Im Ukraine-HilfskonvoiWie die Caritas in Lviv Katzenfutter als Notration bunkert

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An die Checkpoints auf den Straßen haben sich die Konvoi-Fahrer beim Rückweg durch die Ukraine fast schon gewöhnt..

An die Checkpoints auf den Straßen haben sich die Konvoi-Fahrer beim Rückweg durch die Ukraine fast schon gewöhnt..

  • Unser Autor Guido Wagner war mit einem Bergischen Hilfskonvoi unterwegs.
  • Arznei und Lebensmittel sollen in ein Kinderkrankenhaus und zur Caritas in Lviv.
  • Lesen Sie hier Teil 3 unserer Serie.

Rhein-Berg/Lviv – Vasyl Zelenko strahlt übers ganze Gesicht, als der erste Lastzug des Hilfskonvois aus Bergisch Gladbach und Overath um die Ecke biegt. Froh winkt der Vize-Direktor der Caritas von Lviv uns Fahrern zu, die sich mit 20 Tonnen Lebensmitteln, Medikamenten und weiteren Hilfsmitteln in den vergangenen zwei Tagen von Deutschland aus in die westukrainische Stadt durchgeschlagen haben.

„Wir haben fast nichts mehr, brauchen dringend ganz einfache Sachen wie Nudeln oder Reis, denn es sind Tausende Flüchtlinge in der Stadt“, sagt Zelenko und öffnet das Tor zum Hof vor der Lagerhalle, in der mal wieder chronische Leere herrscht. Nur einige Paletten Katzenfutter stehen in der Ecke. Die sind offenbar versehentlich mit einer anderen Lieferung hierhergelangt. Sollte die Not noch größer werden, müsste auch das Futter für die Versorgung herhalten.

20 Tonnen Lebensmittel, Arzneimittel und weitere Hilfsgüter

Doch jetzt heißt es erstmal die knapp 20 Tonnen Lebensmittel, Wasser, Medikamente, und weiteres medizinisches Material abzuladen. Einen Teil davon packt Zoryana Ivanyuk gleich in ihr kleines Auto. Sie leitet eine Kinderklinik in Lviv, in der es derzeit an allem mangelt.

„Viele Kinder können wir nicht operieren, weil ganz einfache Medikamente fehlen“, sagt sie. Und dabei kommen zweimal die Woche Transporte mit teils schwer verletzten Kindern aus den besonders hart umkämpften Kriegsgebieten in Lwiw an.

Pallettenware, Rollatoren und Wasser

Dietmar Schur, Dirk Ballsieper und Heinz Bernd Padberg laden Rollatoren und Rollstühle aus einem der Konvoi-Anhänger, Marc Susewind und Dr. David Melchior, die den 40-Tonner-Sattelzug gesteuert haben, helfen dem ukrainischen Gabelstaplerfahrer beim Abladen der Paletten mit Nudeln, Reis, Haferflocken und Konserven.

Viel Zeit ist nicht, wir wollen rasch zurück Richtung Grenze. Wer weiß, wie lange wir dort auf der Rückreise in die EU warten müssen? Doch auch die Formalitäten benötigen ihre Zeit. Schließlich gelten auch für Hilfskonvois strenge Auflagen, müssen alle Waren aufgeführt und ihre Verwendung nachgewiesen werden, Schenkungen und Versicherungen bestätigt werden, dass keins der Güter verkauft werden darf.

Zwischendurch erkundigt sich Vasyl Zelenko, ob – wenn es noch schlimmer würde – auch seine Frau und Kinder nach Deutschland kommen könnten. Um seine Familie macht er sich Sorgen, er selbst will in jedem Fall in der Stadt bleiben, auch wenn die Front näherkäme. „Es sind so viele Menschen hier, die Hilfe brauchen.“ Ein paar Regentropfen fallen auf den staubigen Boden. Zelenko schaut zum Himmel „Hauptsache keine Bomben“, sagt er.

Mit gemischten Gefühlen auf dem Weg zurück zur Grenze

Mit gemischten Gefühlen und den winkenden Helfern im Rückspiegel steuern wir wieder auf den Stadtring, auf dem wir am Morgen auch an einigen zerstörten Gebäuden vorbeigekommen sind, die nach Auskunft der Einheimischen von russischen Raketen getroffen wurden.

Die schwer bewaffneten ukrainischen Militärs an den Checkpoints winken uns durch. Wie schnell man sich an so ein Straßenbild gewöhnt hat.

