Am Ort der Razzien

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Von den Holzwänden blättert statt roter orange Farbe, aber die Stahlpuffer, die außenliegenden Blattfedern und vor allem die schwere Schiebetür in der Mitte sind typisch für den Güterwagen G10. Mit diesem hunderttausendfach gebauten Fahrzeugtyp haben die Nazis vor mehr als 60 Jahren nicht nur Stückgut und Vieh transportiert, sondern auch Juden, Roma, „Asoziale“ und viele andere ihnen unliebsame Personen. Das Ziel: die Vernichtung. Weil am Kölner Hauptbahnhof nach Razzien Bettler und „Asoziale“ verschleppt wurden, hat die Initiative „Die Bahn erinnern“ den Güterwagen gestern Abend auf dem Bahnhofsvorplatz abgeladen. Sie hat ihn beim Eisenbahnmuseum Dieringhausen ausgeliehen. Heute, am Gedenktag für die Opfer der NS-Gewaltverbrechen, ist der Waggon Ziel eines Gedenkganges, den die Veranstaltergruppe um Malle Bensch-Humbach und Pfarrer Mathias Bonhoeffer an der AntoniterCitykirche startet. Dieses Jahr geht es um Menschen, die von den Nazis als „Asoziale“ und „Minderwertige“ abgestempelt wurden. „Wir erinnern an die vergessenen Gruppen, die Deserteure, Euthanasieopfer oder Lesben“, sagte Bonhoeffer. Drei Kölner Schicksale werden szenisch dargestellt. „Eine Frau wurde in Ravensbrück umgebracht, ein Bettler verschwand in Dachau, eine Frau hat überlebt“, sagt Bensch-Humbach. Das Menschensinfonieorchester mit obdachlosen Mitgliedern um Alessandro Palmitessa spielt.

Am Waggon der Initiative „Die Bahn erinnern“, von der auch das Mahnmal „Die Schwelle“ stammt, gibt es noch einige Tag lang Programm: Sonntag sind Roma und Sinti Schwerpunkt, Montag Euthanasie und Asoziale, Dienstag Zwangsarbeiter, Mittwoch Film „Fahrplanmäßig in den Tod“, Donnerstag Deportation.

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