften die Bank sofort verlassen, doch die vier Angestellten wurden zu Geiseln. „Die Bankräuber trugen Pflaster im Gesicht, vermutlich zur Tarnung. Die lösten sich aber allmählich, weil sie so schwitzten.“

Könen bewahrte Ruhe, seine Kollegin begann zu weinen. „Ich bat die Männer, dass sie doch die junge Frau gehen lassen sollen. Daraufhin schlug mir einer mit dem Lauf seines Revolvers in den Nacken und forderte, dass ich mich hinlegen solle“, berichtet die Ex-Geisel. Für den heute 74-Jährige ist dieser Rückblick nicht leicht: „In diesem Moment ist mein ganzes Leben an mir vorbeigeflogen.“ Sichtlich betroffen fügt er hinzu: „Ich war mir sicher: Das war es jetzt.“ Was die Bankräuber zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Quasi zeitgleich fand nebenan ein Geldtransport der Landeszentralbank statt, der von der Polizei begleitet wurde. Auch der Juwelier am Ort reagierte schnell und richtig: Er alarmierte die Polizei. Die waren gleich zur Stelle und legten durch einen Schuss in den Reifen das Fluchtauto lahm.

„Wir haben abgesägte Schrotflinten, ihr wisst ja wie das streut“

Die Bank war umzingelt. Die Verhandlungen begannen. „Ich weiß bis heute, dass einer der Bankräuber sich an meinen Zigaretten bediente. ,Atika’ waren das. Der Mann mit dem grauen Overall steckte oben ein Tablett mit Münzen rein, die unten wieder rausfielen“, erzählt er lächelnd. „Der Bankräuber fragte mich, ob ich einen Führerschein habe, scheinbar suchte er noch einen Fahrer. Ich leugnete. Er hätte allerdings nur in meine Jackentasche greifen müssen. Wer weiß, was dann passiert wäre.“

Die Geiseln wurden nach und nach durch einen Kriminaldirektor und Schutzpolizei-Oberrat ersetzt. Könen blieb. Vom Kriminaldirektor bekam er die Anweisung, sich alles ganz genau zu merken. Schließlich schickten ihn die Banditen mit einem Zettel auf die Straße. Darauf stand: „Wir haben abgesägte Schrotflinten, ihr wisst ja wie das streut.“ Bei den Polizisten vor dem Gebäude angekommen, bricht Könen zusammen. Der Portier des Hotels am Dom nimmt ihn mit.

Könen erinnert sich: „An der Bar gab es dann erstmal einen Remy Martin, oder gleich zwei. Das hatte ich vorher nie getrunken. Heute gibt es das schon mal zu besonderen Anlässen.“ Anschließend musste er gleich ins Präsidium und Verbrecherkarteien wälzen: „Von da aus bin ich mit dem Zug nach Engelskirchen gefahren.“

Bis heute begleitet Könen die Geiselnahme in seinen Träumen

Währenddessen nahm das Geiseldrama in Köln weiter seinen Lauf. Die Bankräuber verließen mit den neuen Geiseln die Bank. Nach etwa 50 Stunden konnten sie im Saarland gefasst werden. Ein Polizist schoss auf einen der Räuber. Der Schuss ging durch die Leber und blieb in der Nähe der Wirbelsäule stecken. 15 Tage später starb er an Kreislaufversagen. Die Komplizen ergaben sich. Später wurden sie zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Zeit zum Durchatmen blieb Könen danach nicht. Bereits am nächsten Tag war er wieder in der Bank. Dort musste aufgeräumt werden. „300 Mark Schmerzensgeld haben wir bekommen. Psychologen hat man damals nicht eingesetzt.“

Könen kam erst gut zurecht. Ein Jahr später erst holt ihn die Geschichte ein. Erst nach einer vierwöchigen Reha ging es ihm wieder besser. Der Krimi begleitet den 74-Jährigen bis heute in seinen Träumen.

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