Im ersten Ort auf dem Land passieren wir einen Friedhof mit auffällig vielen frisch aufgehäuften Gräbern. Dazwischen: weinende Frauen. Und ukrainische Flaggen, die über den Gräbern wehen. Widerstand zwischen Trauer und Verzweiflung. Niemanden von uns lässt das kalt.

Caritas-Mann Zelenko hat uns eine Polizeieskorte besorgt, damit wir mit dem Konvoi an den Lkw-Schlangen vorbeifahren können, die sich kilometerweit vor der Grenze stauen. Uli Gürster zückt seinen Dienstausweis, zeigt dass er in Deutschland Polizist ist. Die beiden ukrainischen Polizeibeamten lächeln, stellen sich zum Selfie mit dem deutschen „Kollegen“ auf.

Dann geht’s mit Blaulicht durch die nächsten Checkpoint, später auf der Autobahn sogar auf der Gegenfahrbahn. „Geisterfahrer bin ich auch in meinem Leben noch nicht gewesen“, gibt Norbert Kuhl über den Konvoi-Funk durch. „Und dann auch noch mit Blaulicht.“

Schon Kilometer vor der Grenze sind Menschen zu Fuß auf der Autobahn zu sehen. Mit Taschen, Rucksäcken oder kleinen Koffern sind sie auf dem Weg in Richtung Polen. Nicht alle werden es über die Grenze schaffen. Am Grenzzaun stehen Zelte des UN-Flüchtlingshilfswerks.

Frau mit zwei Kindern wird an der Grenze zurückgeschickt

Kinder spielen mit rostigen Metallteilen. Bei der Passkontrolle steht eine junge Frau mit zwei Kleinkindern vor uns. Als sie die Nachricht des Grenzers hört, bricht sie in Tränen aus. Sie hat von ihren beiden Kindern nur die Geburtsurkunden retten können. Aber die reichen nicht, sagt man ihr.

Es hilft alles nichts, sie müsse zurück in die Ukraine und zuerst Ausweispapiere für ihren Nachwuchs  beantragen. Sie weiß nicht, wo sie überhaupt hingehen soll. Wie gerne würden wir der Frau  helfen. Doch die Grenzer lassen nicht mit sich reden.

Eine Soldatin führt die Frau mit ihren Kindern bereits  zurück auf die ukrainische Seite, während für uns eine knapp fünfstündige Tour durch die Kontrollen beginnt. Immer wieder werden unsere Pässe kontrolliert, die leeren Lkw durchsucht und am Ende gar geröntgt.

Auf der polnischen Seite treffen wir Rettungssanitäter aus Brandenburg, die sich in einer Initiative zusammengeschlossen und gerade Schwerverletzte aus Lviv geholt haben, um sie zur Behandlung in Krankenhäuser bei Frankfurt an der Oder zu bringen.

Rettungssanitäter holen Schwerverletzte aus Lviv nach Deutschland

„Auch eine Frau, die bei einem Raketenangriff in ihrem Haus verletzt wurde, ist dabei“, erzählt uns Sanitäter Michael Schrank und fragt beiläufig, wo wir denn bei dem Luftalarm am Nachmittag Schutz gesucht hätten. Luftalarm? Wir schauen uns fragend an.

Schließlich stellt sich heraus, dass um 14 Uhr, als die Retter mit ihren Patienten gerade in Lviv losfahren wollten (und wir gerade eine Stunde aus der Stadt waren), die Sirenen heulten. „Wir mussten erstmal in den als Aufstellraum für Rettungsfahrzeuge vorgesehenen Bereiche in Unterführungen fahren“, berichtet Schrank und lächelt: „Sind ja noch heil durchgekommen.“

Es sind viele Begegnungen, die uns auf der folgenden, knapp 20-stündigen Rückfahrt durch den Kopf gehen. Keiner von uns hat sich leichtfertig auf diesen Weg gemacht. Aber auch niemand von uns würde wahrscheinlich zögern, wenn es beim nächsten Mal wieder Hilfsgüter nach Lviv zu bringen gibt.

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Die nächste Hilfsaktion schon im Blick

Nach der Hilfsaktion ist vor der nächsten – das gilt für Uli Gürster vom Verein Hilfe Litauen Belarus ebenso wie für Norbert Kuhl von der Humanitären Hilfe Overath. So planen die beiden bereits die nächste gemeinsame Hilfsaktion für den Sommer.

Wer die Arbeit der Vereine  unterstützen möchte, findet Kontaktdaten und Spendendaten auf den Internetseiten des Vereins Hilfe Litauen Belarus und der Humanitären Hilfe Overath, deren Vorsitzender Norbert Kuhl auch telefonisch zu erreichen ist unter 0170/350 30 40.

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